36,7 Kilometer die Stunde wurden bei einem Sprint von Karim Adeyemi in der vergangenen Saison gemessen, Spitzenwert beim BVB - immer geradeaus. Der Karriereverlauf des 21-Jährigen hingegen schwankt gerade zwischen steil bergauf und einigen Taldurchfahrten.
BVB-Star: Genie oder Leichtsinn?
Während der deutsche Nationalspieler gegen Ende der vergangenen Saison den Anschein erweckte, den Durchbruch im gelb-schwarzen Dress endlich geschafft zu haben, lässt der Klub nun gar intern Zweifel aufkommen. Eine Diskussion zwischen Ausschöpfung des Leistungspotenzials und Verbummeln der fußballerischen Blütezeit.
Vom Trainerteam des BVB kam in den letzten Tagen Kritik am 21-Jährigen auf: Erst äußerte sich Co-Trainer Armin Reutershahn über das Top-Talent, dann unterstützte Cheftrainer Edin Terzic die Aussagen seines Assistenten.
Sogar intern: Kritik an Adeyemi
Dieser hatte im Gespräch mit den Ruhrnachrichten gesagt: „Manchmal fehlt mir einfach die Seriosität. Er ist sehr locker manchmal beim Training und ich würde mir wünschen, dass er noch ernsthafter an die Sache herangeht.“
Doch die Negativität trog, auch positive Ansätze fanden sich über den viermaligen deutschen Nationalspieler: „In Karim steckt unglaubliches Potenzial, aber es muss Konstanz und Effektivität dazukommen“, so Terzic auf der Spieltags-Pressekonferenz vor dem Auswärtsauftritt am zweiten Spieltag in Bochum.
Es klang das übliche Bild durch, die Metapher der Berg- und Talfahrt ist wohl an der Mittelstation angekommen. Doch die Fahrtrichtung ist entscheidend: aufwärts. „Wenn er das kapiert, glaube ich, dass er ein ganz großer Spieler werden kann“, führte Reutershahn weiter über den 30-Millionen-Mann aus.
Adeyemi kassierte schon Flick-Ansage
Selbst Bundestrainer Hansi Flick kam schon zu diesem gemischten Ergebnis bei einem DFB-Lehrgang in 2022: „Er kann total viel, für überraschende Momente sorgen, muss aber die Konstanz reinkriegen und vor allem noch fleißiger sein und sich nicht auf sein Talent verlassen.“
Die Kritik an Adeyemis Inkonstanz ist also keinesfalls neu. Der Flügelspieler ist sich seiner Situation bewusst, weiß auch sein Trainer: „Karim weiß auch, dass er noch viel mehr leisten kann.“ Doch es scheint, als wandele Adeyemi auf den Spuren von Donyell Malen - als Langsamstarter im BVB-Trikot.
Im Sommer 2022 kam der Offensivspieler aus Salzburg, verpasste vier der ersten sechs Bundesligaspiele sowie den CL-Auftakt der Dortmunder. Seine ersten elf Bundesliga-Einsätze verliefen ebenso ernüchternd.
Kein einziger Scorerpunkt, zudem machte ihm eine Zehenverletzung zu schaffen. Während Adeyemi bereits analog zu Malen als „Flop“ abgestempelt wurde, schraubte er seine Leistungsdaten nach der WM-Pause aber deutlich nach oben.
BVB: Aufschwung in der Rückrunde
Der Stürmer mit nigerianischen und rumänischen Wurzeln zeigte urplötzlich sein Können. Laut Deltatre kam er bis zum 17. Spieltag auf lediglich eine Großchance, in der Rückrunde waren es sechs. Hinzu trat in der Rückrunde 329 Sprints an, deutlich mehr als noch 244 Sprints in der ersten Saisonhälfte.
Das schlug sich auch in den Torbeteiligungen nieder: In den ersten fünf Spielen nach der WM-Pause erzielte er 3 Tore und zwei Vorlagen. Außerdem gewann er nach der Winterpause 44,5% seiner Zweikämpfe (Hinrunde 41,9%), benötigte im Durchschnitt nur 19,5 Minuten für eine Torschussbeteiligung (21,2 Minuten).
Ist Adeyemi also endlich angekommen, oben auf dem Bergplateau? Wohl nicht ganz, denn ein zusätzliches Problem bereitet Adeyemi chronisch Sorgen: die Verletzungsanfälligkeit. In der vergangenen Saison verpasste er zehn Pflichtspiele.
Gerade zu Beginn der Rückrunde, als Adeyemi zu Topform auflief, stoppe ihn ein folgenschwerer Muskelfaserriss. Ein leidtragendes Spiel darunter war das wichtige Achtelfinalrückspiel gegen Chelsea, das der BVB mit 0:2 verlor und somit ausschied.
Im Hinspiel hatte der Flügelspieler noch das entscheidende Siegtor zum 1:0 erzielt und die Mannschaft aus London schwindelig gespielt.
Adeyemi, die Reizfigur
Doch auch als es sportlich lief, fiel der neunmalige BVB-Torschütze nicht nur positiv auf. Aufmerksamkeit erlangte das Sturmjuwel in der vergangenen Saison durch eine Diskussion um seine Schwalben unter anderem gegen Union Berlin und Eintracht Frankfurt.
Hinzu kam ein Foul an Jesper Lindström, das er erst leugnete und dann später doch zugab. Im Allgemeinen gilt der gebürtige Münchener als Reizfigur und zeigt sich oft nicht so selbstkritisch, wie viele es von einem jüngeren Spieler erwarten würden.
Bereits in seiner Zeit als Jugendspieler musste er die Abteilung des FC Bayern verlassen, weil er immer wieder mit den Trainern und Mitspielern aneckte.
Personen aus dem Umfeld des Spielers und der Nachwuchsakademie der Bayern bestätigen SPORT1 damals, dass sich der heutige Nationalspieler in jungen Jahren nicht immer ganz pflegeleicht verhielt – und das beim FCB alles andere als gut ankam.
Neue Saison, neuer Halt?
Das könnte sich nun allerdings ändern. Denn neben den sportlichen Ambitionen - Adeyemi weiß um sein Standing und die externen Erwartungen - hat sich auch im privaten Umfeld des Stürmers einiges getan. Im Juli veröffentlichte er auf Instagram die Beziehung zur Rapperin Loredana.
So lassen auch sportlich die Glücksgefühle nicht lange auf sich warten. Während sich Adeyemi am letzten Spieltag der vergangenen Saison erneut einen Muskelfaserriss zuzog, Teile der Vorbereitung verpasste, und im DFB-Pokal gar nicht im Kader stand, feierte er gegen Köln sein Bundesliga-Comeback.
Am ersten Spieltag der neuen Saison spielte der gebürtige Münchner etwas mehr als 20 Minuten, ließ dabei seine vorhandenen Fähigkeiten phasenweise aufblitzen. Die steigende Leistungskurve kann den Dortmunder Anhängern also Mut machen - nicht nur für den zweiten Spieltag gegen Bochum (ab 15.30 Uhr LIVE im Ticker auf SPORT1).