Wenn Fans von Eintracht Frankfurt über die Jahre 1991 bis 1994 sprechen, dann bekommen sie glänzende, feuchte Augen.
Eine in Frankfurt unvergessene Ära
Es waren die Jahre, als Anthony Yeboah, Jörn Andersen, Uwe Bein, Maurizio Gaudino oder Andreas Möller die eigene Anhängerschaft verzückten - und die Gegner das Fürchten lehrten.
Ob im Waldstadion oder auf anderen Plätzen: Wenn die Hessen kamen, dann war Spektakel geboten. Das Eintrittsgeld lohnte sich fast immer.
Falkenmayer war der Mann hinter den Ballkünstlern
Ein Akteur, der in diesen Spielzeiten immer dabei war, hieß Ralf Falkenmayer. „Die Erbs“, wie der inzwischen 60-Jährige damals aufgrund seiner Statur von 1,75 Metern und 63 Kilogramm genannt wurde, war zwar kein typischer „Wasserträger“, dafür bestach er zu sehr mit fußballerischen Qualitäten. Falkenmayer war sich seiner Rolle als Stabilisator hinter den Ball-Künstlern dennoch bewusst.
Im Gespräch mit SPORT1 gibt der frühere defensive Mittelfeldspieler, der mit Ausnahme von zwei Jahren (1987 bis 1989 in Leverkusen und dort UEFA-Cup-Sieger) stets das Eintracht-Trikot überstreifte, zu: „Das hat uns allen riesigen Spaß gemacht. Jeder hatte seinen Part in diesem Gebilde. Im Trainingsspielchen haben wir uns dann manchmal gegenseitig aufgezogen. Wenn wir den Tony oder Jay-Jay mal ärgern konnten, dann haben wir auch mal herzlich gelacht.“
„Das war beinahe Barcelona-Stil“
„Fußball 2000″ wurde diese in Frankfurt unvergessene Ära vor 30 Jahren getauft. Die Zuschauer wurden im Wochentakt verwöhnt, wenn Bein die Zauberpässe spielte, Möller den Turbo zündete, Okocha durch die Reihen tanzte oder Yeboah und Andersen netzten, wie sie wollten. „Das war beinahe Barcelona-Stil. Wir haben Ball und Gegner laufen gelassen“, erinnert sich Falkenmayer euphorisiert zurück.
Wenn der waschechte Frankfurter, der zwei Töchter hat, mehrfacher Großvater ist und die Traditionsmannschaft auf der Reise über die hessischen Dörfer begleitet, über diese Phase in seinem Leben spricht, kommen die Emotionen hoch.
Obwohl der Fußball 2000 lange zurückliegt, sind die Erlebnisse noch immer präsent. Da war die Saison 1991/92, als die Frankfurter schon als sicherer Meister nach Rostock reisten und dann an der Ostsee ihr Trauma erlebten.
Rostock 1992: „Wir waren am Boden zerstört“
Rückstand, Ausgleich, der ausgebliebene Elfmeterpfiff von Schiedsrichter Alfons Berg nach Foul an Ralf Weber und anschließend der Genickbruch beim bereits feststehenden Absteiger. Trainer Dragoslav „Stepi“ Stepanovic sagte danach seinen legendären Satz: „Lebbe geht weider.“
Für Falkenmayer hingegen ging „das Lebbe“ in diesem Moment nicht weiter: „Wir waren am Boden zerstört und haben eine Krönung verpasst.“ Die Eintracht rutschte noch von Platz eins auf drei ab, musste den VfB Stuttgart und Borussia Dortmund vorbeiziehen lassen.
Die Mannschaft schüttelte sich, wurde im darauffolgenden Jahr ebenfalls Dritter - und startete in die Saison 1993/94 mit dem damaligen Trainer-Novizen Klaus Toppmöller. Es wurde arg unterhaltsam in der Mainmetropole. „Bye Bye, Bayern“ war so ein Spruch.
Oder aber: „Wenn ich so Fußball gespielt hätte wie Berti Vogts, so als reiner Wadenbeißer, dann hätte ich mit 18 Jahren meine Fußballschuhe verbrannt.“ Toppmöller kam sogar mit einem Adler in die Kabine marschiert. „Es war mal etwas anderes, aber ich bin da schon erschrocken“, lacht Falkenmayer.
„Es war ein Wunder, wenn wir mal zwei ruhige Jahre hatten“
Allerdings stellte der Motivator Toppmöller einen Startrekord bei den Hessen auf, verlor erstmals am 12. Spieltag eine Bundesligapartie. Bis heute wird spekuliert, ob ein fitter Yeboah den Klub zur zweiten Meisterschaft nach 1959 geführt hätte. Stattdessen zeigte sich die Diva von ihrer besten Seite, am Ende stand die vorzeitige Entlassung von Toppmöller und das Aus von Kult-Torhüter Uli Stein. Es waren mal wieder wilde Zeiten in der Banken-Metropole.
„Größenwahnsinnig“ sei der Coach nicht gewesen, findet Falkenmayer. Ineinander hätten die Rädchen allerdings auch nicht mehr gegriffen. Da konnte auch Falkenmayer, der mit seinem Instinkt und guter Übersicht viele gefährliche Angriffe bereits im Keim erstickte, nichts mehr ändern: „Wenn bei uns zwei Jahre Ruhe war, dann war das schon fast ein Wunder.“
Mit der Ruhe war es dann auch vorbei, die endgültige Eskalation folgte. Die nächste Trainer-Entscheidung sollte nämlich den Absturz bis in die 2. Liga einläuten.
Heynckes wollte den FC Bayern kopieren – und scheiterte
Jupp Heynckes kam vielumjubelt und mit hohen Erwartungen - doch es passte einfach nicht zusammen bei der Eintracht, die Frankfurter Neue Presse etwa sprach von einem „grotesken Missverständnis“.
Falkenmayer hatte dafür eine Erklärung: „Es ging nicht, den FC Bayern München zu kopieren. Dort hattest du andere Möglichkeiten. Er wollte es so machen wie zu seiner Zeit in München. Aber dieser Schuss ging komplett nach hinten los.“
Und dann kam es zum großen Bruch. Yeboah, Okocha und Gaudino mussten zum Straftraining antanzen. „Ich fand diese Aktion übertrieben. Wir hatten Abschlusstraining und da haben sie ein bisschen lockerer gemacht und hatten ihren Spaß. Jupp stand allerdings hinter dem Tor und ihm platzte fast schon die Halsschlagader, als sie nach Flanken jeden Ball über das Tor geschossen haben.“
Fußball 2000 bleibt im kollektiven Gedächtnis des Klubs verankert
Das Unheil aus Eintracht-Sicht nahm seinen Lauf. Das Trio meldete sich nach dem Straftraining für die darauffolgende Partie gegen den Hamburger SV ab, man sei „körperlich und mental kaputt“.
Der so wichtige Zusammenhalt und Spaß waren weg, es wurde mehr gestritten als gespielt. Am 2. April 1995 verließ Heynckes die Eintracht - und 13 Monate später stand der erste Abstieg der Vereinsgeschichte.
Der Fußball 2000 war zwar passé - aber er bleibt weiterhin tief im kollektiven Gedächtnis des Klubs verankert.