Dieser Lebenslauf liest sich auf den ersten Blick so, als sei jeder Schritt genauestens durchdacht und beinahe minutiös geplant gewesen: Der Einstieg ins Business mit 26 Jahren als Team-Manager bei der TSG Hoffenheim zu Beginn, mit 30 Jahren Lizenzspielerleiter bei RB Leipzig, anschließend der Wechsel zu Eintracht Frankfurt, ebenfalls als Lizenzspielerleiter, und am 1. Juli der Aufstieg bei den Hessen zum Sportdirektor.
Das ist Eintrachts neuer Sportdirektor
Der erst 33 Jahre alte Timmo Hardung hat sich peu à peu nach oben gearbeitet, wobei er im Gespräch mit SPORT1 zugibt: „Ich hatte und habe keinen Karriereplan gehabt! Bis ich Teammanager wurde, habe ich eine wirtschaftliche Ausbildung angestrebt und wollte eigentlich im BWL-Bereich arbeiten. Ich kam nicht aus einer Fußballer-Familie und habe deshalb nicht ins Business gedrängt.“
Timmo Hardung gibt „Vollgas“ bei Eintracht Frankfurt
Der Mann, der in seinen ersten Jahren vor allem als Kumpel von Trainer Julian Nagelsmann bekannt geworden ist, kann sich in dieser gehobenen Position endgültig freischwimmen und eigene Akzente setzen. Hardung spricht von einer „großen und spannenden“ Aufgabe: „Ich habe dadurch eine Führungsrolle, bei der ich Vollgas geben werde. Der Verein hat nicht jene finanziellen Möglichkeiten wie einige Konkurrenten, wir müssen immer wieder wach und kreativ sein. Dabei bin ich gefordert.“
So holte Hardung US-Talent Aaronson zur Eintracht
Hardung konnte den Stil der Eintracht bereits zwei Jahre kennenlernen. Er kam im Sommer 2021 gemeinsam mit Sportvorstand Markus Krösche aus Leipzig. Nagelsmann wollte ihn mit nach München nehmen, doch Krösche war etwas fixer. Diese Entscheidung hat sich für Hardung ausgezahlt. Er bekommt von seinem Chef Krösche in Frankfurt Vertrauen, Gestaltungsspielraum und Verantwortung.
Vor allem der Wintertransfer von US-Talent Paxten Aaronson ist sein Deal gewesen. Bei SPORT1 sprach Hardung voller Stolz über „seine“ Entdeckung: „Paxten haben wir initial über unsere Datensuche gefunden. Danach haben die Scouts ihn genauer unter die Lupe genommen und analysiert, wie er spielt. Seine Intensität sowie Spielweise gefielen uns, weshalb wir uns einige seiner Auftritte in der MLS und bei der U20-Nationalmannschaft live angeschaut haben. Der gute und professionelle Kontakt zu Philadelphia Union und Ernst Tanner ermöglichte uns auch eine Trainingsvisite. Das ist nicht üblich in der Branche.“
Neben dem Daten-Scouting gibt es auch weiterhin Live-Eindrücke
Der gebürtige Heidelberger traf sich abschließend in den USA persönlich mit Aaronson und überzeugte ihn unter anderem mit Videomaterial vom Wechsel nach Frankfurt. Er betonte: „Wichtig war vor allem die Ehrlichkeit. Ich habe ihm natürlich gesagt, dass wir nicht sofort als Stammspieler mit ihm kalkulieren, er sich weiterentwickeln und das annehmen muss. Es ist wichtig, dass ein Spieler das versteht.“
Die Ausschnitte sollten verdeutlichen, welche Möglichkeiten Aaronson in der Mainmetropole fußballerisch hat: „Wir wollen schnellen Fußball spielen, hoch attackieren und rasant von Defensive in Offensive umschalten. Ich habe ihm dafür verschiedene Szenen gezeigt, die unsere Philosophie verdeutlichen.“
So entscheidend also die Scouting-Plattform Wyscout, wo sich in Sekundenschnelle Videos von Spielern anschauen lassen, und Daten auch sind, sie ersetzen den Live-Eindruck nicht vollständig. Dennoch ist die Gewichtung eine andere als unter Vorgänger Ben Manga, der in seinen sechseinhalb Jahren bei der Eintracht stets in den Stadien der Welt unterwegs war und in zweiter Instanz auf Daten zurückgriff. Ob das neue System ähnlich erfolgreich wird, muss die Zukunft zeigen.
Toppmöller soll Spieler mit Detailversessenheit mitnehmen
Für den Erfolg soll auf der Kommandobrücke ab sofort Trainer Dino Toppmöller, der auf Europa-League-Triumphator Oliver Glasner folgt, sorgen. Ein Juwel wie Aaronson weiter zu formen, liegt ab sofort in dessen Aufgabenbereich. Hardung erkennt bei Toppmöller eine Philosophie und einen klaren Plan, wie das Gesamtbild auszusehen habe.
Doch es sind noch andere Qualitäten, die ihn auszeichnen: „Dino wirkt sehr souverän. Die Begeisterung zum Detail überzeugt auch Spieler, sie merken, wenn sie ein Trainer besser macht und besser machen will.“
Zudem sei es hilfreich, „dass er mehrere Fremdsprachen fließend spricht“. Hardung hat keine Bedenken, dass Toppmöller auch erfahrene Kräfte wie Sebastian Rode oder Mario Götze mit seiner Detailversessenheit mitnehmen kann. Auf Götze wird es bei dem Umbruch, den die Eintracht im Moment vollzieht, verstärkt ankommen.
Götze könnte „eventuell noch zwei, drei Törchen mehr schießen“
Der 31-Jährige war in der abgelaufenen Saison enorm laufstark, der Mann der vorletzten Pässe. Kritiker von Götze bemängelten allerdings die fehlende Torgefahr (3 Tore in 46 Pflichtspielen). Hardung sagte über ihn: „Mario könnte eventuell noch zwei, drei Törchen mehr schießen. Er hat aber ein gutes Gespür für Folgeaktionen, der Spielwitz ist da. Das sollte man ihm nicht nehmen, indem man zu viele Treffer von ihm erwartet – insbesondere dann, wenn man über einen solch guten Vorlagengeber redet.“
Es sind die vielen Rädchen, die wieder ineinandergreifen müssen. Hardung will in neuer Rolle mit dafür sorgen, den Eintracht-Erfolgsweg der vergangenen Jahre seit 2016 fortzuführen.