Wenn Kölns Trainer Steffen Baumgart am 10. Juli zum Trainingsauftakt einlädt, wird Justin Diehl fehlen. Das 18 Jahre junge Eigengewächs, das schon in der Bundesliga debütierte, darf nicht mehr bei den Profis trainieren.
Das nächste Kölner Trauma?
Dabei gilt Diehl als stärkstes Kölner Eigengewächs seit Florian Wirtz. Der Offensiv-Allrounder wird nun zwangsversetzt in die zweite Mannschaft (Regionalliga West), weil er seinen 2024 auslaufenden Vertrag nicht verlängern will. Das bestätigte Cheftrainer Baumgart dem Kölner Stadt-Anzeiger: „Justin hat uns mitgeteilt, dass er seine Zukunft nicht beim FC sieht. Damit ist nicht mehr die Grundlage gegeben, dass wir ihn im Profi-Kader entwickeln.“
Köln habe dem U19-Nationalspieler „eine klare Perspektive aufgezeigt, und er hat sich gegen diese Perspektive entschieden“, so Baumgart. Damit verlieren die Domstädter einen monatelangen Kampf um ihr größtes Talent. Auch, weil Star-Berater Roger Wittmann von der ROGON-Agentur seinen Klienten wohl gerne bei einem noch größeren Verein unterbringen will, wie die Bild berichtete.
Mindestens eine Million Euro möchte der 1. FC Köln mit einem Diehl-Deal verdienen, schrieb die SportBild am Mittwoch.
Wirtz ist heute 85 Millionen wert
Denn weil Diehls Vertrag 2024 ausläuft, deutet vieles auf einen Wechsel in diesem Transferfenster hin. Der FC möchte eine Wiederholung des traumatischen Falls Florian Wirtz unbedingt vermeiden: Der Nationalspieler, der heute 85 Millionen Euro wert ist, verließ seinen Jugendklub im Januar 2020 gen Leverkusen, womit man beim FC überhaupt nicht einverstanden war.
Der Wechsel ging einher mit heftigen Vorwürfen aus Köln an die Adresse des ungeliebten Nachbarn. Bayer habe, so der damalige Vorwurf, ein Abkommen unter den drei rivalisierenden Bundesligisten im Rheinland gebrochen. Demnach hätten sich Köln, Leverkusen und Borussia Mönchengladbach gegenseitig versichert, einander keine Jugendspieler abzuwerben.
Köln kassierte damals laut SPORT1-Informationen einen geradezu lächerlichen Sockelbetrag von nur 200.000 Euro für Wirtz, der schon als Achtjähriger ans Geißbockheim gekommen war.
Und Diehl? Der Junioren-Nationalspieler war erst sechs Jahre alt, als er zum FC kam. Es gibt ein Foto, in dem der zehnjährige Diehl sich sein Kindertrikot von Jonas Hector unterschreiben lässt - im Januar 2023 standen Autogrammjäger und Jugendidol beim 7:1-Sieg gegen Bremen dann gemeinsam auf dem Platz.
Der diesjährige U19-DFB-Pokalsieger (5 Tore und 4 Vorlagen in 6 Spielen) gilt als größtes Talent des Vereins und als jüngstes Indiz für die sehr gute Jugendarbeit beim FC.
U21-Kapitän Yann Aurel Bisseck, der kurz vor einem Wechsel zu Inter Mailand stehen soll, wurde ebenso in Köln ausgebildet wie Darko Churlinov (heute FC Burnley), Ismail Jakobs (heute AS Monaco) oder Salih Özcan (heute BVB), um nur einige zu nennen.
Diehl machte schon 15-Jähriger Schlagzeilen. „Natürlich will ich am liebsten hier Profi werden“, sagte das Mega-Talent damals. Das war 2020.
„Nachwuchsspieler halten sich nach einem Titel für die Größten“
Drei Jahre später ist es mit der Treue des Talents zum FC allerdings nicht mehr soweit her. NLZ-Leiter Lukas Berg, Sport-Geschäftsführer Christian Keller und nicht zuletzt Steffen Baumgart umgarnten ihr Juwel monatelang, bevor Anfang Juni endgültig die Stimmung kippte.
„Am Ende hängt es am Spieler und an seinem Umfeld, allen voran den Eltern und Beratern, ob sie gemeinsam in der Lage sind zu erkennen, was die richtigen nächsten Schritte sind“, mahnte Kölns Sportchef Keller vor einem Monat in der Bild. „Nach der A-Junioren-Bundesliga kommt eben nicht automatisch die richtige Bundesliga“, schob Keller noch nach.
Es war wohl vor allem Diehls Berater-Agentur ROGON, die das Tischtuch wohl endgültig zerriss. Kölns Sportchef wurde bei diesem Thema ungewöhnlich deutlich: „Viele Nachwuchsspieler halten sich nach einem Titel im Jugendbereich schon für die Größten und interessieren sich nicht dafür, dass nur die wenigsten von solchen Titelträgern im Nachhinein auch Profis geworden sind. Die Jungs, die Eltern und die Berater müssen verstehen, dass wir alle nur das Beste für sie wollen.“
Der 1,74 Meter große Techniker darf seinen künftigen Arbeitgeber wohl aus der Creme de la Creme des deutschen und internationalen Fußballs wählen. Im Januar habe schon Borussia Dortmund um Diehl gebuhlt, berichtete der Geissblog damals.
Vielleicht folgt Diehl aber auch Wirtz auf die andere Rheinseite nach Leverkusen. Bei Bayers U11 spielt ja auch schon Justins kleiner Bruder Barrios. 2011 hatte Leverkusen Juliane Wirtz in die Bayer-Jugend, bevor ihr kleiner Bruder Florian dann 2020 dazukam.
Für die Kölner wäre das ein überaus unangenehmes Déjà-vu.