Die neue alte Ordnung
Er wollte sich vor allem mehr Zeit für seine Familie nehmen, weil er glaubte, seine Fußball-Familie in gute Hände übergeben zu haben. Doch er täuschte sich.
Sein Nachfolger Oliver Kahn, das weiß spätestens seit Samstag auch die Öffentlichkeit, konnte die Erwartungen nicht erfüllen - insbesondere auf zwischenmenschlicher Ebene.
Und so ist Karl-Heinz Rummenigge nun wieder zurück beim FC Bayern. Nicht als Vorstandsboss, „nur“ als Aufsichtsratsmitglied. Doch dass ein Posten an der Säbener Straße weniger als ein Name über die Macht und das Mitspracherecht aussagt, zeigt sich am Beispiel Uli Hoeneß.
Hoeneß gibt nach wie vor den Ton an
Denn obwohl Hoeneß „nur“ noch Ehrenpräsident ist, hält er die Zügel bei seinem FC Bayern nach wie vor fest in der Hand. Schon vor einem Jahr hatte er große Zweifel an Kahn, gab ihm nach einem Krisengespräch aber noch eine Chance. Jetzt ist Schluss.
Und der Patriarch vom Tegernsee muss sich selbst eingestehen, dass er seinen alten, nicht immer wohlgesonnenen Partner aus Lippstadt benötigt, um den Verein wieder auf Vordermann zu bringen und besser für die Zukunft zu rüsten.
Dafür ist Hoeneß sogar kompromissbereit. Sein „Lehrling“ Hasan Salihamidzic musste mit Kahn gehen, weil Rummenigge schon länger kein Fürsprecher mehr von dem öffentlich oft umstrittenen Sportvorstand war. Spätestens nach der Fehde mit Triple-Coach Hansi Flick soll Salihamidzic bei dem langjährigen Klubchef unten durch gewesen sein.
Tuchel soll langfristige Lösung sein
Hoeneß hatte Salihamidzic noch rund um den Ärger mit Flick durchgeboxt, jetzt aber blieben auch ihm keine Argumente mehr für eine weitere Chance. Zu turbulent war die Saison, zu ungünstig der Zeitpunkt des Rauswurfs von Julian Nagelsmann, zu fehlerhaft die Zusammenstellung des Kaders, zu schlecht die Stimmung in der Mannschaft.
Gewiss: „Brazzo“ war nicht allein für all das verantwortlich und bewies mit seinem stilvollen Abgang Größe. Doch ein „Weiter so“ wäre kaum vermittelbar gewesen, auch nicht für Herbert Hainer. Die Chefetage glaubt, dass die Mannschaft frischen Wind um sich herum benötigt - und vor allem: endlich Kontinuität auf dem Trainerposten.
Hoeneß sieht in Thomas Tuchel, in den er sich auf den zweiten Blick verliebt hat, eine langfristige Lösung. Und er weiß, wie sehr Tuchel nun von Rummenigges Aura und Netzwerk profitieren kann. Mit seinen internationalen Kontakten ist der langjährige ECA-Chef der perfekte Mann, um direkt im operativen Geschäft mitzuhelfen. Sprich: Spieler zu verpflichten, Spieler zu verkaufen, Verträge zu verlängern.
Neue alte Bayern-Ordnung ist zurück
Wenn man so will, ist es also mehr ein Comeback als ein Neuanfang beim FC Bayern. Die neue alte Ordnung ist zurück, Hoeneß und Rummenigge planen und gestalten aktiv hinter den Kulissen mit. Und sie haben mit Jan-Christian Dreesen einen engen Vertrauten zum Kahn-Nachfolger gemacht, mit dem sie beide können.
Dreesen gilt als jemand, der sich selbst nicht für zu wichtig nimmt, viel kommuniziert, nahbar ist. Deshalb hat sich ein Großteil der Angestelltenschaft an der Säbener Straße am Samstag auch doppelt gefreut: über den Gewinn der elften Meisterschaft in Folge, aber auch über die Revolution an der Vereinsspitze mit der Rückkehr von Rummenigge.
Ein hochrangiger Mitarbeiter des FC Bayern sagte bereits im März zu SPORT1: „Der Kalle hätte einen auch unter Stress beim Bäcker oder von der anderen Straßenseite aus gegrüßt und gefragt, wie es einem geht. Dem Kahn dagegen fällt ja schon ein ‚Guten Morgen‘ auf der Geschäftsstelle schwer.“