Ordentlich begonnen, in Führung gegangen, eingebrochen: Der Auftritt des FC Bayern gegen RB Leipzig war kein einmaliger Zufall, er war ein Spiegelbild der gesamten Rückrunde. Einer Rückrunde, die keine Meisterschaft verdient. Und schon gar keine Ausreden.
Sonst geht es Tuchel wie Nagelsmann
Egal, ob der BVB diese Vorlage nutzt und der zehnjährigen Bayern-Dominanz ein Ende setzt: Ein „Weiter so“ darf es an der Säbener Straße nach dieser Saison nicht geben! Es bedarf einer schonungslosen Aufarbeitung, bei der vor allem zwei Fragen gestellt und beantwortet werden müssen.
Erstens: Was wird aus dieser Mannschaft, die bis auf wenige Ausnahmen nur noch wie eine seelen- und führungslose Ansammlung von Ich-AGs wirkt? Und zweitens: Was wird aus diesem Vorstand, der sich mit seiner wohl überlegten und doch riskanten Entscheidung verzockt hat, Julian Nagelsmann mit Beginn der wichtigsten Phase der Saison durch Thomas Tuchel zu ersetzen?
Man muss bei aller nachvollziehbaren Kritik an Oliver Kahn und Hasan Salihamidzic wissen: Sie hatten schon länger berechtigte Zweifel an Nagelsmann. Die Bosse erhielten seit der WM fast wöchentlich Beschwerden über den Ex-Coach – wenn nicht von Spielern selbst, dann von deren Beratern.
Das Bayern-Chaos war zu groß - selbst für Tuchel
Nagelsmann hatte zwar noch wichtige Fürsprecher in der Kabine, doch es knisterte hinter den Kulissen immer wieder. Mehrere Stars verloren den Fokus. Nicht nur Leroy Sané kam zu spät. Nicht nur Serge Gnabry nutzte seine freien Tage wenig professionell. Dazu der Ärger mit Manuel Neuer.
Es war ein zu großes Durcheinander, das sich auch auf den Platz übertrug. Zur Erinnerung: Unter der Regie von Nagelsmann wurde ein Neun-Punkte-Vorsprung auf den BVB verspielt.
Die Chefetage also wollte diesen einen neuen Impuls, diesen einen entscheidenden Weckruf – in der Hoffnung, der in Paris und London als Egoflüsterer erprobte Tuchel würde aus einem fragilen und toxischen Gebilde wieder eine funktionierende, füreinander kämpfende Einheit formen.
Heute ist klar: Der Scherbenhaufen war sogar für Tuchel, einen der besten Trainer der Welt, zu groß.
Pokal-Aus und Blackouts in der Liga
Die Mannschaft spielt nicht besser, nicht schöner und schon gar nicht erfolgreicher. Über das Aus in der Champions League gegen das aktuell beste Team der Welt lässt sich hinwegsehen.
Anders als über das unnötige K.o. im Pokal und die sich immer wieder aus dem Nichts einschleichenden Blackouts in der Bundesliga, bei denen die Spieler trotz unzähliger Analysen, Anpassungen und Warnungen den Eindruck der Unbelehrbarkeit und Beratungsresistenz hinterlassen haben.
Es ist kein gutes Zeichen für Tuchel, dass er seit Wochen dieselben Fehler benennt, immer und immer wieder von fehlender Energie, Konzentration und Bereitschaft spricht. So redet kein Trainer, der seine Mannschaft erreicht.
Es fehlt eine starke Achse
Wenn Tuchel also über den Sommer hinaus Trainer bleiben soll – und das ist nach wie vor der Plan – benötigt er viel Unterstützung und viel frisches Blut. Ein neuer Stürmer und ein neuer Sechser werden vielleicht die Qualitätslücken in diesem Kader schließen.
Die vergangenen Wochen haben aber gezeigt, dass die Probleme weitaus tiefer liegen und diese Mannschaft vor allem eines nicht hat: Charakter.
Es fehlt eine starke Achse mit starken Persönlichkeiten, denen die Kollegen bedingungslos folgen. Und genau deshalb sollten im Sommer klare Entscheidungen an der Säbener Straße getroffen werden. Nach dem Leistungsprinzip. Ohne Rücksicht auf große Namen.
Es braucht Veränderungen. In der Mannschaft und auch um die Mannschaft herum.
Sonst wird es Tuchel bald genauso ergehen wie Nagelsmann.