Es war eine unmögliche Situation für Thomas Tuchel.
Was wird jetzt aus Tuchel?
Eigentlich hätte der Trainer des FC Bayern emotional seinen ersten Meistertitel feiern müssen, noch dazu einen so dramatischen nach dem 2:1-Sieg in Köln, mit dem sein Team Tabellenführer BVB kurz vor der Ziellinie doch noch abfing auf dem Weg zur 11. Deutschen Meisterschaft in Serie.
Dummerweise feuerte sein Klub just zum Saisonfinale Vorstandsboss Oliver Kahn und Sportvorstand Hasan Salihamidzic - was praktisch mit Abpfiff wie eine Bombe mitten in die vermeintliche Jubel-Explosion hineinplatzte.
„Es passt aber zu dieser Saison: Statt zu feiern haben wir das nächste politische Thema“, meinte ein sichtlich angefressener Tuchel kurz nach dem Spiel, als er bei Sky auf das Aus seiner Chefs angesprochen wurde.
Es war schon ein heftiger Stimmungskiller für einen Bayern-Tag, der sich an Dramatik nicht hinter den legendären Saisonfinals von 2000 (Leverkusen-Tragödie in Unterhaching) oder 2001 (Andersons Freistoß in Hamburg) verstecken musste.
Statt Feier-Ekstase stand plötzlich eine ganz andere Frage im Raum: Was wird nach dem Bosse-Beben jetzt aus Tuchel?
Hamann: Tuchel bald nicht mehr Bayern-Trainer?
Legende Dietmar Hamann ließ bei Sky kein gutes Haar an seinem Ex-Klub und schimpfte, das Aus von Kahn und Salihamidzic zu diesem Zeitpunkt sei „an Respektlosigkeit nicht zu überbieten“, eine „Frechheit“ und eines solchen Klubs „unwürdig“.
Und er stellte klar, er halte es „nicht für ausgeschlossen, dass Tuchel bald nicht mehr Trainer des FC Bayern ist. Wenn du siehst, wie mit den Leuten umgegangen wird, dann stellt sich die Frage: Willst du für so einen Verein arbeiten?“
Könnte Tuchel zu der Überzeugung kommen, dass seine Antwort darauf „Nein“ lautet?
Kahn und Salihamidzic holten Tuchel - jetzt sind sie weg
Auf die Frage, ob er seinen Weg bei Bayern fortsetzen wird, sagte der Coach direkt nach dem Spiel zwar, „davon gehe ich jetzt mal aus“ - aber wie nah ihm das Aus von Kahn und vor allem Salihamidzic ging, mit der er quasi täglich zusammenarbeitete, wurde an diesem denkwürdigen Samstag sehr deutlich.
„Die beiden haben dafür gekämpft vor acht oder zehn Wochen, Dienstagnacht und Mittwoch, mich zu überzeugen, auf die gemeinsame Reise mit ihnen zu gehen“, erinnerte Tuchel nochmals. Und er wiederum habe seine Co-Trainer „überzeugt, da mit reinzuspringen ins kalte Wasser“, betonte der Coach: „Da ziehen Familien um und so weiter.“
Salihamidzic und Kahn „waren maßgeblich dafür verantwortlich, dass wir auf die Reise gehen und dass wir es uns zugetraut haben“, stellte Tuchel klar.
Und plötzlich bist du Meister - und trotzdem sind beide weg.
Tuchel spricht über Konsequenzen
„Natürlich hat es Konsequenzen. Ich weiß nur noch nicht, welche“, sagte Tuchel dann auch ganz deutlich und erklärte recht rigoros, dass sich für ihn jetzt „mehr oder weniger alles“ ändern wird, „weil Oli und Brazzo diejenigen waren, die eigentlich täglich mit mir im Austausch waren. Vor allem Brazzo.“
Gerade der wichtige tagtägliche Austausch mit dem Sportvorstand und Kaderplaner fällt ausgerechnet jetzt weg, da Bayern ja durchaus in Sachen neue Neun und Mittelfeld-Abräumer auf dem Transfermarkt in die heiße Planung gehen müsste.
„Er ist jetzt weg und wir müssen erst mal warten, wie es weitergeht“, sagte Tuchel über seinen Vertrauten Salihamidzic.
Salihamidzic-Nachfolger? „Wäre nicht so dumm, wenn ich gefragt werde“
Immerhin darf der Trainer bei der Nachbesetzung des Sportvorstands ein Wörtchen mitreden, wie er verriet.
„Wäre nicht so dumm, wenn ich gefragt werde“, witzelte Tuchel, „werde ich wahrscheinlich auch. Ich kenne die Pläne nicht.“
Nach Flucht aus Bayern klangen die Aussagen von Tuchel, so beschädigt die Meister-Stimmung auch war, nicht.