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Bundesliga: Wie Bayer Leverkusen zu Vizekusen wurde

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Bundesliga: Wie Bayer Leverkusen zu Vizekusen wurde

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Der Mythos, der zum Gespött wurde

Bayer Leverkusen galt einst als Bayern-Verfolger Nummer eins, ein Titel blieb der Werkself jedoch stets verwehrt. SPORT1 blickt zurück auf den Tag, an dem der Mythos „Vizekusen“ seinen Anfang nahm - heute vor 24 Jahren.
20. Mai 2000: Bayer Leverkusen verspielt ausgerechnet vor den Toren Münchens die Meisterschaft. Ein Eigentor von Michael Ballack leitet das Drama ein.
Bayer Leverkusen galt einst als Bayern-Verfolger Nummer eins, ein Titel blieb der Werkself jedoch stets verwehrt. SPORT1 blickt zurück auf den Tag, an dem der Mythos „Vizekusen“ seinen Anfang nahm - heute vor 24 Jahren.

Es ist eine Erinnerung, die alle Verantwortlichen von Bayer Leverkusen nie mehr so schmerzlich treffen wird! Die erste Meisterschaft des neuen Jahrtausends verläuft spannend wie lange nicht. (NEWS: Alle aktuellen Infos zur Bundesliga)

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Die Entscheidung fällt erst am letzten Spieltag im Großraum München. Im Sportpark von Aufsteiger Spielvereinigung Unterhaching, 14 Kilometer vom Olympia-Stadion entfernt, will Tabellenführer Bayer Leverkusen den letzten Schritt aufs Siegerpodium machen.

Der Vorsprung der Elf von Trainer Christoph Daum vor den Bayern, die Werder Bremen erwarten, beträgt drei Punkte. Einen brauchen sie noch, die Chancen stehen gut auf den ersten Meistertitel des Werksteams. So sieht es auch der DFB, der die Meisterschale nach Unterhaching schafft, Präsident Egidius Braun ist vor Ort sie zu überreichen. Sogar Innenminister Otto Schily gibt sich die Ehre im kleinen Sportpark, der nur 11.000 Zuschauer fasst.

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Die Stimmung ist prächtig, auch weil die Gastgeber ihr erstes Bundesligajahr mit Erfolg überstanden haben und überraschend Zehnter geworden sind. Bayern-Kapitän Stefan Effenberg ignoriert die Tabelle glatt und sagt vor dem Spiel: „Unterhaching ist die beste Mannschaft der Bundesliga.“ (DATEN: Die Tabelle der Bundesliga)

Fußball-Deutschland glaubte an einen Triumph von Leverkusen

Der Zweck ist klar, es sind Psychospielchen um die Leverkusener zu verunsichern und den kleinen Nachbarn, dessen Hilfe sie dringend brauchen, zu umschmeicheln. Dessen Trainer Lorenz-Günther Köstner sieht die Sache realistischer: „Wir wollen uns nichts nachsagen lassen. Aber Bayer wird zu 99,9% Meister.“

Leverkusens Kapitän Jens Nowotny weiß: „Wir sind die einzigen, die uns noch was vermasseln können.“

Daran glauben immerhin noch fast 45 Prozent der Teilnehmer an einer Internet-Umfrage des Kicker, die Mehrheit aber setzt auf den Meister Leverkusen, wie es auch auf einem vorbereiteten DFB-Transparent zu lesen steht.

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Der Tabellenführer wird an diesem 20. Mai 2000 von 2500 Fans begleitet, es ist das volle Gästekartenkontingent. Wenn nicht jetzt, wann dann? Zuhause in der Bay Arena fiebern weitere 15.000 vor einer Videowand mit. Alles ist angerichtet für den großen Tag, der eine Saison krönen soll, in der Leverkusen spielerisch da Non-plus-ultra gewesen ist.

Spieler wie der junge Michael Ballack, der weiße Brasilianer Bernd Schneider und die echten Brasilianer Lucio, Emerson und Ze Roberto sind in aller Munde. Leverkusen stellt im Jahr 2000 die halbe Nationalmannschaft, Bundestrainer Erich Ribbeck nimmt fünf Werkskicker zur Europameisterschaft.

Bayern setzt Leverkusen früh unter Druck

Was zu allen Zeiten zuvor galt, trifft aber auch auf jene Bayer-Mannschaft zu: ihr fehlt das Siegergen, was ein Bayern-Spieler spätestens mit der Vertragsunterschrift eingepflanzt bekommt. Das beweist sie in Unterhaching eindrucksvoll.

Für Daum fängt der Spieltag schon schlecht an. Er wird von einer Türkin im Hotel telefonisch belästigt, mit der er ein uneheliches Kind gezeugt haben soll. Das kommt ein halbes Jahr später heraus, als im Rahmen des Kokain-Skandals um Daum jede Menge Schmutzwäsche gewaschen wird. Inwieweit das auf Daums Vorbereitung Einfluss hat, ist spekulativ.

Seine Spieler wirken jedenfalls desorientiert. Und während in München die Bayern schon nach 16 Minuten mit 3:0 führen, kämpft Leverkusen noch immer mit den eigenen Nerven. Nach 20 Minuten fällt dann das berühmteste Tor in der Karriere von Michael Ballack, leider ist es ein Eigentor, produziert bei einem missglückten Rettungsversuch.

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Seit 15.50 Uhr heißt der virtuelle Meister Bayern München, so ist es auch bei Halbzeit und so bleibt es bis zum bitteren Ende, für das ein Kopfball des Ex-Bayern-Profis Markus Oberleitner sorgt. Sein 2:0 in der 72. Minute bringt die Entscheidung. Leverkusen kann nichts mehr entgegensetzen, während die Bayern ihre 3:1-Führung über die Zeit schaukeln.

Die Enttäuschung ist groß in Leverkusen

Während Ottmar Hitzfeld in den Armen von Uli Hoeneß feiert, weint Daum auf der Bank, Sohn Marcel tröstet ihn, oder ist es umgekehrt? Auch Ballack sieht man schluchzen, erst auf der Bank, Stunden später noch auf dem Flughafen in den Armen seiner Simone.

Es ist ein hochemotionales Saisonfinish, wie wir es uns schon lange vergeblich wünschen. Die Stimmen, die die Reporter nach Abpfiff auf beiden Schauplätzen einfangen, sprechen Bände. „So brutal kann Fußball sein. Das ist die schönste Meisterschaft, die ich je erlebt habe“, sagt Bayern-Keeper Oliver Kahn.

„Leverkusen wird nie etwas gewinnen! Nie, nie, nie“, prophezeit der Brasilianer Emerson, der auch 21 Jahre danach noch nicht widerlegt worden ist. „Was habe ich verbrochen, dass ich nie Deutscher Meister werde?“, fragt Sturm-Oldie Ulf Kirsten. „Das ist unser Barcelona“, erklärt Bayer-Manager Reiner Calmund in Bezugnahme auf die Münchner Niederlage im Vorjahr im Champions League-Finale, als der Titel in der Nachspielzeit noch verschenkt wurde an Manchester United.

Diesmal bekommen die Bayern einen Titel geschenkt und sie wissen, bei wem sie sich bedanken müssen. Um 22.30 Uhr erscheinen die eigentlichen Stars des Tages auf der Meister-Feier: die Spieler der Spielvereinigung Unterhaching.

In Leverkusen haben sie den Vizekusen-Fluch in dieser Saison endgültig besiegt. Gut möglich sogar, dass aus Vizekusen bald Triplekusen wird - wenn Bayer auch das Europa-League-Finale am Mittwoch gegen Atalanta Bergamo sowie das DFB-Pokal-Endspiel am Samstag gegen Zweitligist 1. FC Kaiserslautern gewinnen sollte.