Erinnerungen an die Vergangenheit wurden im Umfeld von Eintracht Frankfurt nach dem Remis gegen Borussia Mönchengladbach wach.
Glasner und Eintracht: Passt das noch?
„Ich gehe davon aus, dass ich hier nächstes Jahr auf der Bank sitze“, sagte Trainer Oliver Glasner nach Spielende.
Eine neue Form von „Stand jetzt“ oder „ich bleibe“, geprägt von den Vorgängern Niko Kovac und Adi Hütter? Das wird sich zeigen, wenn im Sommer ernsthaft ein großer Klub anklopfen sollte.
Das Bekenntnis lässt weiterhin Interpretationsspielraum. Glasner will seinen bis 2024 laufenden Vertrag in Frankfurt offenbar erfüllen. Aber wie steht der Klub zum Österreicher?
Frankfurt will Klarheit von Glasner
Das Angebot zu einer Verlängerung des Kontrakts bis 2026 liegt auf dem Tisch. Der Plan ist weiterhin ganz klar, mit dem in Fankreisen sehr beliebten Glasner in die kommende Spielzeit zu gehen.
Zeitspiel allerdings mag Sportvorstand Markus Krösche, der Konstanz auf dem Trainerstuhl anstrebt, ganz und gar nicht.
Der 42-Jährige ist sehr konsequent am Verhandlungstisch, bereitet sich auf alle Gegebenheiten vor und schließt Akten, wenn die andere Seite den richtigen Zeitpunkt verpasst hat.
Die Gefahr, dass der Coach die Ausstiegsklausel zieht und bei einer tollen Offerte zu einem größeren Verein wechselt, ist da. Spekulationen über mögliche Nachfolger kommen zwar noch viel zu früh.
Krösche muss für den Fall der Fälle jedoch vorbereitet sein, schließlich ist der Trainer die wichtigste Person im Klub.
Eintracht will verlängern - aber auch Glasner muss liefern
Die Ausgangslage in den Gesprächen hat sich inzwischen etwas verändert. Glasner – auch das gehört zur Wahrheit - hat nicht mehr wie im Herbst geliefert.
Die Bundesliga-Ergebnisse der vergangenen Wochen waren dürftig. In der Rückrundentabelle liegen die Frankfurter mit erst elf gesammelten Punkten auf Rang elf.
So hoch die Fähigkeiten Glasners in der Trainings- und Taktiklehre bewertet werden, so kritisch wurde nach SPORT1-Informationen auch intern der späte Einbau von Talenten und fehlende Mut betrachtet. Es ist 2023 nicht alles Gold was glänzt am Main.
Paxten Aaronson, Faride Alidou oder zuletzt Junior Dina Ebimbe (nach längerer Verletzungspause) mussten lange mit zusehen, wie erfahrene Kräfte à la Rafael Borré oder Daichi Kamada ihrer Form hinterherliefen.
Als die Mannschaft gegen Mönchengladbach mit dem Rücken zur Wand stand, zog der ansonsten sehr dosiert eingreifende Glasner nach 55 Minuten die drei Joker und holte damit hochverdient einen Punkt. Plötzlich waren wieder Power, Speed und Ideenreichtum auf dem Platz, der zuvor statische Kick erhielt eine neue Dynamik.
Frankfurt in der Bundesliga nur Mittelmaß
An diese starke Schlussphase gilt es bereits am kommenden Spieltag bei Borussia Dortmund anzuknüpfen.
Glasner hat mit seinem Team in den Pokalwettbewerben – Europa-League-Sieg, Champions-League-Achtelfinale, DFB-Pokal-Halbfinale – performt, auf nationaler Ebene sieht es in seiner Amtszeit insgesamt mäßig aus.
Nach 62 Partien mit ihm an der Seitenauslinie stehen saisonübergreifend 84 Punkte. Damit befindet sich der Klub auf Augenhöhe mit dem 1. FC Köln (84 Punkte in diesem Zeitraum) oder Gladbach (81), aber weit hinter Konkurrenten wie dem SC Freiburg (105) und Union Berlin (109). Das tägliche Brot dürfen die Hessen bei ihrer Klettertour nach ganz oben nicht aus dem Auge verlieren.
Das im Winter 2023 ausgerufene Ziel hieß, Rang vier verteidigen. Angesichts von neun Zählern Rückstand auf RB Leipzig und einer Negativserie von sieben sieglosen Partien am Stück ist eine Aufholjagd schwierig.
Der Pokalsieg ist noch möglich, die Top 6 nicht unerreichbar. Nach einem herausragenden Zwischenlauf vor der Winter-WM in Katar ist das in der Gesamtheit aber deutlich zu wenig. Hier gilt es zukünftig die richtige Balance aus Feiertagen und Alltag zu finden.
Ein Eintracht-Coach ist auch Entwicklungs-Coach
Glasner sollte sich für eine erfolgreiche Zukunft bei den Hessen daher auch als Entwicklungs-Coach verstehen.
Die Suche nach neuen Spielern der Marke Willian Pacho, Omar Marmoush oder Farés Chaibi zeigt, was Krösche will: jung, hungrig, mit viel Potenzial ausgestattet. Ein „fertiger Akteur“ wie Mario Götze wird zwar in Zukunft weiterhin auf der Liste stehen. Ansonsten gilt es, Juwele zu schleifen, sie auf das nächste Level zu heben.
Passt das zu den Ambitionen des Österreichers? Oder kann er sich mit dem Thema Umbruch nicht vollumfänglich identifizieren?
Die Eintracht jedenfalls ist inzwischen eine hochattraktive Adresse geworden. Pokal-Sieger 2018, Europapokal-Gewinner 2022, Champions-League-Achtelfinalist 2023 – Frankfurt lockt und ist sexy. Und braucht dafür einen Übungsleiter, der voll und ganz hinter dem Weg des Klubs steht.
Deshalb ist auch die Frage nach der Glasner-Zukunft keine Einbahnstraße. Es muss für beide Seiten passen.