So hatte sich der FC Bayern das Bundesligaspiel beim FSV Mainz 05 nicht vorgestellt. Nach einer 1:0-Führung zur Pause kassierte das Team von Thomas Tuchel innerhalb von kürzester Zeit drei Gegentore und brach förmlich auseinander.
Bayerns Horror-Zahlen
Damit verspielte der kriselnde Rekordmeister nicht zum ersten Mal in der laufenden Saison eine gute Ausgangsposition für einen Sieg.
So war der FCB bereits im DFB-Pokal nach einer 1:0-Führung gegen den SC Freiburg gescheitert. In der Bundesliga mussten die Münchner nach einer Halbzeitführung gegen Leverkusen eine 1:2-Niederlage hinnehmen. Außerdem gab es gegen Hoffenheim, Frankfurt, Leipzig oder im Hinspiel gegen den BVB nur Unentschieden, obwohl Bayern zur Pause jeweils vorne gelegen war.
„Es gibt keinen Grund, die Situation zu beschönigen. Wir haben in der zweiten Hälfte der Saison zu viele Punkte liegen gelassen. Wir sind nicht in der Lage, über 90 Minuten Leistung zu bringen“, bemängelte Tuchel nach der Mainz-Pleite, die Bayern zu allem Überfluss auch die Tabellenführung kostete.
FC Bayern zeigt zwei unterschiedliche Gesichter
Ein Blick auf die Zahlen bestätigt die Aussage des Trainers und verdeutlicht die katastrophale Bilanz der Münchner nach dem Anpfiff zur zweiten Hälfte.
Die erste Halbzeit isoliert betrachtet, steht der FC Bayern zwar mit 73 Punkten und 19 Zählern Vorsprung vor Borussia Dortmund auf Platz eins.
Doch in der zweiten Halbzeit zeigt sich ein völlig anderes Bild: Hier belegt der FCB nur den zehnten Platz und kommt auf magere 38 Punkte. Der BVB hat elf Zähler mehr.
Bei der genaueren Analyse fällt zudem auf, dass Nagelsmanns und Tuchels Mannschaft im zweiten Abschnitt bereits mehr als doppelt so viele Gegentore (23) kassiert hat, als vor der Halbzeit (nur 10).
In der Vorsaison mussten die Münchner nach 34 Spieltagen überhaupt nur 16 Gegentreffer in der zweiten Halbzeit hinnehmen. Auch in den beiden Vorjahren waren es jeweils weniger als 20 Gegentore gewesen.
Zu viele Gegentore in der zweiten Hälfte
Über die vollen 90 Minuten haben die Bayern in der laufenden Saison aber gar nicht viel mehr Gegentreffer kassiert als in den letzten Jahren: So sind es 2022/23 bisher durchschnittlich 1,14 Gegentore pro Spiel, was in etwa dem Niveau der beiden vorherigen Spielzeiten entspricht (2021/22: 1,09, 2020/21: 1,3).
Das heißt, dass der Rekordmeister vor der Halbzeit sogar weniger Tore hinnehmen muss als zuvor, dafür aber vor allem im zweiten Durchgang nachlässig vor dem eigenen Kasten agiert.
In der Vergangenheit konnte diese Schwäche beim FC Bayern noch nicht beobachten werden. Im Gegenteil: In der Saison 2021/22 waren die Münchner gemeinsam mit Borussia Dortmund nach 34 Spieltagen mit 67 Punkten das beste Team der zweiten Halbzeit.
Auch in den Jahren zuvor hatte Bayern im zweiten Durchgang immer starke Leistungen gezeigt und war von der Saison 2016/17 bis 2019/20 an der Spitze dieser Tabelle zu finden.
Was sind die Gründe für den Leistungseinbruch?
Die genauen Gründe für den akuten Leistungseinbruch der Münchner im finalen Spielabschnitt bleiben offen. Doch nach turbulenten Wochen haben die Bayern neben ihrem Selbstverständnis offenbar auch ihr Durchhaltevermögen verloren.
„In der zweiten Halbzeit kommen die Mainzer aus dem absoluten Nichts zum Ausgleich, es war keine Drangphase, kein Aufbäumen im Stadion. Dann muss man sagen, dass wir keine Energie haben, darauf zu reagieren“, meinte Tuchel am Samstag nach der Niederlage.
Vorstandsboss Oliver Kahn polterte: „Ich habe mich im Laufe der zweiten Halbzeit gefragt: Wer will denn hier eigentlich Deutscher Meister werden? Wir oder die andere Mannschaft? Denn die hat um jeden Zentimeter gekämpft, mit vollem Einsatz und voller Bereitschaft. Wir nicht. Mit so einer Ausstrahlung wird es ganz schwer, Meister zu werden!“
Eine konkrete Erklärung für den erneuten Einbruch hatten die Bayern-Bosse aber nicht. „Ich kann nicht sagen, woran es liegt“, meinte Präsident Herbert Hainer. „Man merkt einfach, dass wir schnell verunsichert sind, wenn wir ein Gegentor bekommen.“
Fest steht: Der FC Bayern kann den BVB nur dann von der Tabellenspitze verdrängen, wenn das Team seine Einsatzbereitschaft und Energie über die gesamten 90 Minuten aufrechterhält.
Daran muss Tuchel nach der dreitägigen Trainingspause mit seiner Mannschaft intensiv arbeiten.