Dass der Fußball ein Mannschaftssport ist, steht außer Frage. Weil das auf den ersten Blick so leicht erscheinende Spiel derart komplex und unberechenbar ist, benötigt es eine möglichst perfekte Symbiose aller elf Spieler.
Die neue BVB-Sturmhoffnung!
Doch es gibt auch diese Tage, da ist es nur ein einziger Akteur, der den Ausgang einer Begegnung maßgeblich bestimmt – so wie beim Halbfinal-Hinspiel um die Deutsche Meisterschaft der U19-Junioren zwischen Hertha BSC und Borussia Dortmund (0:4).
Beim fulminanten Auswärtssieg avancierte Julian Rijkhoff zum alleinigen Matchwinner und überstrahlte als vierfacher Torschütze die Kollektivleistung der Schwarz-Gelben. Erst schnürte er zwischen der 10. und 17. Minute einen lupenreinen Hattrick. Dann schlug der Goalgetter kurz vor Spielende nochmal zu und legte somit den Grundstein für einen neuerlichen BVB-Finaleinzug.
Rijkhoff-Wechsel nach Dortmund sorgte für Wirbel
Eine Besonderheit: Dieses beeindruckende Statement war keine Eintagsfliege. Seit der Niederländer Anfang 2021 als damals 16-Jähriger von Ajax Amsterdam nach Dortmund wechselte, geht seine Entwicklung steil bergauf. Rijkhoffs Weg scheint vorgezeichnet zu sein.
So ist es wenig verwunderlich, dass sie bei Ajax lange wütend waren, Rijkhoff nicht im eigenen Klub gehalten zu haben. Zwar lag ihm als Anschluss seines Fördervertrags ein Kontrakt für die Profiabteilung vor, doch von seinen Perspektiven war der Stürmer kaum beeindruckt.
Als in den Gesprächen schließlich Funkstille herrschte, grätschte die Borussia dazwischen - und sicherte sich das Ausnahmetalent für eine Ausbildungsentschädigung von läppischen 130.000 Euro.
Zwangläufig wurde der Wechsel in den Niederlanden heftig diskutiert. Oranje-Legende Marco van Basten warf Rijkhoff ein „sehr schlechtes Management“ vor. Dessen Berater Dick van Burik, ehemaliger Bundesligaspieler bei Hertha BSC, blockte alle Kritiker ab. Stattdessen erläuterte er, wie Dortmund den Youngster überzeugt habe.
„Wir waren in den Gesprächen sehr beeindruckt. Sie wussten alles über ihn, ihre Scouting-Abteilung hat einen sehr guten Job gemacht. Wie gut der BVB ihn schon kannte, wie er ihn weiterentwickeln möchte und wie überzeugt er von ihm ist - all das hat auf Julian und seine Eltern großen Eindruck gemacht“, erklärte van Burik einst der Bild.
Rijkhoff zu BVB-Profis? „Werde weiter für meinen Traum arbeiten“
Anfangs fiel es Rijkhoff nicht leicht, sich an den intensiven deutschen Nachwuchsfußball zu gewöhnen, da der niederländische Fokus seit jeher mehr auf Technik und taktischen Aspekten liegt. Inzwischen hat er den Übergang von Ajax zum BVB aber mit Bravour gemeistert.
Das bestätigen die nackten Zahlen. In bisher 33 Partien der A-Junioren-Bundesliga sind ihm 36 Treffer gelungen, davon stammen alleine 19 Tore aus der laufenden Saison. Hinzu kommen neun Treffer bei 18 Einsätzen in der Youth League – ein deutliches Zeichen an die sportliche Leitung der Schwarz-Gelben.
Als Rijkhoff im Februar ein neues Arbeitspapier in Dortmund unterzeichnete, ließ er bereits verlauten: „Ich bin stolz, dass ich einen langfristigen Vertrag beim BVB unterschreiben konnte. Ich spüre das Vertrauen der Verantwortlichen und werde weiter für meinen Traum arbeiten, irgendwann für Borussia Dortmunds Profis spielen zu dürfen.“
Über die genaue Laufzeit des Vertrags machte der Klub keine Angaben. Doch die Ausdehnung galt als Signal an Rijkhoff, dass man langfristig auf ihn baut.
So attestierte BVB-Nachwuchschef Lars Ricken dem Youngstar eine „ausgezeichnete Perspektive“. Und Rijkhoffs aktueller U19-Trainer Mike Tullberg sieht „sehr viel Potenzial, das noch in ihm steckt“, wie er gegenüber der Ruhr Nachrichten sagte.
Selbstkritik von Rijkhoff: „Kann mich noch überall steigern“
Natürlich haben die Verantwortlichen der Borussia Rijkhoffs Entwicklung längst registriert. Fortan lautet die Frage: Welchen Weg schlägt der Angreifer ein?
Auf der Asien-Tour des BVB im vergangenen Winter gehörte der 18-Jährige zur Auswahl der Jugendspieler, die bei Cheftrainer Edin Terzic über einen längeren Zeitraum vorspielen durften. Dank seiner überragenden Trefferquote sind erste Kadernominierungen und Einsätze in der Bundesliga mittlerweile in Reichweite.
Ob Rijkhoff schon ab dem Sommer ein vollwertiges Mitglied des Profi-Kaders wird, ist allerdings unklar. Alternativ könnte man den Torjäger erst einmal zur zweiten Mannschaft in die 3. Liga schicken. So hätte er Aussicht auf regelmäßige Spielpraxis und Zeit, sich an die härtere Gangart des Herrenfußballs zu gewöhnen.
Denn Rijkhoff weiß, dass er an seinen noch vorhandenen Schwächen arbeiten muss. „Einer meiner Schwerpunkte liegt darauf, mich körperlich zu verbessern“, betonte er kürzlich und fügte selbstkritisch hinzu: „Ich kann mich noch überall steigern“. Mit einer Größe von 1,83 Metern ist der Niederländer sowieso kein typischer Wandspieler, sondern ein eher zierlicher Akteur.
Auch Tullberg erklärte: „Julian kann seine Zweikampfquote noch verbessern. Im Gegenpressing muss er mehr Bälle erobern und mit dem Ball muss er sich stärker durchsetzen können, wenn es körperbetont wird.“
Wie plant der BVB mit Rijkhoff?
Gleichzeitig lobte Tullberg aber Rijkhoffs Trainingspensum. „Ich bin froh, mit Julian arbeiten zu dürfen. Er ist schon sehr professionell und sehr fleißig,“ so der U19-Coach des BVB.
Verfolgt das Stürmer-Juwel seinen Traum weiterhin so ehrgeizig, dann ist der Weg zu den Profis offen. Dennoch bahnt sich ein Problem an: Neben Sébastien Haller (28) befindet sich mit Youssoufa Moukoko (18) bereits ein großes Sturmjuwel im Team von Terzic. Bei Anthony Modeste (34) läuft das Arbeitspapier am Saisonende aus, alles andere als eine Trennung wäre eine Überraschung.
Ob Terzic und die BVB-Bosse dann auf eine Variante mit zwei Talenten hinter Haller setzen wollen, ist fraglich. Sowohl Rijkhoff als auch Moukoko ausreichend Spielpraxis zu garantieren und die hohen sportlichen Erwartungen zu erfüllen, scheint schwierig zu sein.
Und trotzdem gibt es kaum Zweifel: Rijkhoff wird früher oder später in den Profifußball drängen, sofern er seine Trefferquote auch nur annähernd halten kann.