Das Weiterkommen gegen PSG - auch und gerade für Julian Nagelsmann ein ganz wichtiger Erfolg. Zuvor war der FC Bayern München nur schleppend ins neue Jahr gestartet, hatte unter anderem drei Mal in Folge in der Liga nur Remis gespielt. Im Zentrum der aufkommenden Kritik von außen: der Trainer!
Nagelsmann: Dann schäme ich mich
„Ich habe mir vor meinem Wechsel natürlich gedanklich ausgemalt, was mich als Bayern-Trainer erwarten könnte, und mir dazu auch umfangreiche Informationen geholt“, sagte Nagelsmann nun in einem Interview mit der Welt, „worauf man sich aber nicht komplett vorbereiten kann: was für ein extremes Schwarz-Weiß-Denken es mitunter gibt.“
Als Beispiel nannte er die Spiele gegen PSG. Zuvor war Nagelsmann dafür kritisiert worden, dass er in der Defensive von der Viererkette zu einer Dreierkette gewechselt hatte, „danach wurde es als größte Taktik überhaupt gelobt“. (KOMMENTAR: Nagelsmann hat Mut und Stärke bewiesen)
„Die Schnelllebigkeit des Fußballs erlebst du beim FC Bayern im Extremen. Wären wir ausgeschieden, hätten alle gesagt: Katastrophale Taktik von Nagelsmann, warum ließ er Stanisic spielen?“, erklärte der 35-Jährige weiter.
Nagelsmann: Ich schäme mich nach Niederlagen
Doch die Bayern kamen weiter - und ersparten ihrem Coach damit auch viele Gedanken. „Nach Niederlagen habe ich ein Schamgefühl“, räumte Nagelsmann ein. „Ich bin selbstkritisch und hinterfrage viele Dinge. Und bin immer offen für sachliche Kritik. Ich reflektiere viel und habe bei Bayern viele Dinge angepasst: an den Kader, an die Qualität der Spieler, an die Größe des Klubs.“
Dazu zählt auch, dass die Spieler in München deutlich mehr Eigenverantwortung leisten können und auch einfordern. Nagelsmann beziehe entsprechend die Führungsspieler des FCB deutlich mehr ein, als er es bei der TSG Hoffenheim und RB Leipzig tat. Auch, wenn am Ende immer er die Entscheidungen treffe.
So auch im Fall von Klub-Ikone Thomas Müller, der sich zwischenzeitlich auf der Bank wiederfand. Eine mutige Entscheidung?
„Mein Credo ist: Mut ist das Anagramm von Glück. Ich habe schon immer versucht, einen mutigen Ansatz zu wählen. Und will damit auch den Spielern etwas vorleben“, betonte Nagelsmann. „Du kannst mit deinen Entscheidungen und deiner Art als Trainer deine Mannschaft prägen. Wenn du immer sehr vorsichtig wechselst, bringst du deine Spieler dazu, vorsichtig zu denken. Wenn die Mannschaft sieht, dass der Trainer etwas Risiko geht, weiß jeder, dass auch er Fehler machen kann.“
So wie auch er selbst natürlich Fehler mache. Beispielsweise auf Pressekonferenzen. „Jemand, der keine Meinung hat, kommt easy durchs Leben. Ich habe aber lieber eine. Denn ich glaube nicht, dass der ohne Meinung glücklicher ist. Das hat auch wieder mit Mut und vorleben zu tun.“
FC Bayern: Nagelsmann fordert Mut von seinen Spielern
Mut und Risiko verlange er entsprechend auch von seinen Spielern, wenn er sie auf den Rasen schickt.
„Bevor wir lauter Bürokraten auf dem Platz haben, die den Ball nur von links nach rechts schieben und die Zuschauer einschlafen, sollen sie lieber etwas probieren und riskieren“, erläuterte er seine Philosophie.
„Mit dem Risiko, dass auch mal was in die Hose geht. Manchmal habe ich vielleicht den Tick mehr Emotionen. Das ist aber jedem bewusst, der einen jungen Trainer verpflichtet.“
Das tat der FC Bayern und stattete Nagelsmann direkt mit einem Fünfjahresvertrag aus. Nicht weniger als eine Ära soll der gebürtige Bayern im besten Fall prägen.
Das plant Nagelsmann nach der Karriere
Doch auch Nagelsmann weiß, dass es ein Leben nach dem Fußball gibt - und hat schon Pläne und Träume.
„Eine Tour durch Alaska und Kanada, mit dem Rucksack über die Alpen“, schwebe ihm unter anderem vor, dazu reize ihn ein Paragleiten-Schein oder Praktika in handwerklichen Berufen. „Architektur fasziniert mich, auch das Bauwesen, die Schreinerei und die Zimmerei.“ (NEWS: Hier zeigt Nagelsmann seine Harley)
Vorher aber hat er noch einig Aufgaben beim FC Bayern vor der Brust. Am Sonntag ist der deutsche Rekordmeister bei Bayer Leverkusen zu Gast.