Vier Minuten und 22 Sekunden ging die Pressekonferenz nach der Niederlage von Eintracht Frankfurt bei Union Berlin.
Deshalb brennt es bei der Eintracht
Trainer Oliver Glasner ließ tief blicken, als er sagte: „Hätte, wenn und aber... Ich bin heute sehr vorsichtig, kann und wird gegen mich verwendet werden. Deshalb ist besser, wenn ich den Mund halte.“
Es brodelt im Österreicher nach einer Pleite in einem Schlüsselspiel, er ist sauer. Die Stimmung am Main kippt, das Jahr 2023 verläuft bislang äußerst unbefriedigend für die Hessen.
Nur 13 von 30 möglichen Zählern sammelten die Frankfurter, die zudem gegen den SSC Neapel in der Champions League ausschieden. Eine Besserung ist aktuell nicht in Sicht, es gibt einige Brandherde.
Defensivprobleme ziehen sich durch die Saison
Blicken wir auf den 16. August vergangenen Jahres zurück. Die Frankfurter hatten sich gerade bei Hertha BSC mühsam ein 1:1 erarbeitet. Glasner sagte schon damals: „Ich finde, dass wir in der Defensive Probleme haben.“
SPORT1 stellte anschließend die Frage: „Haben die Eintracht-Verantwortlichen möglicherweise unterschätzt, welche Lücke das Karriereende von Martin Hinteregger reißt?“
Es ist bezeichnend, wenn der Coach bei DAZN nach der Niederlage bei Union betonte: „Qualität kann man nicht trainieren.“ Macht er es sich damit etwas zu leicht? Immerhin waren Spieler wie Evan N‘Dicka, Tuta, Almamy Touré und Makoto Hasebe mitverantwortlich für den Europa-League-Sieg.
Doch in dieser Saison passt das Puzzle nicht zusammen. Glasner hat schon vieles versucht. Dreier-, Vierer- oder Fünferkette, verschiedene letzte Männer vor Torhüter Kevin Trapp oder wechselnde Außenverteidiger. Immer wieder patzt ein anderer Profi, Konstanz ist in der Defensive ein Fremdwort.
Die Reihe an individuellen Patzern ist lang und sie wird wöchentlich länger, die Zweikampfwerte sind bedenklich (nur 48,53 Prozent gewonnen/Platz 15). Nur Bayer Leverkusen hat in den Top Neun mehr Gegentore (40) kassiert als die Eintracht (36). Das reicht nicht für die großen Ziele des Klubs.
Offensive um Götze liefert nicht mehr
Der Offensiv-Motor stottert gewaltig. Kolo Muani erzielte sechs der 14 Tore, ansonsten traf nur noch Aurelio Buta zweimal. Und sonst?
Bei dem aktuell verletzten Jesper Lindström (ein Tor), Mario Götze (kein Tor) oder Daichi Kamada (kein Tor) klappt vor dem gegnerischen Gehäuse gar nichts mehr. Wenn dann auch noch Torgarant Kolo Muani bei Union drei Topmöglichkeiten vergibt, hat die Eintracht ein veritables Problem.
Die Leichtigkeit aus dem Frühjahr jedenfalls ist völlig weg. In der Rückserie haben nur sechs Teams weniger Tore erzielt als die auf dem Papier so starke Offensivabteilung der Frankfurter. Vor der Weltmeisterschaft lag der Schnitt pro Partie noch bei 2,1. Seitdem ist dieser Wert auf 1,4 gesunken.
Der letzte Eintracht-Sieg in der Fremde liegt über vier Monate zurück. Am 13. Spieltag drehten durften die Hessen in Augsburg jubeln. In den darauffolgenden sieben Auswärtspartien kamen nur noch vier (!) Zähler auf das Konto der Frankfurter. In Köln, Leipzig und bei Union setzte es sieben Gegentreffer bei nur einem eigenen Tor.
Wenn die Eintracht dann noch in einem Heimspiel wie gegen den VfB Stuttgart patzt, steigt der Druck auf anderen Plätzen enorm. Und die kommenden Aufgaben bei den Angstgegner Leverkusen und in Dortmund haben es in sich!
Krösche und Glasner sprechen nicht mit einer Zunge
Glasner wurde nach der Niederlage in Berlin auf die Chancen auf die Qualifikation für die Königsklasse angesprochen. Er entgegnete trocken: „Ich habe noch nie über die Champions League gesprochen. Ich spreche nur über die Leistung – und deshalb sage ich dazu nichts, sonst wird es kritisch für mich.“
Das hatte Sportvorstand Markus Krösche zu Jahresbeginn im Trainingslager in Dubai ganz anders gesehen: „Jetzt sind wir auf Platz vier, und den wollen wir verteidigen. Wir wollen zeigen, dass wir den nächsten Schritt gemacht und aus dem letzten Jahr gelernt haben. Daran werden wir uns messen lassen.“
Nun ja - zum selben Zeitpunkt nach acht Rückrundenpartien hat die Eintracht neun statt deren sieben Punkte gesammelt. Doch ob das reicht, um die Laune zu verbessern? Die beiden Hauptverantwortlichen für den Sport, sie sprechen auch hier nicht mit einer Zunge.
Im Hintergrund brodelt es bei Eintracht Frankfurt
SPORT1 hat ausführlich über die Gespräche von Vorstandssprecher Axel Hellmann und Aufsichtsratschef Philip Holzer berichtet. Die Frage, ob Hellmann bei der Eintracht bleibt und seinen bis 2027 laufenden Vertrag erfüllt oder den Lockrufen der DFL folgt, hält den Klub in Atem.
In Frankfurt ging es in den vergangenen Wochen wenig um Sport, sondern sehr viel um Personalien auf allen Ebenen. Spieler liebäugeln mit einem Abgang, der Vertrag von Trainer Glasner läuft 2024 aus, er nahm ein Angebot bislang nicht an – und auch die Zukunft von Gesicht und Zugpferd Hellmann ist offener denn je.
Klar ist: Ausreden gibt es jetzt keine mehr. Die Konkurrenz liefert, Leverkusen und Wolfsburg rücken nach ihren Siegen ganz nahe an die Eintracht heran. Auch Glasner ist gefordert, in der Länderspielpause die richtigen Antworten auf die vielen Fragen zu finden.
Noch bleiben neun Spieltage und die Chance auf den Sieg im DFB-Pokal.
Der Turnaround muss blitzschnell gelingen. Ansonsten droht das Team alle Ziele innerhalb kürzester Zeit zu verzocken.