Um 10.02 Uhr fuhr Leroy Sané am Freitag mit seinem schwarzen Audi RS e-tron an der Säbener Straße vor. Gute 120 Sekunden nach dem offiziellen Treffpunkt, der beim FC Bayern auf eine Stunde vor Trainingsbeginn festgelegt ist.
Warum Nagelsmann an Sané festhält
Zwei Minuten, die eigentlich nicht der Rede wert sind. Wäre es nicht Leroy Sané und würde es nicht zum wiederholten Male passieren. Lernt er es denn nie, ist die Frage, die einem unweigerlich in den Kopf schießt.
Verpasste Bus-Abfahrt vor dem Auswärtsspiel gegen Borussia Mönchengladbach, immer wiederkehrende Unpünktlichkeit im Verlauf der Saison: Sané liefert seinen Kritikern die Nahrung frei Haus.
Warum tut das ein Profi, der durchaus reflektiert mit sich selbst und seinen Leistungen umgeht, ein Mensch, dem es nicht egal ist, was Leute über ihn denken?
Ein Thema, das auch Julian Nagelsmann fortlaufend beschäftigt. „Jeder Spieler hat einen eigenen Charakter und Persönlichkeit. Es ist wichtig, dass man das respektiert und akzeptiert und versucht, damit umzugehen“, verteidigte er den deutschen Nationalspieler auf der Pressekonferenz vor dem Heimspiel der Münchner gegen den FC Augsburg. (DATEN: Die Tabelle der Bundesliga)
Nagelsmann über Sané: „Kann im Spiel den Schalter umlegen“
Der FCB-Trainer betonte, er versuche Sanés „Stärken herauszuziehen. Er hat manchmal eine spezielle Art im Training, von der weiß aber jeder und die wird sich wohl auch nicht ändern. Die Frage ist, will man, dass sich das ändert“, erklärte der 35-Jährige.
Trotz eher durchwachsenen Leistungen in den letzten Spielen stärkte Nagelsmann dem Offensiv-Spieler den Rücken. „Er kann im Spiel den Schalter umlegen. Wenn er den Ball verloren hat, dann sprintet er zurück. Das war aber schon immer so.“
So passt das Narrativ vom lustlosen Schönwetter-Zocker auch nicht dazu, dass Sané an der Säbener Straße zuletzt vermehrt Sonderschichten geschoben hat.
Und dennoch steht sich der Stürmer oft selbst im Weg und bietet immer wieder unfreiwillig Angriffsfläche. Seine Schludrigkeit macht ihm unnötige Probleme und nervt - auch ihn selbst. Die Reaktionen darauf fassen ihn an, beschäftigen ihn. Ähnlich wie Serge Gnabry lässt er sich von einer gewissen Negativität schnell herunterziehen.
Sané wird mit diesem Verhalten niemals Führungsspieler sein
Trotzdem sind die beiden Sorgenkinder in Nagelsmanns Augen weiterhin mögliche „Entscheider in wichtigen Momenten. Das möchte ich sehen, dass sie dieses Vertrauen haben, auch wenn außen herum viele Dinge geschrieben werden, die nicht super angenehm sind für beide. Wo sie nicht immer frei von Schuld sind, aber auch nicht schuldig. Sie haben eben gewisse Charakterzüge. Und das ist auch gut so“, betonte der Trainer.
Er wisse zwar, dass Sané polarisiere, „aber entweder man kommt damit zurecht, und arbeitet mit ihm. Oder er spielt nicht mehr bei Bayern München. Ich will aber, dass er bei Bayern München spielt, weil er außergewöhnliche Fähigkeiten hat“.
Dass Sanés Befinden auf diese Fähigkeiten aber durchaus Einfluss haben, ist auch Nagelsmann nicht entgangen, weshalb er versuche, „ihm zu zeigen, was es braucht, dass er nicht so viel aneckt mit gewissen Dingen.“
Bislang noch ohne durchschlagenden Erfolg. Weswegen sich in der Öffentlichkeit an Sané auch weiterhin die Geister scheiden.
Nagelsmann glaubt an ihn
Nagelsmann hält seinem Schützling weiter die Treue - formulierte nun aber auch eine klare Forderung.
„Ich erwarte von solchen Charaktere, dass sie das Zünglein an der Waage sind, wenn es darauf ankommt - und dass sie auch nicht stromlinienförmig ihren Stiefel runterspielen wie alle.“
Anders sein, andere Dinge tun, als es alle erwarten. Das klingt doch ganz nach Leroy Sané.