Jürgen Klinsmann hatte sich das ambitionierte Ziel gesteckt, das Image von Hertha BSC aufzupolieren. Weg von der grauen Maus, hin zu einem Topverein, der um das internationale Geschäft kämpft.
Der kuriose Klinsmann-Knall
Im Zusammenspiel mit Investor Lars Windhorst, der Millionen in das Projekt pumpte, sollte der heute 58-Jährige alles in die richtigen Bahnen lenken und am „Big City Club“ basteln. Was sich in der Theorie erst einmal nach einem klaren Plan anhörte, scheiterte vor exakt drei Jahren mit einem krachenden Paukenschlag.
Völlig ohne Vorankündigung zog Klinsmann nach nur 76 Tagen die Reißleine und beendete seine Trainertätigkeit in Berlin. Nach „langer Überlegung“ sei er damals zu der Überzeugung gekommen, von seinem Amt zurückzutreten, schrieb er auf seinem Facebook-Account und stürzte den Hauptstadtklub ins Chaos.
Klinsmann: „Tschüss, ich bin dann mal weg“
Nach und nach kamen die Details zu dem großen Knall ans Licht. Michael Preetz, ehemaliger Geschäftsführer von Hertha BSC, erklärte wenige Tage später im Bild-Podcast Phrasenmäher, dass er so einen Abgang „noch nie erlebt“ hatte.
„Die Reihenfolge an diesem Morgen war so, dass er erst im kleinen Kreis das Trainerteam informiert hat und dann die Mannschaft. Dann kam er ins Büro und war schon wieder weg“, schilderte Preetz.
Beim Rausgehen habe Klinsmann den Rücktritts-Post bei Facebook bereits online gestellt. Als der Ex-Hertha-Boss ihn zur Rede stellen wollte, soll Klinsmann geantwortet haben, dass es nichts mehr zu besprechen gäbe und es für ihn wieder nach Kalifornien gehe.
„Tschüss, ich bin dann mal weg“, seien laut Preetz die letzten Worte des ehemaligen Bundestrainers als Hertha-Verantwortlicher gewesen.
Auch die scharfe Reaktion von Windhorst ließ nicht lange auf sich warten. „So etwas kann man als Jugendlicher vielleicht machen, aber im Geschäftsleben unter Erwachsenen sollte das nicht passieren“, kommentierte er die kuriosen Umstände des Klinsmann-Rücktritts.
Klinsmann-Tagebücher löste Wirbel aus
Für zusätzlichen Zündstoff sorgte Klinsmann mit einer Art Tagebuch, das im Nachgang über die Sport Bild an die Öffentlichkeit gelangt war. „Der Klub hat keine Leistungskultur, nur Besitzstandsdenken und es fehlt jegliches Charisma in der Geschäftsleitung“, war unter anderem in dem Dokument zu lesen.
Immer wieder im Zentrum der Kritik: Michael Preetz. „Die Geschäftsleitung muss sofort komplett ausgetauscht werden“, forderte Klinsmann. (NEWS: Alle aktuellen Infos zur Bundesliga)
Dabei prangerte der Ex-Bundestrainer „jahrelange katastrophale Versäumnisse von Michael Preetz in allen Bereichen“ an. Der von Preetz zusammengestellte Kader soll „zu viele ältere und satte Spieler“ beinhaltet haben, die über „keinerlei Power“ verfügten, um im Abstiegskampf zu bestehen.
Zudem wurden auch die Spieler im Kader einzeln bewertet und teils mit wenig schmeichelhaften Bezeichnungen wie „kein Mehrwert“ versehen.
Klinsmann brachte insgesamt 22 Din-A4-Seiten auf Papier, die den Eindruck eines desolaten Hauptstadtklubs vermitteln sollten.
Tagebuch war „nie und nimmer für die Medien bestimmt“
Im vergangenen Sommer blickte Klinsmann auf seinen Reinfall an der Spree zurück. „Ich habe so viele Dinge erfahren müssen, die einfach nicht gut waren - aus meiner Sichtweise“, erklärte er in Mehr als ein Spiel, dem Podcast der DFB-Stiftungen.
„Ich habe dann nach 10 Wochen gesagt: Das funktioniert nicht mehr, ich gehe wieder. Aber der Verein war zu dem Zeitpunkt schon wieder stabil, deswegen habe ich da gesagt: Lieber ein Ende mit Schrecken, als ein Schrecken ohne Ende“, sagte der gebürtige Göppinger.
Diese Entscheidung zu treffen, bezeichnete Klinsmann als „vollkommen richtig“, schränkte jedoch selbst ein: „Wenn man zurückblickt, hätte man es halt anders kommunizieren müssen. Man hätte es anders machen müssen - von meiner Seite aus. Aber ich bin dann ein Typ, ich werde sehr emotional, wenn mir irgendwann das Fass am Überlaufen ist.“
Einzig die Tatsache, dass die Tagebucheinträge in der Öffentlichkeit landeten, ärgerte den Ex-Bundestrainer. „Das war ein interner Bericht, der nie und nimmer für die Medien bestimmt war. Aber er war ehrlich.“
Hinter den brisanten Inhalten steht Klinsmann deswegen noch immer. „Alles, was da drin stand, weil es ja ein ehrlicher Arbeitsbericht war, stimmte ja. Da habe ich jetzt kein schlechtes Gewissen. Mir tat es einfach nur leid, dass es dann über Wochen und Monate hinweg breitgetreten wurde, weil das natürlich in der Form noch nie stattgefunden hat“, führte er aus.
Klinsmann bereut Hertha-Entscheidung
Im Anschluss an die Zeit bei der Hertha habe es „einige Wochen gedauert, um selbst wieder mit dir klarzukommen und zu akzeptieren, dass du da den einen oder anderen Fehler gemacht hast“, verriet Klinsmann.
Das deutliche Fazit hielt der Weltmeister von 1990 allerdings nie geheim: „Klar, im Nachhinein wäre es viel angenehmer gewesen, die Entscheidung gleich richtig zu treffen. Also nicht nach Berlin zu gehen und Trainer zu machen.“
Vieles ist gegen die Vorstellungen von Klinsmann gelaufen – und so wird man den 11.02.2020 beim Hauptstadtklub sicherlich niemals vergessen.