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Bundesliga: Die erste Fußball-Übertragung - Das Weihnachtsmärchen vom Millerntor vor 70 Jahren

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Bundesliga: Die erste Fußball-Übertragung - Das Weihnachtsmärchen vom Millerntor vor 70 Jahren

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Weihnachtsmärchen vom Millerntor

Heute vor 70 Jahren spielen sich historische Szenen am Hamburger Millerntor ab. Die erste Live-Übertragung eines Fußballspiels geht in die Geschichtsbücher ein, bei der sich St. Pauli blamiert.
Das Jahr 2021 neigt sich dem Ende. Guter Zeitpunkt, um die Höhen und Tiefen von St. Pauli 2021 in der 2. Bundesliga Revue passieren zu lassen.
Udo Muras
Udo Muras
Heute vor 70 Jahren spielen sich historische Szenen am Hamburger Millerntor ab. Die erste Live-Übertragung eines Fußballspiels geht in die Geschichtsbücher ein, bei der sich St. Pauli blamiert.

Fußball am Millerntor - das ist ein Synonym für Begeisterung.

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Unabhängig vom Spielverlauf und dem Gegner herrscht bei Heimspielen des FC St. Pauli schon seit Jahrzehnten eine besonders prickelnde Stimmung, die den Kultklub charakterisiert.

Das war nicht immer so, denn er war nicht immer ein Kultklub. Auch nicht heute vor 70 Jahren, als er Fußball-Geschichte schrieb und erstmals weit über Hamburg hinaus wahrgenommen wurde. Denn am Millerntor wurde den Fußballfans am 26. Dezember 1952 ein spezielles Weihnachtsgeschenk gemacht - das erste Live-Spiel im Fernsehen!

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Wie kam es dazu?

Flakturm verhilft St. Pauli zu erstem Live-Spiel im Fernsehen

Das ursprünglich für den 19. November 1952 terminierte Wiederholungsspiel im erstmals ausgetragenen DFB-Pokal gegen Hamborn 07 wurde auserwählt, weil neben dem Stadion ein Flakturm stand.

Der eignete sich nach dem Krieg für menschenfreundlichere Zwecke - Fernsehsendungen. Erst am 25. Dezember 1952 wurde in der Bundesrepublik der regelmäßige Sendebetrieb eingeführt. Es gab nur einen Sender, den NWDR (Nordwestdeutscher Rundfunk), das Programm lief anfangs in den Abendstunden - von 20 bis 22 Uhr.

Für das auserwählte Pokalspiel wurde gleich eine Ausnahme gemacht, in Zeiten fehlender Flutlichtanlagen wurde noch nachmittags gespielt. Warum nun aber ausgerechnet dieses Spiel?

Der NWDR hatte 1952 drei Sendeanstalten - in Berlin, Köln und Hamburg. Das Hamburger Studio residierte direkt neben dem Millerntor-Stadion in einem imposanten Bunker, der im Krieg errichtet worden war und als Flak-Turm diente.

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1950 sendete der NWDR von dort sein erstes Test-Bild und nach der Installation eines 36 Meter hohen Sendemasts im September 1952 konnte das Abenteuer Fernsehen beginnen. Bis dahin hörten die Deutschen Radio, wenn sie Sportereignisse live verfolgen wollten.

„Wie schon im Hörfunk, unmittelbar nach dem Krieg, erwies sich auch beim frühen NWDR-Fernsehen die räumliche Nähe zwischen Sportstätten und Rundfunk-Produktionsstätten als Vorteil“, heißt es im Buch über „Die Geschichte des NWDR“.

Die räumliche Nähe bot sich also an, um die Kicker des FC St. Pauli zu Pionieren zu machen. Die des damals ebenfalls noch nicht sehr populären 1. FC Köln gingen leer aus und ihre Fans guckten übrigens in die Röhre. Eigentlich war eine doppelte Premiere geplant. Aber das Testspiel zwischen dem Effzeh und Roter Stern Belgrad fiel dem Wetter zum Opfer.

St. Paulis Debakel geht in die Geschichte ein

Also gingen die 90 Minuten von St. Pauli, die nur im Hamburger und Berliner Senderaum zu sehen waren, als Fußball-TV-Premiere in die Geschichte ein. Mit der Qualität heutiger Überragungen hatte das noch wenig zu tun.

Drei Kameras verfolgten den Spielverlauf: Eine für jedes Tor und eine für das Mittelfeld. Im Übertragungswagen schaltete die Regie immer auf jene Kamera, die dem Ball am nächsten war. An Zeitlupen war nicht zu denken, ebenso wenig an das Einblenden der Spielzeit und des Spielstands.

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Allzu viele Premierenbesucher dürften es nicht gewesen sein. Am 1. Juli 1953 besaßen erst 2753 Haushalte in der BRD Fernsehgeräte, vermutlich waren an Weihnachten 1952 also mehr Zuschauer im Stadion (4000) als vor den Fernsehgeräten.

Immerhin erbrachte die erste Übertragung eine kleine Sensation: Zweitligist Hamborn 07 gewann beim höherklassigen Gegner mit 4:3. Die Fernsehmacher interessierte ein anderes Ergebnis mehr und durften zufrieden gewesen sein.

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„Wir können diese Sendung nur als gut gelungen bezeichnen“, lobte das Fach-Blatt „Fernsehen“. Die beiden Reporter der ersten Stunde, Paul Reymann und Dr. Harry Storz, hätten „kein Wort zuviel gesagt“. Die Bonner Rundschau schrieb: „Obgleich trübes Wetter herrschte, war der Empfang im Norden gut und der Spielverlauf ausgezeichnet zu erkennen.“ (DATEN: Ergebnisse und Spielplan der Bundesliga)

Dem Spiel waren kuriose Verhandlungen vorausgegangen. Auf Anfrage des Senders sagte St. Pauli-Präsident Wilhelm Koch laut Zeugenaussagen: „Mehr als 3000 Mark können WIR nicht zahlen.“ Dass der Sender der Kunde war und St. Pauli die Ware besaß, schien sich ihm nicht zu erschließen.

Die Magie des Fernsehens

Von DFB-Präsident Peco Bauwens ist der gleichsam seltsame Satz verbürgt: „Niemals werden wir vom Fernsehen auch nur eine Mark verlangen.“ Letztlich floss an diesem Tag gar kein Geld - und danach natürlich nur noch in die Kassen der Vereine und Verbände, denn das Fernsehen zahlte für die Übertragungsrechte. Über die Honorare können wir heute nur lachen.

Im August 1953 legte der DFB die Tarife fest: 1000 Mark durften für Punktspiele verlangt werden, 1500 DM für Endrundenspiele, 2000 DM für Repräsentativspiele. Trotzdem blieben Live-Übertragungen bis weit in die Sechziger Jahre hinein eine absolute Ausnahme.

Das galt auch für Länderspiele, für die der Verband anfangs 2500 DM aufrief. Zum Vergleich: Das Rechtepaket für die Länderspiele von 2022 bis 2028 soll 400 Millionen Euro eingebracht haben, die sich der DFB mit der UEFA teilen muss. (NEWS: Alle aktuellen Infos zur Bundesliga)

Das erste Länderspiel, das live über die Mattscheibe flimmerte, war übrigens das denkwürdige 3:8 gegen die Ungarn in der Vorrunde der WM 1954, das die Mehrheit der Deutschen noch am Radio verfolgte. Schon bald wurden höhere Summen aufgerufen, um den plötzlich eintretenden Zuschauerschwund zu kompensieren. Zumal der vor allem Vereine betraf, deren Spiele nie übertragen wurden.

So standen die Fünfziger Jahre im Zeichen eines „Rundfunk-Kriegs“ zwischen Sendern und DFB.

Ruf nach Live-Fußball wurde lauter

Aber mit jedem verkauften Fernseher wurde der Ruf nach Fußballübertragungen lauter. Seit 1966 wurde jedes deutsche WM-Spiel übertragen, seit April 1983 jedes Länderspiel. Im März war eine Übertragung aus Tirana noch an technischen Schwierigkeiten gescheitert.

Seit 1964 wird das DFB-Pokalfinale übertragen, im Mai 1984 kamen die ersten Halbfinals über den Sender und wer sie sah, wird sie nie vergessen: Gladbach schlug Werder Bremen 5:4, Schalke und die Bayern trennten sich 6:6. Das Fernsehen trieb die Stürmer offenbar zu Höchstleistungen an.

Am 11. Dezember 1984 kam erstmals ein Bundesligaspiel live - Borussia Mönchengladbach gegen Bayern München (4:2). Weil es ein Nachholspiel war und kein anderer Verein darunter leiden musste, gestattete der DFB die Live-Übertragung in der ARD.

Im April 1986 liefen zwei Heimspiele von Werder Bremen erstmals im aufblühenden Privatfernsehen (SAT1), im März 1991 feierte das Pay-TV-Angebot mit dem Spiel Eintracht Frankfurt - 1. FC Kaiserslautern (4:3) torreiche Premiere - und so hieß auch der Sender.

Das DSF, heute SPORT1, sicherte sich 1993 das Montagabend-Spiel der 2. Liga. Für Fans des Unterhauses wurde es Kult. Seit der Saison 2000/01 können Pay-TV-Kunden jedes Bundesligaspiel, mittlerweile auch jedes der 2. und 3. Liga, sehen. Gleiches gilt für alle nationalen und internationalen Pokalspiele.

Die Stadien sind trotzdem voll, der Fußball-Boom wurde durch das Fernsehen nur beschleunigt. Es begann im Flakturm am Millerntor, an Weihnachten vor 70 Jahren.

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