Nähert man sich Union Berlin mathematisch, ist die Meisterschaft gelaufen. Der bisherige Punkteschnitt von 2,3 in der Bundesliga führt am Saisonende hochgerechnet zu 78 Punkten. Mehr holte der Rekordmeister FC Bayern München auch nicht in den vergangenen zwei Jahren. (NEWS: Alle aktuellen Infos zur Bundesliga)
So kann‘s gehen, Union!
Fußball aber ist keine Mathematik, wie wir einst von Karl-Heinz Rummenigge lernten, bevor er seinen Jahrhunderttrainer Ottmar Hitzfeld beim FC Bayern zermürbt hatte. Und logisch ist das alles, was bei Union Berlin gerade passiert, sowieso nicht.
Nach zehn von 34 Bundesliga-Spieltagen ist der 1. FC Union weiterhin Tabellenführer und hat vier Punkte Vorsprung auf seinen schärfsten Verfolger, Achtung, Bayern München. Man bleibt folglich auch nach dem 11. Spieltag Erster. (DATEN: Die Tabelle der Bundesliga)
Gibt es dafür eine Erklärung? Die Vokabel „Wahnsinn“ springt einem auffallend häufig aus den Überschriften entgegen, wenn man durch die wichtigsten Sportmedien des Landes surft und auf aktuelle Artikel zu Union Berlin stößt.
„Meister wird nur der FCU!“
„Die Köpenicker“, wie die Urs-Fischer-Mannschaft immer wieder liebevoll genannt wird, bringen das Establishment des deutschen Fußballs gehörig ins Schwitzen. In seiner Souveränität glich das 2:0 am Sonntag gegen das frühere Spitzenteam Borussia Dortmund einer Machtdemonstration. (DATEN: Ergebnisse und Spielplan der Bundesliga)
Und bei den Reaktionen fällt auf, dass das Ergebnis niemanden überrascht. Weder Bayern noch Dortmund konnten Union in der Alten Försterei besiegen. Bisher ging nur eine Bundesliga-Partie schief (beim 0:2 in Frankfurt). Es ist: der Wahnsinn.
Nach dem Sieg über den BVB stand das Team von Trainer Urs Fischer vorm Fanblock und ließ sich feiern: „Meister wird nur der FCU!“, rief das Volk, wenn die Sprechchöre korrekt dokumentiert wurden. Schon werden Assoziationen zu Lautern und Leicester geweckt.
Geht Union den Lauterer Weg?
Lautern: 1996 abgestiegen, 1997 aufgestiegen, 1998 Meister geworden - ein einmaliges Märchen. Leicester City: bis 2008 drittklassig in England, 2014 in die Premier League aufgestiegen, 2016 Meister aus dem Nichts. So kann‘s gehen.
Auch bei Union Berlin? Seit 2019 erstklassig und dann die Tabellenplätze elf, sieben und fünf erreicht. Jetzt Erster und das mit Anspruch und Attitüde. Union Berlin wäre in 60 Jahren der erste Bundesliga-Meister aus dem Osten.
Man sollte die Tabellenführung nicht mehr als Momentaufnahme abtun. Doch hält Union Berlin dieses Tempo durch? Mit Bestimmtheit lässt sich das nicht sagen. So wenig wie zum gleichen Zeitpunkt bei Lautern 1997/98 und Leicester 2015/16.
Aber eine Bundesliga, die von einer Mannschaft angeführt wird, die nur ein Achtel von Bayern München und ein Viertel von Borussia Dortmund wert ist, kann die Gesetze der Mathematik außer Kraft setzen und der helle Wahnsinn sein. Union Berlin Meister 2022/23 - ja, warum denn nicht?
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