Es waren wilde Eintracht-Minuten, die die Frankfurter rund um das 0:1 im Bundesligaspiel in Bochum erlebten. Was war passiert? Erst gab es einen offen ausgetragenen Disput. Kapitän Kevin Trapp fasste Tuta am Trikot. Das gefiel dem Abwehrmann nicht, er setzte sich zur Wehr und schubste den Torhüter weg.
Trapp-Zoff wirft Fragen auf
Kurz darauf kam es zwar zur Versöhnung, doch dann verschuldete Tuta den Gegentreffer. Nach einer Ecke ließ sich der 23-Jährige von Philipp Hofmann überspringen, war nicht nah genug dran am kantigen Stürmer. Es passte zu dem gebrauchten Tag der Hessen, die den bis dahin noch sieglosen VfL mit dem neuen Trainer Thomas Letsch lautstark über einen 3:0-Erfolg jubeln ließen. Das Spiel warf vier Fragen bei der Eintracht auf. (DATEN: Ergebnisse und Spielplan der Bundesliga).
Gibt es Risse im Verhältnis Trapp und Tuta?
Nach SPORT1-Informationen ist davon nicht auszugehen. Trapp und Tuta pflegen ein gutes Verhältnis, im Training scherzen sie auch mal auf Portugiesisch. Vielmehr zeigt sich in solchen Momenten der gewaltige Druck, den die Mannschaft schultern muss.
Die Frankfurter haben sich vor der Saison hohe Ziele gesteckt: Weiterkommen in der Champions League, Außergewöhnliches erreichen im DFB-Pokal, die internationalen Plätze in der Liga angreifen. Im Drei-Tages-Rhythmus liefern zu müssen ist eine gewaltige Herausforderung. Zwischen zwei Champions-League-Highlights gegen Tottenham Hotspur dann auch zwischendrin in Bochum zu gastieren? Da können die Nerven auf dem Platz bei einer solchen Belastungsprobe auch mal schnell blank liegen.
Trainer Oliver Glasner kündigte an: „Ich habe die Szene erst im Nachhinein gesehen. Ich habe mit Kevin schon gesprochen. Es wird deutliche Worte geben.“ Eine interne Aufarbeitung? Die ist nötig und wichtig. Ein Riss geht deshalb aber nicht sofort durch das sehr gefestigte und intakte Team. Sportvorstand Markus Krösche sagte bei Bild: „Ich finde es manchmal gar nicht so schlecht, wenn es Reibung auf dem Platz gibt. Die beiden haben es auch direkt geklärt.“ Es gebe daher auch keine weiteren Konsequenzen.
Glasner übernimmt Verantwortung - richtig?
Es waren offene, selbstkritische Worte, die Glasner nach Abpfiff wählte: „Es war meine Aufstellung, meine Systemumstellung. Es ist eine sehr bittere Niederlage für uns, für die ich zu hundert Prozent Verantwortung übernehme.“ In der Tat ging der Österreicher in Bochum volles Risiko. Mit Makoto Hasebe, Sebastian Rode, Daichi Kamada und Ansgar Knauff blieben vier Stützen zu Beginn auf der Bank oder gar zu Hause.
Es gab keine Automatismen, der Plan ging nicht auf. Vor allem die Doppelspitze Lucas Alario und Rafael Borré konnte den Ausfall von Randal Kolo Muani (Sperre) nicht kompensieren. In der Viererkette fehlte die ordnende Hand, viele Aktionen blieben daher Stückwerk.
Es ist bezeichnend, wenn Djibril Sow sagt: „Heute hat ein Makoto Hasebe gefehlt, weil er mit seiner Erfahrung das hinten ordnen kann.“ Glasner, der normalerweise wenig rotiert und einem festen Stamm vertraut, hat möglicherweise zu viel verändern wollen.
Da der Coach die Mannschaft erst vor vier Wochen nach dem 0:1 gegen den VfL Wolfsburg in die Pflicht nahm und scharf kritisierte, konnte er diese Karte nicht erneut spielen. Dass, wie Sportvorstand Markus Krösche ernüchtert feststellte, einige Profis nur 50 bis 60 Prozent abriefen, ist nicht Glasner anzurechnen. Doch der Österreicher hat seinen Anteil an der Pleite. Es ehrt ihn, dies so deutlich zu erwähnen.
Kann die Eintracht nur gegen die Großen glänzen?
4:0 gegen Leipzig, 1:0 in Marseille, 2:0 gegen Tabellenführer Union Berlin, 0:0 gegen das englische Topteam Tottenham. Wenn die Champions-League-Hymne ertönt oder Duelle gegen große Mannschaften anstehen, dann ist die Eintracht oftmals voll da. Mit dieser Mentalität haben die Hessen in den vergangenen Jahren Erfolge gefeiert, sie war die Grundlage für die Triumphe im DFB-Pokal (2018 gegen den FC Bayern) und in der Europa League (2022 gegen die Glasgow Rangers).
Doch wehe es kommen die Mannschaften aus der grauen Tabellenregion. Dann hat die Eintracht Schwierigkeiten. In den vergangenen drei Jahren seit August 2019 holten die Frankfurter aus den acht Begegnungen gegen den jeweils Tabellenletzten nur zwei Siege, dreimal unterlagen sie. Es zeigt: Mit dem Team ist vieles möglich - sobald es an seine Grenzen geht. Mit angezogener Handbremse gewinnen? Das klappt nur in Ausnahmefällen. (DATEN: Die Tabelle der Bundesliga).
Lernt die Mannschaft nicht aus ihren Fehlern?
Vor dem Duell in der Königsklasse wurde Glasner von SPORT1 gefragt, ob die 0:1-Niederlage gegen Wolfsburg der Wendepunkt sei. Er antwortete: „Erst spielen wir gegen Tottenham, den Topfavoriten in der Gruppe. Dann fahren wir nach Bochum. Danach können wir zeigen, ob wir aus der Phase nach dem Wolfsburg-Spiel gelernt haben. Das ist die Herausforderung.“
Die Niederlage in Bochum konnte die leisen Zweifel nicht beseitigen. Die Eintracht lief rund fünf Kilometer weniger als der Gegner, sie verlor auch zu viele Zweikämpfe (nur 46 Prozent gewonnen), das Tabellenschlusslicht eroberte häufig den zweiten Ball und kam zu leicht zu Standardsituationen. Eine Einstellungssache? Oder nur Müdigkeit, die nach einer intensiven englischen Woche vorkommen kann? Die Wahrheit liegt wahrscheinlich in der Mitte.
Fakt aber ist: Generell brennt die Luft im Strafraum, wenn das Leder zuvor ruht. Siebenmal schon musste Trapp den Ball im Anschluss an einen Eckball, Freistoß oder Elfmeter aus dem Netz holen. Zu viel – und gerade in engen Duellen ein Genickbruch. Ein wiederkehrender Patzer also, der dringend behoben werden sollte und einen Rückschlag auf dem Weg zur erwünschten Konstanz bedeutet. Es gilt, zügig aus den Fehlern zu lernen. Noch liegt das obere Tabellendrittel in greifbarer Nähe. Die schnelle Korrektur, sie kann bereits am Mittwoch bei den Spurs vorgenommen werden.