Dass es kein ganz normales Spiel für ihn werden wird, weiß Sepp Maier schon vorher. Das ZDF plant ein Feature mit ihm, ein Kamerateam hat sich direkt hinter seinem Tor postiert und bittet ihn, zur Not ein paar Showeinlagen zu machen – falls er nicht allzu viel zu tun bekäme. Nie war ein derartiger Sonderwunsch unnötiger.
Als Schalke Bayern überrollte
Der FC Bayern München kassiert an diesem warmen Oktobersamstag 1976 so viel Tore wie nie im eigenen Stadion und muss seine bis heute höchste Bundesliga-Pleite erdulden – von der Anzeigetafel leuchtet um 17.15 Uhr ein im Olympiastadion nie dagewesenes 0:7. Trotz eines Maier, Beckenbauer, Müller, die alle noch da sind. Aber die Vorzeichen stehen schlecht.
Verletzungspech beim FC Bayern
Beckenbauer ist erkältet, Vorstopper Katsche Schwarzenbeck muss fit gespritzt werden und wird nur eine Halbzeit durchhalten. Nach 15 Minuten scheidet Verteidiger Udo Horsmann nach einem Zusammenprall mit Sepp Maier verletzt aus und kommt ins Krankenhaus. Es kommt einfach alles zusammen an diesem 9. Oktober – Manager Robert Schwan hat es schon geahnt: „Immer wenn Föhn ist, habe ich schlimme Gefühle.“ Der warme Wind von den Alpen ist Leistungssport nicht förderlich, aber das betrifft natürlich beide Seiten. Und nur eine scheint er zu lähmen: den FC Bayern.
Es fängt schon seltsam an. Als Schiedsrichter Linn anpfeift, steht Uli Hoeneß noch draußen und wechselt die Schuhe – ein symbolischer Fehlstart.
Zur Halbzeit steht es nach Treffern von Klaus Fischer und Erwin Kremers „nur“ 0:2 und obwohl Trainer Dettmar Cramer mit Alfred Arbinger und Kjell Seneca verletzungsbedingt zwei Amateure einwechseln muss, wollen sie es noch mal wissen. Libero Beckenbauer geht nun ins Mittelfeld, um zu retten, was zu retten ist, aber der Schuss geht nach hinten los.
Vorne kann er diesmal nichts ausrichten, hinten fehlt er an allen Ecken und Enden. „Auch für Beckenbauer war es einer der schwärzesten Tage seiner Karriere“, schreibt der Münchner Merkur und im kicker erhält der sonstige „Einser-Schüler“ nur eine Drei – was immer noch die Bestnote in seiner Elf ist. Die entfesselten Schalker dagegen haben nur Einser und Zweier – kein Wunder bei dem Resultat.
Schalke dreht auf in Halbzeit zwei
Gleich der erste Schalker Angriff nach der Pause bringt das 0:3, zum zweiten Mal schlägt Klaus Fischer zu. Sein Torhunger ist noch lange nicht gestillt. In der 67. Minute erhöht er auf 0:5 und in der 82. sorgt er mit seinem vierten Treffer gar für das 0:7, dazwischen treffen noch Manfred Dubski und Rüdiger Abramczik. Fischer sagt 2013: „Wann gewinnt man in München 7:0? Das hat‘s vorher nie gegeben und wird es auch nie mehr geben!“
Mit dem Schützenfest werden Bayerns 0:6-Rekordpleiten von 1974 und 1975 (bei Kickers Offenbach und Eintracht Frankfurt) übertroffen und die Skeptiker, die das schleichende Ende der Bayern-Ära kommen gesehen haben, fühlen sich bestätigt. Der Trainer versucht abzuwiegeln. „Jeder Schuss ein Treffer“, sagt Dettmar Cramer fatalistisch, „solche Spiele gibt es“.
Sein Kollege Friedel Rausch befindet höflich, so was könne mal passieren, „davon geht die Welt nicht unter“. Aber die Schmach trifft die Bayern tief. Im nächsten Jahr nehmen sie prompt Revanche und schlagen den damaligen Tabellenführer Schalke, obwohl über eine Stunde in Unterzahl, mit 7:1.