Mats Hummels ist ein wichtiger Spieler für Borussia Dortmund. (NEWS: Alle aktuellen Infos zur Bundesliga)
Hummels‘ Teamschelte: „Eine Gefahr!“
Mit seinen 33 Jahren ist er nach Anthony Modeste nicht nur der zweitälteste Akteur im Kader. Als Weltmeister, als fünfmaliger Deutscher Meister und dreimaliger Pokalsieger hat seine Stimme im internen wie externen Ranking enormes Gewicht.
Aus der Welt der Berggorillas, Rinderherden und Wolfsrudel kennen wir den Begriff des Alphatieres. Jene Exemplare, die anführen, die eine Richtung vorgeben, an denen sich die anderen Mitglieder der Gemeinschaft orientieren und auf die man hört.
Hummels ist so ein Alpha-Mann. Er ist selbstbewusst, legt Initiative an den Tag, er ist einer, der sich engagiert, aber auch jemand, der selbstkritisch ist und manches Mal wenig Kompromissbereitschaft zeigt.
Konflikt könnte zu größerem Problem werden
Es braucht solche Menschen in einer Gruppe. Sie legen gerne die Finger in die Wunde. Nicht versteckt, hinter dem Rücken anderer Personen, sondern sie sprechen kritische Dinge direkt an. (DATEN: Ergebnisse und Spielplan der Bundesliga)
Ihnen geht es im Idealfall nicht um das eigene Prestige, sondern darum, dass die Gruppe vorankommt. Gute Trainer fördern dies in einer Fußballmannschaft. Wenn Spieler eine konstruktive interne Fehlerkultur etablieren, kann dies nur begrüßt werden.
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Zuletzt hatte Mats Hummels die Spielweise einiger Teamkollegen öffentlich kritisiert und dabei, ohne Namen zu nennen, besonders auf den jungen Karim Adeyemi abgezielt. Prompt reagierte Emre Can einige Tage später und sagte, dass er das so nicht machen würde.
Ein Konflikt? Ja. Und einer, der durchaus zum Problem werden könnte. Denn es müssen einige Regeln respektiert werden, damit das Mannschaftsgefüge stabil bleibt und ein Alphamann wie Hummels nicht den Rückhalt in der Gruppe verliert. Denn passiert das und der Trainer registriert das nicht, kann das auch für das Standing von Edin Terzic zum Problem werden.
Dinge müssen frühzeitig intern diskutiert werden
Wichtig ist vor allem, dass die Dinge intern so früh wie möglich angesprochen werden. Es ist unerlässlich, dass Kritik im kleinen Kreis des Teams oder persönlich geäußert wird, bevor sie woanders geäußert wird. Und wir kennen das alle: Konflikte waren immer erstmal Konfliktchen. Es muss also zeitig gesprochen werden und persönlich. Sonst werden sie größer.
Dazu muss die Verhältnismäßigkeit stimmen. Ist der Anlass es wert, dass Kritik formuliert wird? Wie schwerwiegend war das Fehlverhalten, dass ich einen Kollegen angehe? Hat es eventuell intern schon etliche Gespräche gegeben, so dass Hummels nun die nächste „Kritikstufe“ aus seiner Sicht zünden musste, damit der junge Kollege dazulernt? Dann hätte er mit Sicherheit die Zustimmung vieler anderer im Team.
Gerade Trainer stehen ja auch immer wieder vor der Frage, wie und wann sie Spieler kritisieren. Die allermeisten fahren sehr gut damit, sich nach außen vor die Spieler zu stellen, Verantwortung zu übernehmen und intern ihren Dampf abzulassen. Das sorgt für Vertrauen und Verbindlichkeit.
Unterschiedliche Strömungen in der Mannschaft
Auch Hummels hätte diesen Weg wählen können: Es bei allgemeiner Kritik belassen, Fehler anderer zu entschuldigen, um intern Tacheles zu reden. Damit hätte er gerade auch bei den jüngeren Spielern gepunktet. Und von denen gibt es mit Kobel, Schlotterbeck, Özcan, Bellingham, Reyna, Malen, Adeyemi und Moukoko nicht zu wenige.
Dass er sich als Alphatier eines der „schwächeren“ Mitglieder (im Sinne der Hierarchie) für seine öffentliche Kritik ausgesucht hat, kann deshalb durchaus für Unverständnis bei anderen Teammitgliedern sorgen, wenn sie das Gefühl haben, dass sich jemand lieber ein leichtes Opfer aussucht statt sich mit gleichstarken Mitgliedern auseinanderzusetzen. (DATEN: Die Tabelle der Bundesliga)
Die Reaktion von Can zeigt, dass in der Mannschaft unterschiedliche Strömungen existieren. Das ist eine Gefahr, wenn die Diskussion nicht mehr intern geführt wird, sondern ausschließlich vor den Augen der Öffentlichkeit. Wenn man nicht mehr miteinander redet, sondern übereinander.
Keiner hört gerne von Dritten, dass man kritisiert wurde. Das kann tatsächlich zur Spaltung innerhalb eines Teams führen. Deshalb muss Trainer Terzic vor allem eines schaffen: Dass die verschiedenen Alphatiere an einen Tisch kommen und sich konstruktiv auseinandersetzen, indem sie äußern, was sie ärgert, wie ihre Erwartung lautet, was sich ändern soll.
Platte Vorwürfe erzeugen Abwehrreaktionen, aber wenn man vorankommen will, geht es immer darum, dass andere ihr Verhalten hinterfragen. Mit öffentlicher Kritik schafft man meistens nur Frustration, Abwehr und Illoyalität.
Mounir Zitouni (52) arbeitet als Businesscoach, betreut Trainer und Führungskräfte in punkto Leadership, Kommunikation und Persönlichkeitsentwicklung. Der ehemalige Profifußballer (OFC, SV Wehen, FSV Frankfurt, Esperance Tunis) hat zuletzt die Autobiographie von Dieter Müller verfasst und veröffentlicht regelmäßig eine Kolumne auf www.sport1.de.