Was war die Laune unlängst doch noch prächtig beim FC Bayern nach diesem formidablen wie makellosen Saisonstart mit drei Siegen und 15:1 Toren. Und nun?
Rotiert sich Bayern in die Krise?
Hasan Salihamidzic wollte keinen Hehl daraus machen, dass ihn der unerwartete sportliche (Ergebnis-)Einbruch mit drei Unentschieden in Folge wie nun beim 2:2 auch gegen den VfB Stuttgart durchaus umtreibt.
„Das ist zu wenig, das weiß auch jeder Spieler“, sagte der Sportvorstand des Rekordmeisters im STAHLWERK Doppelpass auf SPORT1, „das ist nicht unser Anspruch“. („Nicht unser Anspruch“: Salihamidzics wichtigste Aussagen)
Die öffentliche Kritik war da längst allgegenwärtig infolge der nunmehr schwächsten Bundesliga-Zwischenbilanz der Bayern in den vergangenen zwölf Jahren - Selbstkritik liegt freilich auf der Hand, wie sie unmittelbar nach Abpfiff bereits Thomas Müller formuliert hatte.
„Ich bin zum ersten Mal in dieser Spielzeit sauer. Sauer auf uns selbst“, meinte der Routinier sichtlich genervt, „da habe ich eine schöne Krawatte“.
Und doch wollte Salihamidzic den Finger differenzierter in die Wunde legen, dabei vor allem die Debatte um den auch in die Kritik geratenen Julian Nagelsmann kleinhalten. (NEWS: Alle aktuellen Infos zur Bundesliga)
FC Bayern: Kritik an Nagelsmann wächst
Klar sei: Der Trainer habe „die Mannschaft verändert, ein bisschen sehr verändert. Wir rotieren viel“, sagte der ehemalige Profi diplomatisch.
Um dann zu rechtfertigen: „Der Trainer muss auch viele Spieler zufriedenstellen. Es ist mir lieber, dass wir auch mal unentschieden spielen, als dass wir unzufriedene Spieler haben. Deswegen sehe ich das nicht so schwarz.“
Für Nagelsmann gelte es nun „ein gutes Fingerspitzengefühl zu finden“, betonte Salihamidzic.
Daran jedoch, so hatte SPORT1 kürzlich bereits berichtet, gibt es bei dem Coach allerdings Zweifel. (HINTERGRUND: Bayerns erste Härtefälle)
Breiter Kader wird zur Zwickmühle
Für Reibung sorgt vor allem die erwähnte Rotation. Der von Nagelsmann und dem Klub selbst gewollte, in der Breite verbesserte Kader droht zur Zwickmühle zu werden.
Schon früh in der Saison muss sich der 34-Jährige als Moderator beweisen und dabei auch Forderungen aushalten wie zuletzt die von Leon Goretzka.
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Der aus einer Verletzungspause zurückgekehrte Nationalspieler hatte nach seinem Kurzeinsatz in der Champions League bei Inter Mailand (2:0) betont: „Jetzt bin ich dann aber auch bereit zu starten.“
Auch die Transfers Noussair Mazraoui, Ryan Gravenberch und Mathys Tel müssen bislang meist mit der Bank Vorlieb nehmen - wenn Nagelsmann nicht wie gegen Stuttgart gleich sechs Veränderungen in der Startelf vornimmt.
Effenbergs Probleme mit Bayerns Rotation
„Ich hätte als Spieler ein Problem damit, wenn der Trainer so viel rotiert. Das ist mir zu viel“, meinte SPORT1-Experte Stefan Effenberg im STAHLWERK Doppelpass.
Auch wegen der dadurch drohenden Explosionsgefahr, wie der frühere Bayern-Profi mit Blick auf die eigene Erfahrung anfügte. „Da war ich richtig angepisst“, berichtete Effenberg darüber, einst unter Ottmar Hitzfeld mitunter zum Zuschauen verdammt worden zu sein. (Effenberg-Kolumne zu Bayern und Kruse)
Hitzfeld habe dabei aber stets die richtige Kommunikation gefunden. (DATEN: Die Tabelle der Bundesliga)
Verweise auf Hitzfeld: Wie kommuniziert Nagelsmann?
„Er hat mir dann eine Begründung abgeliefert, dann bleibst du auch ruhig“, sagte Effenberg. „Ich glaube, Nagelsmann muss lernen, das den Topstars zu erklären, das ist die größte Herausforderung beim FC Bayern. Du musst in der sozialen Kompetenz einzigartig sein, wenn du 20 Nationalspieler im Kader hast.“
Soft Skills mögen das Eine sein - ist das Alter am Ende das andere, das dem jetzigen FCB-Lenker in diesem Punkt abgeht? Effenberg sieht es so: „Du hast eben noch nicht diese große Erfahrung wie ein Jupp Heynckes.“
Gleichermaßen scheiden sich an Nagelsmann die Geister angesichts seiner mitunter ungewohnt offenherzigen Rhetorik in den Medien.
Was Härtefälle für die Bank betrifft, müsse er „lernen, das entsprechend in den Pressekonferenzen zu äußern“, findet Effenberg. (DATEN: Ergebnisse und Spielplan der Bundesliga)
Wobei der Coach gerade in diesem Punkt vor dem Stuttgart-Duell durchaus Klartext gesprochen und Begründungen abgegeben hatte: „Wir werden, auch um die Spannung hochzuhalten, rotieren.“
Salihamidzic: Nagelsmann auf Augenhöhe mit Spielern
Nagelsmann, dem in der schwachen Rückrunde der Vorsaison vorgeworfen worden war, zu wenig mit der Mannschaft zu kommunizieren, setzt dabei in seiner eigenen markigen Art auch verbale Reizpunkte.
Mit Blick auf das nun anstehende Knaller-Duell in der Champions League mit dem FC Barcelona um Ex-Bayern-Star Robert Lewandowski hatte er angefügt: „Wenn jemand am Samstag die Handbremse anzieht, dann kann er am Dienstag die Parkbremse einstellen.“
Das gegen die Schwaben nun aber misslungene Unterfangen, „wieder auf die linke Spur und das Gaspedal zu gehen“, bringt Nagelsmann gleich doppelt in die Bredouille.
Noch beschwichtigt Salihamidzic: „Julian spricht viel, ist natürlich auf Augenhöhe. Er hat mehr Kontakt zu den Führungsspielern und dem Mannschaftsrat.“
Und doch ist auch dem Bayern-Lenker bewusst: „Dass er seinen Stil noch herausfinden muss, ist klar. Das ist ein Lernprozess, aber das ist bei Bayern auch nicht so einfach.“