Dietmar Hamann ist mit Borussia Dortmund nach der Niederlage gegen Manchester City in der Champions League hart ins Gericht gegangen.
Kehl weist Hamann-Kritik zurück
„Ich glaube, das Hauptproblem der Dortmunder ist die falsche Wahrnehmung. Mich erinnert das an die letzte Saison, als sie nicht gut gespielt haben, aber die Spiele dennoch wegen der hohen individuellen Klasse gewonnen haben“, sagte der einstige Nationalspieler und heutige Sky-Experte bei den RuhrNachrichten.
Der 49-Jährige erklärte: „Wenn ein Spiel verloren wurde, haben sie es sich schöngeredet. Dieser Mangel an Selbstkritik, auch in dieser Saison, ist fatal. Das ist der Hauptgrund für die Inkonstanz und für schwankenden Leistungen.“ (NEWS: Alle aktuellen Infos zur Bundesliga)
Der BVB habe jetzt „zwei Pflichtspiele verschenkt. Da reden wir noch nicht einmal vom Leipzig-Spiel, in dem sie 90 Minuten lang gar nicht auf dem Platz waren. Nach dem Leverkusen- oder Freiburg-Spiel hätten die Sachen, die nicht gut waren, angesprochen werden müssen. Nach einem Sieg ist es einfacher, Kritik zu üben.“
Kehl: „Er ist nur Außenstehender“
Eher weniger angetan von der Kritik Hamanns ist BVB-Sportdirektor Sebastian Kehl. Vor dem Revierderby gegen Schalke 04 kritisierte der ehemalige BVB-Spielführer die Worte des Sky-Experten: „Wir wollen am Ende alle gewinnen, Mats Hummels und Marco Reus natürlich auch. Man muss auch definitiv unterscheiden, ob wir 0:3 in Leipzig oder wie hier zuhause 2:3 gegen Bremen verlieren. Da haben wir starke Selbstkritik geäußert.“
Kehl ergänzte: „Aber wenn man vermutlich bei der besten Mannschaft in Europa, Manchester City, unter der Woche am Ende knapp mit 1:2 verliert, dann muss man das auch ein Stück anders einordnen. Ich finde, dass hat Didi nicht geschafft in seiner Aussage.“
Hamann könne die Situation nicht richtig beurteilen, da ihm die Nähe zur Mannschaft fehle: „Wir haben hohe Ansprüche an uns selbst, wie Didi sie an uns hat. Wir sind aber Vereinsvertreter und Trainer und er ist nur Außenstehender, womöglich damit ein bisschen weit weg. Nach diesem Spiel in Manchester so eine Kritik zu äußern, finde ich nicht ganz richtig.“
„Hummels ist der einzige, der die Sachen anspricht“
Gegen City hatte Dortmund beim 1:2 lange ein ordentliches Spiel abgeliefert - unter anderem Mats Hummels äußerte sich nach dem Spiel kritisch zur Schlussphase. Was Hamann durchaus gefiel. (Zoff mit Reus? Hummels platzt der Kragen)
„Ja, Mats Hummels ist der einzige, der die Sachen so anspricht, wie sie sind. Das würde ich mir von Verantwortlichen wünschen“, meinte Hamann: „Wenn sich Sebastian Kehl, den ich für seine Arbeit sehr schätze, nach der Niederlage in Manchester hinstellt und sagt, er ist stolz auf die Mannschaft, dann gibst du den Spielern ein Alibi.“
Insgesamt stellte Hamann dem BVB für den ersten Saisonabschnitt, der mit dem Revierderby am Samstag (15.30 Uhr im LIVETICKER) ein weiteres Highlight vor der Länderspielpause parat hält, ein schlechtes Zeugnis aus. (DATEN: Ergebnisse und Spielplan der Bundesliga)
„Die zwölf Punkte, die sie haben, sind sehr schmeichelhaft. Es mangelte fast durchweg an Spielkontrolle. Das muss sich ändern, da ist die ganze Mannschaft gefordert“, sagte der Ex-Profi, der unter für den FC Bayern und Liverpool aktiv gewesen war.
Hamann: Modeste ein Fremdkörper - Süle gefordert
Ein Knackpunkt sei das Offensivspiel der Dortmunder. Dass Sébastien Haller fehle, sei „natürlich bitter. Aber Anthony Modeste ist bislang überhaupt nicht integriert. Er ist wahrscheinlich der beste Kopfballspieler der Bundesliga, aber er passt nicht in die Mannschaft. Dann fehlt mit Reus, Brandt und Modeste das Tempo.“
Hamann sprach sich dafür aus, mit „Youssoufa Moukoko, Karim Adeyemi oder Donyell Malen“ häufiger auf Spieler zu setzen, die seiner Meinung nach mehr Geschwindigkeit ins Spiel bringen würden.
Lobende Worte hatte der TV-Experte für die Neuzugänge Nico Schlotterbeck und Salih Özcan übrig, von dem ebenfalls im Sommer verpflichteten Niklas Süle forderte er derweil eine Steigerung.
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Dieser müsse „jetzt die Führungsrolle übernehmen, für die er geholt worden ist. Wenn ein Hummels ihm vorgezogen wird – auch wenn der das bislang hervorragend macht – dann kann etwas nicht stimmen. Süle ist mehrfacher Meister und Champions-League-Sieger, außerdem ist Hummels schon 33. Süle ist der Spieler, von dem ich mir den größten Sprung erwarte.“
Zu kritisch beim BVB? Hamann reagiert gelassen
Übrigens: Dass er von einigen BVB-Fans als zu kritisch betrachtet wird, lässt ihn kalt: „Bin ich zu kritisch? Die Bayern-Fans sagen das gleiche. Solange es beide Fangruppen sagen, habe ich da kein Problem mit. Mir geht es immer um die Sache.“ (DATEN: Die Tabelle der Bundesliga)
Er habe in Sachen Meisterschaft vor der Saison auf den BVB getippt. „Sie haben jetzt eine gute Basis und eine Mannschaft, die den Titel holen kann. Und wenn ich sie kritisiere, dann heißt das, dass ich der Meinung bin, dass sie mehr zeigen können. Schlimmer wäre es doch, wenn ich sagen würde: ‚Die sind nicht besser‘. Mir gefällt die Mannschaft!“