Nach dem Schlusspfiff am Samstagabend um 20.29 Uhr stand Thomas Reis für einen kurzen Moment wie angewurzelt da, der Blick ging tief enttäuscht nach unten.
Derby-Pleite: Fliegt Reis jetzt?
Dann klatschte der Bochumer Aufstiegstrainer, der zuvor mit 1:3 im Nachbarschaftsduell auf Schalke verloren hatte, mit seinen Spielern ab und verschwand für eine lange Zeit in die Kabine.
Besiegelt die Pleite im kleinen Revierderby das Aus von Reis als VfL-Trainer? (DATEN: Ergebnisse und Spielplan der Bundesliga)
Reis kämpferisch: „Gehe normal meiner Arbeit nach“
Das 1:3 war nun schon die sechse Bundesliga-Pleite in Folge, fünf Punkte beträgt der Abstand in der Tabelle auf das rettende Ufer, das Torverhältnis ist mit 4:18 richtig schlecht – die Blau-Weißen verlieren immer mehr den Anschluss. Ein Sieg nächste Woche gegen den 1. FC Köln ist beinahe Pflicht. (DATEN: Die Tabelle der Bundesliga)
Aufsichtsratschef Hans-Peter Villis und Patrick Fabian, der neue Geschäftsführer Sport, werden sich in diesen Stunden sicher beraten und ganz genau abwägen, ob es den im auf Erfolg getrimmten Fußballgeschäft so oft herbeigeschworenen neuen Impuls Bedarf. (NEWS: Alle aktuellen Infos zur Bundesliga)
Was die Derby-Pleite für Reis persönlich bedeuten könnte und ob er noch die Rückendeckung der Bosse spürt, fragte ihn SPORT1 am Samstagabend auf der Pressekonferenz. Die kämpferische Antwort: „Ich habe mit den Bossen in dieser Woche gar nicht gesprochen“, gestand der 48 Jahre alte Ex-Profi. „Meine Aufgabe ist es, auf Spiele vorzubereiten. Ich gehe ganz normal meiner Arbeit nach. Was jetzt passiert, kann ich sowieso nicht beeinflussen.“
Er habe „absolut weiter Bock, auch den Bock umzustoßen“, sagte er. „Wir wollen uns auf Köln vorbereiten. Ich habe eine Mannschaft gesehen, die auch mir wieder gefolgt ist. Solange das der Fall ist, sollte ich mir als Trainer keine Sorgen um meine Mannschaft machen.“
Mannschaft stellt sich hinter den Trainer
Auch aus Teilen der Mannschaft, die sich gegen Schalke wirklich wehrte und augenscheinlich nicht gegen den Coach spielte, genießt Reis noch Unterstützung. Routinier Simon Zoller etwa, mit drei Treffern bester Bochumer, machte sich mit deutlichen Worten für den Aufstiegstrainer stark: „Dieser Trainer kam vor drei Jahren und hat uns aus der Scheiße gezogen. Wir haben drei Jahre eine Erfolgsgeschichte geschrieben. Und der VfL Bochum spielt Bundesliga. Da gehört der Trainer am meisten mit dazu.“
Und Derby-Torschütze Philipp Hofmann (kam aus der 2. Liga von Karlsruhe) pflichtete seinem Sturm-Kollegen bei: „Ich habe das nicht zu entscheiden, aber mich persönlich erreicht der Trainer noch!“
Der Mann, der die Entscheidung am Ende zu fällen hat, tauchte am Samstagabend ab. Ex-Profi Fabian, der vor elf Tagen auf den zurückgetretenen Sebastian Schindzielorz gefolgt ist, wollte zunächst keine Stellungnahme abgeben. Vor dem Derby ließ der frühere Bochumer Lizenzspielerchef aber eine Job-Garantie für Reis aus und betonte: „Wir bewegen uns im Leistungssport, da sind Ergebnisse eine wichtige Zutat.“
Was aktuell gegen Reis spricht: Der Aufstiegscoach ist nach den ausbleibenden sportlichen Erfolgen stark angezählt, hat zudem klubintern aufgrund des Vertragstheaters massiv an Kredit verloren. Das Verhältnis zu den Vereinsoberen soll, so ist aus Klubkreisen zu hören, stark unterkühlt sein.
Zur Erinnerung: Reis hatte im Sommer ausgerechnet Gespräche mit Schalke über eine Job-Anstellung geführt (SPORT1 berichtete) und das hinterher versucht wegzuflunkern. Damit hat sich Reis selbst keinen Gefallen getan. (BERICHT: Bochum verhinderte neuen Schalke-Coach)
Verlängerung? „Geht es nach mir ...“
Hinzu kommen die aktuell auf Eis gelegten Verhandlungen über den im Sommer 2023 auslaufenden Vertrag. Reis hatte mehrere Angebote mit einem für Bochumer Verhältnisse Top-Gehalt vorliegen, diese aber ausgeschlagen.
Das alles sowie der historische Fehlstart deuten auf ein Reis-Ende hin. Für eine Entlassung hätte der Trainer jedenfalls Verständnis: „Selbstverständlich“, erwiderte er auf eine Reporterfrage. „Ich bin Angestellter des Vereins.“
Aufgeben wolle er deshalb aber noch lange nicht. Er könnte sich sogar eine Verlängerung vorstellen. „Ich habe hier bisher drei tolle Jahre gehabt. Geht es nach mir, können da noch weitere tolle Jahre hinzukommen. Es gab ja frühzeitig Aussagen, dass man mit mir eventuell auch woanders spielen würde. Sollte eine andere Entscheidung getroffen werden, dann ist es so, dann geht die Welt auch nicht unter. Ich bin gesund, es ist für mich noch nicht das Ende der Fahnenstange erreicht.“