Ende gut, alles gut.
Lewy exklusiv: Sorry an Bayern-Fans
Der FC Bayern kann auch ohne Robert Lewandowski Tore schießen, wie die ersten Saisonspiele gegen RB Leipzig (5:3) und Eintracht Frankfurt (6:1) gezeigt haben. Und Robert Lewandowski kommt nicht mehr aus dem Strahlen heraus, seitdem er endlich dort ist, wo er schon immer hinwollte: in Spanien. (NEWS: Alle aktuellen Infos zur Bundesliga)
Kein Grund also, noch schlecht übereinander zu sprechen. Das betonte Lewandowski umgehend, als er SPORT1 im Rahmen seiner Präsentation beim FC Barcelona zum großen Abschiedsinterview empfing - und sich für das Theater der vergangenen Monate bei den Bayern-Fans entschuldigte, aber auch klarmachte, was ihn dazu bewog.
Das Ergebnis? Ein persönliches, emotionales Gespräch über „wunderbare Momente in München“, nette letzte Worte von Uli Hoeneß, das Abenteuer Barca - und seinen Vater, der 2005 wenige Wochen vor dem Profidebüt des Stürmers verstarb.
SPORT1: Robert, que tal?
Robert Lewandowski: Molt content, gràcies!
SPORT1: Das klappt ja schon ganz gut mit dem Katalanisch.
Lewandowski: Ja, aber mehr als ein paar Sätze sind noch nicht drin. (lacht)
Lewandowski schwärmt von Barca-Präsentation
SPORT1: Mit ein paar Sätzen haben sie aber schon viele Fan-Herzen im Camp Nou erobert. Zu Ihrer Präsentation am Freitag kamen rund 57.000 Zuschauer - mehr als zum Beispiel bei Ronaldinho oder Zlatan Ibrahimovic. Wie fühlt sich das an?
Lewandowski: Unglaublich! Ich hätte nicht mit so vielen Fans gerechnet. Dass bei mir mehr waren als bei anderen Spielern wie Ronaldinho oder Ibrahimovic, ist nicht wichtig. Das waren sowieso andere Zeiten. Am Ende ist es aber sehr schön, wenn du direkt so viel Unterstützung erfährst. Solche Erlebnisse bleiben für immer.
SPORT1: Sie kommen kaum aus dem Strahlen heraus.
Lewandowski: Es ist einfach ein neues Gefühl für mich. Ich brauchte diese Veränderung, diesen Schritt in ein anderes Land zu einem anderen Verein. Ich fühle mich wie ein Kind, das ein neues Spielzeug bekommen hat. (DATEN: Ergebnisse und Spielplan der Bundesliga)
Lewandowski: „Papa wäre sehr stolz“
SPORT1: Sie sind ein Familienmensch, haben all Ihre Bezugspersonen und auch Ihre besten Freunde mit zu Ihrer Präsentation genommen. Was hätte dieser Tag Ihrem verstorbenen Vater Krzysztof bedeutet?
Lewandowski: Papa wäre sehr stolz und zufrieden gewesen. Er hat mir in meiner Kindheit immer gesagt, dass er mir zutraut, eines Tages auf das höchste Level zu gelangen. Das hat mir viel Motivation und Hoffnung gegeben, meine Träume zu erreichen. Ich vermisse ihn und bin traurig, dass er all das nicht erleben konnte, ob in Dortmund, München oder jetzt Barcelona. Aber ich bin mir sicher, dass er dort oben in der ersten Reihe sitzt und stolz auf mich herunterschaut.
SPORT1: Hinter Ihnen liegen emotionale Tage. Sie waren vergangene Woche noch einmal in München, um sich endgültig vom FC Bayern zu verabschieden. Was ging Ihnen dabei durch den Kopf?
Lewandowski: Es war ein komisches Gefühl, zum letzten Mal zum Trainingsgelände zu fahren. Der Verein und die Stadt bedeuten mir sehr viel, in München sind meine zwei Töchter zur Welt gekommen und wir haben uns auch noch einmal von allen Leuten verabschiedet, an der Säbener Straße und im Kindergarten. Über meine sportliche Zeit beim FC Bayern gibt es keine zwei Meinungen. Was wir als Mannschaft in acht Jahren zusammen erlebt haben, das kann und wird uns niemand nehmen. Wenn ich allein an die fünf Tore gegen Wolfsburg, die 41 Tore in der Bundesliga oder das Sextuple mit Hansi Flick zurückdenke - das waren wunderbare Momente.
SPORT1: Dafür haben Sie am Ende aber eher den Hinterausgang genommen, anstatt durchs große Tor zu gehen ...
Lewandowski: Es ist, wie es ist. Wir haben gemeinsam Geschichte geschrieben und ich habe immer 100 Prozent gegeben. Es gab keinen Tag, an dem ich mich zurückgelehnt habe. Das wissen auch die Verantwortlichen. Gegenseitige Dankbarkeit, gegenseitiger Respekt - so sind wir miteinander verblieben. Der FC Bayern wird immer in meinem Herzen bleiben.
Das sagte Hoeneß Lewandowski zum Abschied
SPORT1: Was haben Ihnen die Verantwortlichen zum Abschied gesagt? (DATEN: Die Tabelle der Bundesliga)
Lewandowski: Nur Gutes. Wir haben uns freundlich miteinander ausgetauscht, uns die Hände gereicht. Am Ende überwiegt das Positive. Ich habe noch einmal mit allen gesprochen: Hasan, Oli, auch Uli Hoeneß.
SPORT1: Was waren Hoeneß' letzte Worte an Sie?
Lewandowski: Er hat gesagt, dass er immer ein offenes Ohr für mich hat und ich ihn immer anrufen kann, wenn ich etwas brauche. Das war sehr nett, er ist eine große Persönlichkeit und ich bin ihm, aber auch allen anderen Leuten aus dem Vorstand dankbar. Es war mir wichtig, dass zum Abschied nichts Negatives hängenbleibt.
Lewandowski entschuldigt sich bei Bayern-Fans
SPORT1: Wenn man sich im Fan-Lager umhört, bleibt aber sehr wohl Negatives hängen - vor allem drastische Aussagen wie „Ich möchte den FC Bayern für mehr Emotionen in meinem Leben verlassen“.
Lewandowski: Ich weiß, dass das vielen Fans wehgetan hat. Ich kann sie verstehen und mich dafür jetzt nur entschuldigen. Für mich war es in diesem Moment wichtig und notwendig, klarzumachen, dass ich bereit für eine Veränderung bin. Am Ende sind wir alle nur Menschen, oder? Nach zwölf Jahren in Deutschland stand für mich fest: Ich bin hier fertig. Das wollte ich verdeutlichen - weil es für den FC Bayern in dieser Phase natürlich auch nicht einfach war, einem Verkauf zuzustimmen. Es war eine schwierige Situation für alle Beteiligten und wir mussten die beste Lösung finden.
SPORT1: Ein paar Fans haben Ihnen hämisch „Hala Madrid“ hinterhergerufen.
Lewandowski: Ja, das habe ich auch gehört - und gelacht. Es gab aber auch ein paar, die meinen Namen gerufen haben. Das war sehr schön. Ich bin in den vergangenen Wochen auch immer wieder ein paar Fans auf der Straße begegnet, die Verständnis für meine Situation geäußert und mir alles Gute gewünscht haben.
SPORT1: Real Madrid galt ja mal als Ihr Traumverein. Ihr Ex-Berater Maik Barthel konnte sich eine kleine Spitze in diese Richtung nicht verkneifen.
Lewandowski: Mit dem habe ich seit fast fünf Jahren keinen Kontakt mehr. Die Gedanken und Wünsche eines Menschen können sich in so einer Zeitspanne auch ändern. Mit Real Madrid gab es früher mal Gespräche, aber daraus ist nichts geworden. Ich wollte immer in La Liga spielen, das stand für mich fest. Und als diesmal Barca anklopfte, war Barca die einzige Option für mich. Es gab andere Angebote, aber die haben mich nicht interessiert.
Ballon d‘Or? Das denkt Lewandowski
SPORT1: Wie groß ist Ihre Motivation, sich fortan mit Real und Karim Benzema zu messen? Ihr Ex-Bayern-Kollege Kingsley Coman hat Ihnen in einem Interview spaßeshalber Benzema vorgezogen.
Lewandowski: Ja, das habe ich mitbekommen. Aber das musste King natürlich sagen, weil er mit Benzema ja noch in der Nationalmannschaft zusammenspielt. (lacht) Im Ernst: Ich schaue auf mich und meine Mannschaft, nicht auf andere. Klar freut man sich auf Spiele wie den Clásico und Benzema ist ein super Stürmer, aber am Ende geht es darum, mit Barca Titel zu gewinnen. Alles andere ist irrelevant.
SPORT1: Gilt das auch für den Ballon d‘Or?
Lewandowski: Ich habe immer gesagt, dass mich der Erfolg der Mannschaft antreibt. Solche Preise sind schöne Extras, ich wollte aber nicht deshalb nach Spanien. Was da zum Teil geschrieben wurde, entsprach nicht der Wahrheit.
Probleme mit Nagelsmann beim FC Bayern?
SPORT1: Wenn wir schon bei der Wahrheit sind. Es soll einige Meinungsverschiedenheiten zwischen Ihnen und Julian Nagelsmann gegeben haben. Was hat Ihnen an ihm nicht gefallen?
Lewandowski: Ich war gegenüber dem Trainer immer sehr klar. Wer mich kennt, der weiß, dass ich die Dinge klar anspreche, die mir durch den Kopf gehen. Ich habe auch ihm meine Meinung gesagt, und ich glaube, dass er mich am Ende immer besser verstanden hat. Ich muss aber sagen: Ich hatte nie persönliche Probleme mit Julian und habe auch nicht öffentlich Kritik an ihm und seiner Taktik geübt. Wir haben viel miteinander gesprochen, der Austausch war sehr eng. Dass man auf dem Platz nicht immer einer Meinung ist, das gehört einfach dazu. Ich habe aber nie ein schlechtes Wort über Julian oder zu Julian gesagt. Ich weiß, dass er großes Potenzial als Trainer hat. Er kann und wird sicher noch viele Titel gewinnen.
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SPORT1: Was ist dem FC Bayern ohne Tormaschine Lewandowski zuzutrauen?
Lewandowski: Bayern ist und bleibt eine der besten Mannschaften in Europa. Das hat man jetzt auch in den ersten Spielen der neuen Saison gesehen. Ich habe keine Zweifel daran, dass sie ihre Tore auch ohne mich machen. Ich bin mir sicher, dass andere Spieler jetzt mehr Tore schießen werden als in den vergangenen Jahren. Sie sind sehr variabel und haben so viel Qualität, dass sie keine klassische Neun brauchen.
SPORT1: Wer holt in Ihrer Abwesenheit diese Saison die Torjägerkanone?
Lewandowski: Eine schwierige Frage. Haller wäre eigentlich ein Kandidat, aber das mit seiner Krankheit ist sehr schlimm. Ich hoffe, dass er sich gut erholt und wir ihn bald wieder auf dem Platz sehen. Gute Besserung an dieser Stelle. Ansonsten hat der FC Bayern genügend Spieler, die viele Tore schießen können.
Lewandowski vergleicht Musiala mit Barca-Talenten
SPORT1: Mit drei Pflichtspieltoren in dieser Saison bester Torschütze: Jamal Musiala. Was halten Sie von ihm?
Lewandowski: Bambi ist ein besonderes Talent, wie auch Pedri, Gavi oder Ansu Fati bei Barca. Es ist beeindruckend, wie schnell er gereift ist und sich dem Niveau bei Bayern angepasst hat - aber auch, wie sehr er weiter an sich arbeitet und dazulernen möchte. Das ist schon Wahnsinn, genauso wie sein Dribbling mit seinen langen Beinen. Ich bin mir sicher, dass er noch besser wird. Vor ihm liegt eine große Zukunft. Die Zeit ist auf seiner Seite.
SPORT1: Musiala ist 19, Sie werden noch in diesem Monat 34. Wie lange wollen Sie noch spielen?
Lewandowski: Das ist nur eine Zahl. Ich fühle mich topfit und bin bereit, anzugreifen. Ich habe mit Bayern alles gewonnen, jetzt will ich auch mit Barca alles gewinnen.
Das wird Lewandowski an München fehlen
SPORT1: Abschließende Frage, Robert: Was werden Sie an München vermissen?
Lewandowski: Vieles. Den Verein und die Fans natürlich, die Stadt, vor allem aber die Stimmung in der Kabine. Als Außenstehender kriegt man das nicht so mit, aber man hat über die Jahre eine Bindung zu diesen Spielern und auch zu den ganzen Mitarbeitern aufgebaut. Das wird mir schon fehlen. Aber ich bin ein Mensch, der nach vorne schaut. Es ist an der Zeit, ein neues Kapitel aufzuschlagen.
SPORT1: Viel Erfolg dabei und vielen Dank für das Gespräch, Robert.
Lewandowski: Ich habe zu danken.