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FC Bayern: Bitte nicht aufhören, Julian Nagelsmann! - Kommentar

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FC Bayern: Bitte nicht aufhören, Julian Nagelsmann! - Kommentar

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Bitte nicht aufhören, Nagelsmann!

Julian Nagelsmann eckt mit seinen Aussagen und seinem Humor immer häufiger an. Der Fehler liegt aber nicht bei ihm selbst, sondern vielmehr bei den Anderen. Die SPORT1-Kolumne von Alex Steudel.
Nachdem die letzte Saison alles andere als berauschend lief, muss Julian Nagelsmann nun mehr Titel holen.
Alex Steudel
Alex Steudel
Julian Nagelsmann eckt mit seinen Aussagen und seinem Humor immer häufiger an. Der Fehler liegt aber nicht bei ihm selbst, sondern vielmehr bei den Anderen. Die SPORT1-Kolumne von Alex Steudel.

Ich mache mir Sorgen um Julian Nagelsmann, den Bayern-Trainer, der stets sagt, was er denkt, und dabei keine Rücksicht auf Verluste nimmt.

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Ich bete, dass das so bleibt, aber ich fürchte, irgendwann könnte er damit aufhören, also dann, wenn es ihn nur noch nervt, dass sich immer häufiger jemand findet, der sich darüber aufregt, was er gesagt hat. Ich nenne es das Mehmet-Scholl-Syndrom. (BERICHT: Warum Nagelsmann häufig aneckt)

Aber warum gibt‘s das überhaupt?

Viele vor Nagelsmann schreckten zurück

Nach einem Jahr beim Rekordmeister ist es ja fast schon ein Wunder, dass der erst 35-Jährige das weiter so durchzieht. (NEWS: Alle aktuellen Infos zur Bundesliga)

Unzählige andere Menschen vor Nagelsmann erschraken und reagierten schnell, wenn sie merkten, was es für einen Unterschied macht, ob du als Linksverteidiger des VfL Osnabrück einen raushaust oder als Spieler von, sagen wir mal: Borussia Dortmund. (BERICHT: Nagelsmann hofft bei Tel „eines Tages auf 40 Tore“)

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Als Nagelsmann noch Trainer in Hoffenheim war und Niklas Süle/Sebastian Rudy den Klub verließen, sagte er: „Der Bauer muss sich auch ab und zu von seinen Kühen und Schweinen trennen.“

Heute würde er vermutlich einen Offenen Brief des Bauernverbands und einen von „Vegetarier für Deutschland“ (falls es die gibt) bekommen, und von 27 Bundestagsabgeordneten gäbe es einen Einlauf (sorry, das war ein Wortspiel, ich hoffe, dass es kein Protestschreiben des Deutschen Darmverbands zur Folge hat).

Auf Twitter würden sich so dermaßen viele Leute über ihn aufregen, dass der Aktienkurs um vier Dollar steigt.

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Feuerwehr-Eklat: Deutschland hat ein Problem mit Humor

Als Nagelsmann kürzlich sagte: „Wir sind hier nicht bei der freiwilligen Feuerwehr Süd-Giesing“, da lachte keiner, es gab wütende Proteste, und am Ende musste Nagelsmann der Feuerwehr einen Höflichkeitsbesuch abstatten und 29-mal sagen, wie wichtig Feuerwehren sind. (DATEN: Ergebnisse und Spielplan der Bundesliga)

Der Witz ist: Er hatte nur einen lockeren Spruch gemacht. Niemand zweifelt daran, dass die Freiwillige Feuerwehr tolle Arbeit leistet, und ich bin mir sicher: auch nicht Nagelsmann. Er weiß nur besser als andere, dass er sich in einer Unterhaltungsbranche aufhält. Seine Vorlage wurde trotzdem dankend aufgenommen.

In Deutschland haben wir schon immer Probleme mit Humor, sonst hätten wir nicht Mario Barth. Eine Menge Sportler wissen das, sie haben es nämlich am eigenen Leib erfahren und deshalb irgendwann gar nichts mehr gesagt, weil es viel sicherer ist, nach Bundesliga-Medien-Dienstverordnung zu sprechen. (Jaja, schon klar, es gibt sie nicht, das war ein Witz, liebe DFL!).

„Wir sind alle sehr enttäuscht. Aber wir verlieren zusammen, und wir gewinnen zusammen. Jetzt müssen wir analysieren und nach vorne schauen.“

Humor & Witze missverstanden: Scholl schweigt

Das berühmteste Beispiel ist der ehemalige Fußballspieler Mehmet Scholl: Er war wirklich witzig, aber viele verstanden das nicht. Sie taten, was man bei Humor nie tun darf: den Fehler suchen. Sein „Hängt die Grünen auf, solange es noch Bäume gibt“ war vielleicht etwas hart, aber erstklassiger Humor.

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Das „Es ist mir völlig egal, was es wird. Hauptsache, er ist gesund“ des werdenden Vaters Scholl zöge heute eine siebenwöchige Genderdiskussion nach sich. Dabei war es einfach nur saulustig.

Vor langer Zeit rief mich Scholl übrigens mal aufgelöst an, weil er in der Pressekonferenz einen Witz über kanadische und amerikanische Städte gemacht hatte, die Pointe habe ich vergessen, aber Scholl spielte mit dem Vorbild „Mailand oder Madrid - Hauptsache Italien“.

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Danach hatte ein Reporter, der den Gag nicht verstand, einen Text darüber geschrieben, wie einfältig Fußballer seien - Scholl zum Beispiel könne nicht mal die USA und Kanada auseinanderhalten. Scholl beschloss irgendwann, gar nichts mehr auseinanderzuhalten, er schwieg nur noch.

Kahn spricht nur noch Diplomaten-Titanendeutsch

Hoffentlich macht das Nagelsmann nicht auch. Denn ich mag seinen ein bisschen vorlauten, superschnellen Humor, der um die Ecke geht, ehe er sein Ziel findet. Manchmal ist er aber ganz einfach schnurstracks geradeaus.

Als der Komplettpleiteverein FC Barcelona Bayerns Topstürmer Robert Lewandowski lockte, sagte er nur, was die ganze Fußballwelt dachte: „Es ist der einzige Klub in der Welt, der kein Geld hat, aber jeden Spieler kauft, den er will. Es ist irgendwie komisch, irgendwie verrückt.“ Das war toll. (BERICHT: Nagelsmann teilt gegen Barca aus)

Aber natürlich gab‘s auch für diese Wahrheit Einläufe (schon wieder, sorry Darm-Verband!), einen sogar vom eigenen Vorstand, Oliver Kahn, der nach seiner Karriere als Torwart jetzt nur noch Diplomaten-Titanendeutsch spricht. (BERICHT: Barca kontert Nagelsmann-Kritik vehement)

Wie Scholl: Hoffentlich zieht sich Nagelsmann nicht auch zurück

Und als Nagelsmann nur sagte, dass Harry Kane ein toller und teurer Fußballer sei (ist ja streng genommen nicht mal ein Witz), schlugen sämtliche Richterskalen bei Tottenham Hotspur bis zum Anschlag aus. (BERICHT: Wegen Kane! Nächste Attacken gegen Nagelsmann)

Trainer Antonio Conte jammerte persönlich bei einer Pressekonferenz über dieses unbotmäßige Verhalten, und am Ende musste Nagelsmann zum Handy greifen und ihn besänftigen.

„Am Trainingsgelände gibt es keinen Glühwein und auch keinen Schnaps, weil ich auch noch Auto fahren muss. Zuhause habe ich beides im Kühlschrank“, hat Nagelsmann mal zu irgendeinem Dienstjubiläum gesagt, und es fanden sich in den sozialen Netzwerken sicher einige Menschen, die darauf hinwiesen, was für ein Trottel doch einer sein müsse, der Glühwein in den Kühlschrank stellt. (ÜBERSICHT: Die fixen Transfers aller Bundesliga-Klubs)

So ist es eben: Viele Mannschaften kommen nicht mit Nagelsmanns Tempofußball zurecht, und viele Menschen nicht mit seinem Tempohumor. Ich liebe diesen Humor aber, und das Letzte, was ich möchte, ist, dass Nagelsmann irgendwann entnervt vor den Humorlosen kapituliert und fortan „Ich denke nur von Spiel zu Spiel“ sagt.

Nagelsmann zieht süffisanten Vergleich zu Privatleben

Ein guter Teil meiner Vorfreude auf die am Freitag beginnende Bundesliga-Saison hat wirklich damit zu tun, dass ich hoffe, wieder viel Lustiges von Leuten wie ihm oder Freiburgs Christian Streich zu hören.

Vor fünf Jahren verglich Nagelsmann übrigens das Verhältnis Trainer-Verein mit seinem Privatleben: „Das ist in einer Liebesbeziehung genauso. Da hat man mal einen Partner und denkt: Das ist das Beste, was einem passieren konnte. Und nach einem halben Jahr denkt man sich: Um Gottes Willen, was habe ich mir denn da angelabert?“

Sehr witzig. Auch aus aktuellem Anlass. Aber lassen wir das.

Alex Steudel ist freier Journalist in Hamburg. Er war Bayern- und Nationalmannschaftsreporter und Chefredakteur von Sport-Bild. Heute widmet er sich in seiner Kolumne für SPORT1 auf nicht immer ganz ernstgemeinte Weise aktuellen Fußball-Themen. Steudel-Kolumnen gibt‘s auch als Buch – der Titel: „UND AM ENDE GEWINNEN IMMER DIE BAYERN“, 268 Seiten. Hier bestellen!

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