Nachdem der VfB Stuttgart in der vergangenen Saison dem Abstieg um Haaresbreite entkam, soll die kommende Saison entspannter laufen.
Mislintat kritisiert Lewandowski
Sportdirektor Sven Mislintat erklärt bei SPORT1, worauf es für die Schwaben ankommt, wie die Personalplanungen laufen und wer das Rennen um die Meisterschaft machen wird.
Zum Wechsel von Robert Lewandowski vom FC Bayern zum FC Barcelona hat Mislintat eine klare Meinung.
SPORT1: Herr Mislintat, wie oft kam nach dem nervenaufreibend geschafften Klassenerhalt der Gedanke auf, um es mal salopp zu formulieren, unglaublich viel Schwein gehabt zu haben?
Sven Mislintat: Nie, eigentlich im Gegenteil. Ich finde, dass wir für unsere klaren Werte, Zusammenhalt und Teamfähigkeit belohnt wurden. Es war unter anderem wegen vieler Verletzungen und Abgänge eine schwierige Situation für uns. Wir haben also nicht Schwein gehabt, sondern uns das Schwein erarbeitet. In den ersten Tagen nach dem Klassenerhalt habe ich mir die Aufnahmen vom Saisonfinale immer wieder mit der Familie und Freunden angeschaut. Ich bin froh, dass ich vor diesem Platzsturm und der Energie der Fans nicht flüchten konnte, sondern das erleben durfte. (NEWS: Alle aktuellen Infos zur Bundesliga)
SPORT1: Es heißt immer, das zweite Jahr in der Bundesliga ist das schwerste. Kommt jetzt also ein leichtes?
Mislintat: Es wäre schön, wenn das so eine einfache Rechnung wäre. Wir haben ähnliche Aufgaben wie letztes Jahr. Trotzdem haben wir schon gute Verpflichtungen hinbekommen, und uns stehen fast alle Spieler zur Verfügung. Jetzt hoffen wir, dass wir nicht viel Qualität verlieren, wobei wir auch darauf achten müssen, Defizite zu minimieren.
„Klare Kandidaten für einen Abstiegsplatz gibt es nicht mehr“
SPORT1: Mit Schalke und Bremen sind zwei Hochkaräter zurück in der Bundesliga. Befeuert das den Abstiegskampf umso mehr?
Mislintat: Geht es um die Namen, dann definitiv ja. Ich glaube außerdem, dass die Leistungsunterschiede von Platz 7, 8 an abwärts kaum noch da sind. Aufsteiger haben immer eine Chance, in der Liga zu bleiben. Klare Kandidaten für einen Abstiegsplatz gibt es unabhängig von den Namen längst nicht mehr.
SPORT1: Aber wie schwer wird es in der neuen Saison für den VfB?
Mislintat: Platz 13 ist weiterhin unser Platz 1, und dafür wollen wir alles tun. Letztes Jahr hat sich Greuther Fürth schnell in eine ziemlich aussichtslose Situation gebracht. Ich erwarte, dass es in dieser Saison deutlich enger wird, auch mit Blick auf die direkten Abstiegsplätze. Für uns ist einfach wichtig, aus unseren Fehlern gelernt zu haben und die Struktur beizubehalten. (DATEN: Ergebnisse und Spielplan der Bundesliga)
SPORT1: Wie heikel ist es dennoch, bei Fans eines Traditionsvereins mit Wirtschaftskraft, wie es der VfB ist, Bescheidenheit einzufordern?
Mislintat: Das ist eine Aufgabe, aber wir haben sie bisher ganz ordentlich gemeistert.
SPORT1: Wir sind die die bisherigen Neuzugänge zu bewerten?
Mislintat: Wir wollten proaktiv auf zwei, drei Positionen angreifen, ehe womöglich große Verkäufe kommen, die wir dann eins-zu-eins ersetzen müssten. Da galt es, auf der Rechtsverteidiger-Position einen zweiten Kandidaten zu haben. Wir haben eine Maschine mit Josha Vagnoman (Neuzugang vom Hamburger SV, Anm. d. Red.), wenn er gesund ist. Er kommt zwar als Herausforderer, hat aber auch die Chance, es gleich zu packen.
Perea? „Er hat eine beeindruckende Lernkurve“
SPORT1: Und Juan José Perea von PAS Giannina in Griechenland?
Mislintat: Er hat eine beeindruckende Lernkurve, kann Deutsch, ihm ist der VfB nicht fremd und er hat wegen einiger Herausforderungen bereits mit 22 eine brutale Lebenserfahrung. Er kann ein richtig guter Spieler werden.
SPORT1: Wie ist der Stand der Dinge bei den potenziellen Abgängen Borna Sosa und Sasa Kalajdzic? (England-Klubs an Kalajdzic interessiert)
Mislintat: Keiner kann voraussehen, was da genau passiert. Wir haben allerdings alle Karten in der Hand, um vernünftig mitzuspielen und zu sagen: „Nein, das funktioniert so nicht“. Noch wichtiger ist das Verhältnis zu den Spielern, das in beiden Fällen gut ist. Wenn nichts Passendes kommt, dann sind sie mit 110 Prozent hier, da bin ich mir sicher. (ÜBERSICHT: Die fixen Transfers aller Bundesliga-Klubs)
SPORT1: Kann der VfB diese Spieler angesichts der immensen Ablösesummen tatsächlich halten?
Mislintat: Es wäre sicherlich nicht schlecht für den Klub, wenn ein Verkauf dieser Größenordnung käme. Dann sollte man auch zusehen, dass man wieder Qualität dazuholt, obwohl man keinen der drei Spieler (Kalajdzic, Sosa und Orel Mangala, Anm. d. Red.) eins zu eins ersetzen können wird. Es gibt aktuell nichts Konkretes bei Sasa, es gab viel Lärm um Bayern und Dortmund. Er stand definitiv auf dem Zettel, bevor die Transfers von Sadio Mané und Sébastien Haller fix waren. Alles andere werden wir bis zum 1. September sehen.
SPORT1: Wie geht der Verein mit der Situation um Atakan Karazor um, der seit fünf Wochen auf Ibiza in Untersuchungshaft sitzt wegen Vergewaltigungsvorwürfen?
Mislintat: Wir schauen da genau hin und versuchen, neue Informationen intern zu verarbeiten, wenn es welche gibt. Man muss abwarten, wie entschieden wird und bis dahin bleiben wir ruhig. Ich bin kein Jurist, deswegen kann ich nicht einschätzen, wie lange das dauern kann.
Mislintat freut sich auf Mario Götze
SPORT1: Wie spannend wird in der kommenden Saison der Meisterschaftskampf?
Mislintat: Es gibt genug Klubs, die Ressourcen haben, es den Bayern deutlich schwieriger zu machen. Allerdings wehrt sich Bayern auf dem Transfermarkt auch nicht so schlecht. Die Dortmunder haben viel dazuaddiert, aber mit Erling Haaland einen ihrer besten Spieler verloren. Leverkusen macht schon seit zwei, drei Jahren einen smarten Markt. Es sind ein paar Mannschaften dabei, die wirklich attackieren können. RB auch, wenn die Struktur nicht auseinandergebrochen wird.
SPORT1: Wie muss man den Bruch zwischen dem nun zum FC Barcelona wechselnden Robert Lewandowski mit dem FC Bayern bewerten?
Mislintat: Das ist immer schwierig, weil man nicht hinter die Kulissen blickt. Man kann so was allerdings auch anders lösen, um ein positives Beispiel zu nennen, siehe Sadio Mané und Liverpool.
SPORT1: Zurück in der Bundesliga ist dagegen Mario Götze…
Mislintat: Ich finde es super. Mario war ein fester Teil der Gruppe, die in Dortmund ein bisschen was geschafft hat. Er ist ein wunderbarer Junge, der Talsohlen durchschreiten musste, aber das bei PSV super gemacht hat. Es ist auch ein toller Move für die Bundesliga, vor allem mit der Möglichkeit, in Frankfurt Champions League zu spielen.