Was haben London, Freiburg und Giesing gemeinsam?
Warum Nagelsmann häufig aneckt
Aus allen Orten drangen in den vergangenen Wochen und Monaten Worte der Entrüstung nach außen in Richtung des FC Bayern. Genauer gesagt: an die Adresse von Julian Nagelsmann.
Der 35-Jährige, der gerade erst seine erste Saison als Trainer des deutschen Rekordmeisters hinter sich hat, hat sich in dieser Zeit schon bemerkenswert viele Rüffel eingefangen.
Stören tut ihn das aber offensichtlich nicht. Denn auch in dieser Sommerpause hat sich Nagelsmann schon wieder so weit aus dem Fenster gelehnt, dass er nun selbst von seinem Chef zurückgepfiffen werden musste.
Auslöser waren Nagelsmanns ehrliche, aber eben nicht sehr diplomatische Worte zum Wechsel von Stürmerstar Robert Lewandowski zum FC Barcelona.
Angesichts der hohen Schulden der Katalanen hatte der Bayern-Coach gesagt: „Barca ist der einzige Klub, der Spieler kaufen kann, ohne Geld zu haben. Das ist wirklich verrückt.“ (NEWS: Alle aktuellen Infos zur Bundesliga)
Kahn über Nagelsmann: „Ein bisschen zurückhaltend sein“
Die Retourkutsche kam diesmal aber nicht etwa von den Verantwortlichen des kritisierten Klubs, sondern von seinem eigenen Boss.
Vorstandschef Oliver Kahn geht nach eigenen Worten zwar auch davon aus, „dass Barca nicht wenige Schulden angehäuft hat“, gab aber auch zu bedenken: „Die einzigen, die das Zahlenwerk kennen, sind im Verein selbst. Da muss man ein bisschen zurückhaltend sein, wenn man sich mit dem Thema auseinandersetzt.“
Zurückhaltung aber gehört offensichtlich nicht zu den ausgeprägtesten Eigenschaften von Nagelsmann.
Das bewies er erst Ende vergangener Woche wieder, als er sehr offen und ausführlich über die Situation eines Spielers sprach, der gar nicht Teil seiner Mannschaft ist, sondern zumindest derzeit noch bei einem anderen europäischen Klub spielt.
Die Rede ist von Harry Kane, der nach SPORT1-Informationen bei den Bayern als eine von mehreren Optionen für die Zeit nach der anstehenden Saison gehandelt wird.
„Er ist sehr teuer. Das ist das Problem“, sagte Nagelsmann am Freitag vergangener Woche während der Testspielreise der Münchner in den USA. „Er ist ein brillanter Spieler, einer der besten Stürmer. Es wäre möglich, dass er in der Bundesliga viele Tore schießt. Aber ich kenne nicht den Preis.“
Wegen Kane: Heftige Kritik der Spurs an Nagelsmann
Eine so detaillierte Äußerung zu einem fremden Spieler ist nicht alltäglich in der Branche und rief prompt entsprechende Reaktionen hervor.
„Wenn ich etwas tun will, spreche ich mit dem Klub und nicht mit den Medien. Das ist vielleicht ein wenig respektlos dem anderen Klub gegenüber“, echauffierte sich Antonio Conte, der Kane bei Tottenham Hotspur trainiert. (ÜBERSICHT: Die fixen Transfers aller Bundesliga-Klubs)
Noch deutlicher wurde der ehemalige Spurs-Spieler Jamie O‘Hara. „Ich kann Trainer, die das machen, nicht ausstehen. Kümmere dich um deine eigenen Angelegenheiten“, redete der sich bei talkSPORT in Rage.
Abgesehen davon, dass Nagelsmann auch hier öffentlich das heikle Thema Geld angesprochen hat, zielen die Reaktionen aus London auf einen weiteren Kritikpunkt an Nagelsmann: Seine teils unbedachten Äußerungen zeugten von mangelndem Respekt.
Villarreal-Profi klagt an: „Respektlos“
„Respektlos“ nannte auch Villarreals Mittelfeldspieler Dani Parejo Nagelsmanns angebliche Aussage, wonach er das Viertelfinal-Duell in der Champions League schon nach dem Hinspiel entscheiden wolle.
Diese Aussage des Bayern-Trainers konnte allerdings nicht verifiziert werden. (DATEN: Spielplan der Bundesliga)
Anders die Faktenlage im Fall des Freiburger Einspruchs gegen die Wertung des Spiels in der Bundesliga-Rückrunde. Beim 4:1-Sieg der Bayern unterlief ihnen ein Wechselfehler, woraufhin sich die Freiburger letztendlich zu einem offiziellen Protest gezwungen sahen.
Nagelsmann hatte daraufhin sein Unverständnis geäußert und gesagt: „Ich kann nicht verstehen, warum Freiburg das macht - ich hätte es nicht gemacht. Freiburg hätte in diesen 18 Sekunden keine zwei Tore geschossen.“
Streich über Nagelsmann-Aussagen: „Ein Unding“
Dies wiederum brachte Sportclub-Trainer Christian Streich auf die Palme, der den Schritt seines Vereins in diesem Präzedenzfall mit dem Wunsch nach Rechtssicherheit begründete.
Dass Freiburg dafür kritisiert werde, sei „ein absolutes Unding. Das haben wir sehr genau vernommen“, tobte Streich.
Doch Nagelsmann besitzt auch die Größe, sich zu entschuldigen, wenn er einen Fehler einsieht. Das tat er bei den Freiburger Fußballern genauso wie bei den Giesinger Feuerwehrleuten.
Die mussten bekanntlich bei einem Appell des Coaches an seine Spieler im April als Vergleichswert zum gnadenlosen Fußballgeschäft herhalten.
Nagelsmann: „Sind nicht bei der Freiwilligen Feuerwehr“
„Wir sind ja nicht ehrenamtlich unterwegs. Wir haben Bock zu haben! Wir sind nicht bei der Freiwilligen Feuerwehr Südgiesing, sondern beim FC Bayern München“, hatte er gesagt – und sich dafür auch wieder entschuldigt.
Sein Gang führte ihn damals nicht nach Canossa, sondern in die Feuerwache 4 des Münchner Stadtteils Schwabing.
Auch wenn sich die umstrittenen Äußerungen zuletzt häuften: Dass dahinter ein Plan steckt, ist unwahrscheinlich. Dafür waren die Anlässe und die Adressaten zu unterschiedlich.
Es liegt wohl eher daran, dass Nagelsmann - auch öffentlich - seine Meinung offen sagt, wenn man ihn schon fragt.
Und so dürfte es nur eine Frage der Zeit sein, bis der Trainer des FC Bayern das nächste Mal irgendwo aneckt.