Das ist eine Zäsur im deutschen Fußball!
Insider: So tickt neuer Hertha-Boss
Mit Kay Bernstein wurde am vergangenen Sonntag auf der außerordentlichen Mitgliederversammlung von Hertha BSC erstmals ein ehemaliger Ultra zum neuen Präsidenten der Berliner gewählt.
Der 41-Jährige war früher Vorsänger in der Kurve im Olympiastadion und wurde damals auch mal mit einem Stadionverbot belegt. Bernstein hatte einst die Ultra-Formation Harlekins gegründet. Mittlerweile besitzt er in Berlin eine Kommunikations- und Event-Agentur. (DATEN: Die Tabelle der Bundesliga)
Seine Wahl zum Boss der Alten Dame ist definitiv ein Novum in der Hauptstadt. Bernstein erhielt bei der Wahl von 3040 stimmberechtigten Mitgliedern 1670 Stimmen, setzte sich damit gegen seinen schärfsten Rivalen, den CDU-Politiker Frank Steffel (1280 Ja-Stimmen), sowie Außenseiter Marvin Brumme (26 Ja-Stimmen) durch. Insgesamt wurden 3016 Stimmzettel abgegeben.
Reporter-Legende: Darum hat Bernstein gewonnen
„Bernstein hat die Wahl eindeutig gewonnen und konnte durch Emotionen und klare Aussagen die Mitglieder überzeugen“, sagt Michael Jahn zu SPORT1.
Der 70-Jährige schrieb 24 Jahre als Hertha-Reporter für die Berliner Zeitung über den Verein und hat acht Bücher über die Alte Dame veröffentlicht. Seit 2014 ist er freier Mitarbeiter der Zeitung und schreibt wöchentlich eine Kolumne über die Hertha. In 14 Tagen erscheint zum 130. Geburtstag der Hertha ein neues Buch von ihm: „Hertha BSC - die 100 wichtigsten Spiele“ (Arete-Verlag).
„Ich finde es gut, weil es an der Zeit ist, dass da ein frischer Wind reinkommt. Herr Gegenbauer hat viel Gutes gemacht, aber in den vergangenen Jahren kam es unter ihm zu einem gewissen Stillstand“, meint SPORT1-Experte Maik Franz, der von 2011 bis 2014 für die Berliner spielte. „Ich befürworte es, dass da ein Schnitt gemacht wurde und sich neue Leute beweisen können. Die Hertha hat ein großes Potenzial und das birgt auch Risiken aufgrund der Drucksituation.“
Bernstein habe „eine spannende Vita“, findet Franz. „Er hat sich von unten nach oben gekämpft. Er hat ein erfolgreiches Unternehmen und ist nicht zwingend abhängig von seinem Posten bei der Hertha. Er will da etwas bewegen. Es warten viele Herausforderungen auf ihn. Ich traue ihm das Amt absolut zu.“ (DATEN: Ergebnisse und Spielplan der Bundesliga)
Jahn: „Er hat im Vorfeld der Wahl nicht taktiert“
Was sprach für Bernstein, was macht den neuen Hertha-Boss aus? „Er hat im Vorfeld der Wahl nicht taktiert und eine große Zahl an Mitstreitern gewonnen, die seine Kandidatur unterstützt haben“, erklärt Jahn. Steffel dagegen habe in der Woche vor der Wahl versucht, Allianzen zu schmieden, „was ihm auf die Füße gefallen ist“.
Alles sei „absolut demokratisch“ abgelaufen. „Natürlich war die eindeutige Wahl im ersten Moment eine Überraschung - auch für mich. Die Stimmung im Saal mit 3.000 Mitgliedern (Rekord für eine Hertha-Wahlversammlung, d. Red.) war ja lange Zeit geteilt und nicht eindeutig zu beurteilen.“ (ÜBERSICHT: Die fixen Transfers aller Bundesliga-Klubs)
Jahn glaubt, dass diese Personalie an der Spitze des Hauptstadtklubs eine Art Zäsur werden könnte. „Alle werden nun auf die Hertha schauen, es gibt ja nicht so viele ehemalige Ultras, die in die Verantwortung gehen wollen und können.“
Die Zeit als Ultra war eine Episode im Leben von Bernstein, die aber 16 Jahre zurückliegt. Man dürfe ihn nicht ständig darauf reduzieren. „Ich habe auf meinen Stationen in Karlsruhe, Frankfurt und bei der Hertha immer sehr gute Erfahrungen mit der Ultra-Szene gemacht. Sie sind viel besser als sie teilweise dargestellt werden“, betont Franz.
„Ich finde die Entscheidung gut und denke, es wird eine sehr interessante Zeit mit Bernstein an der Spitze“, meint Jahn. Aber entscheidend sei auf dem Platz das, was Geschäftsführer Fredi Bobic und der neue Trainer Sandro Schwarz hinkriegen - flankiert vom Präsidium.
Hertha-Insider: „Er kann Mitstreiter begeistern“
Jahn kennt Bernstein. „Er ist ein sympathischer, sehr offener Typ mit vielen Ideen. Er kann Mitstreiter begeistern und geht mit Leidenschaft voran.“ (NEWS: Alle aktuellen Infos zur Bundesliga)
Er sei „der Gegensatz zu Werner Gegenbauer“. Dieser wollte sich auf SPORT1-Nachfrage nicht zu Bernstein äußern. Jahn ist trotzdem zuversichtlich: „Bernstein wird ein nahbarer Präsident sein, der die Kommunikation verbessern wird und auch ein gutes, offenes Verhältnis zur Presse anstreben wird. Davon gehe ich aus.“
Bernstein will die Hertha grundlegend verändern. Was erwartet Jahn von dem neuen Präsidenten? „Er muss sich kompetente Mitstreiter suchen und zusammen mit Bobic einen starken neuen Finanzchef finden, weil Ingo Schiller im Oktober Hertha verlässt.“
Und weiter: „Er wird mehr Transparenz in alle Entscheidungen bringen, die Mitglieder und die Kurve mitnehmen. Die Fans hatten ja zuletzt zunehmend Probleme mit der Klubführung.“
Jahn: „Hertha kam lange Zeit arrogant daher“
Bernstein werde versuchen, die Hertha wieder „bodenständiger und nahbarer zu machen, greifbarer für die Berliner“, etwa auch durch Aktionen wie einst das Kiez-Training, wo er in diversen Berliner Stadtteilen öffentliche Trainingseinheiten und Autogrammstunden der Profis organisierte. „Hertha kam lange Zeit arrogant daher“, findet Jahn, „das wird er abbauen“.
Und Bernstein müsse und werde das Verhältnis zu Investor Lars Windhorst verbessern. „Natürlich ist fast alles neu für ihn in dieser Funktion, also braucht er fähige Mitstreiter auf allen Gebieten. Sonst wird es schwer. Er muss nun sicherlich einige Hürden überwinden, da natürlich nicht alle seinen Kurs vorbehaltlos unterstützen.“
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Es werde spannend sein zu sehen, „ob Kay seinen Weg gehen wird. Er ist ein ehrlicher, vertrauensvoller Typ, darf sich aber nicht instrumentalisieren lassen. Er wird auch hier und da Kompromisse schließen müssen“, resümiert Franz. „Kay kann die Fan-Szene bei der Hertha wieder mobilisieren und neue Energie entstehen lassen. Die Fans freuen sich auf ihn und das ist ein positives Gefühl.“ (NEWS: Alles zum Transfermarkt im SPORT1-Transferticker)