Was wird aus Robert Lewandowski? In München hat der Ausnahmestürmer noch Vertrag bis 2023, will trotz mehrfacher Wechselverbote der Bayern-Bosse aber weiterhin weg.
Lewandowski-Insider packt aus
Das Wunschziel des Polen soll eindeutig der FC Barcelona sein. Doch was bewegt Lewandowski, wie tickt der Pole und was bedeutet das Theater für seinen Ruf?
Bei SPORT1 erklärt Lewandowskis Biograf, der polnische Sportjournalist Pawel Wilkowicz, wieso er den Wunsch des Bayern-Torjägers nachvollziehen kann und warum England für den Stürmer nicht infrage kommt.
Lewandowski „will Brücken hinter sich nicht abbrechen“
SPORT1: Herr Wilkowicz, wie schätzen Sie die Situation um Lewandowski ein?
Wilkowicz: Lewandowski will gehen, weil ich glaube, dass er in München alles ausgeschöpft hat. Ihn hält dort nichts und niemand mehr. Damit will ich nicht sagen, dass er dort alle nicht mag. Aber es ist bekannt, wie wichtig für Robert Personen wie Uli Hoeneß oder Hansi Flick waren. Trotzdem rechnet er auch wohl damit, dass er bleiben könnte, also will er die Brücken hinter sich nicht abbrechen.
SPORT1: Wie beurteilen Sie denn Bayerns “Basta“? Ist das die richtige Entscheidung?
Wilkowicz: Im Frühling 2018 wollte sich Pini Zahavi treffen, um über einen Lewandowski-Abgang zu verhandeln. Zwar hat Robert damals wenig gesagt, aber das war so ein Moment, in dem er nicht so gut mit der Mannschaft harmoniert hat und die Fans von ihm genervt waren. Er war unzufrieden, deutete an, dass sich Real vielleicht nicht wiederholen würde und glaubte, dass es nicht mehr besser werden würde. Dann kam jedoch Niko Kovac in München an und hat die Beziehung zu Lewandowski erwärmt. Kovac hat ihn zum dritten Kapitän ernannt und ihm aufgezeigt, dass er fest mit ihm planen würde. Ich glaube, dass nachträglich keiner der Beteiligten bereute, dass der Wechsel nicht zustande kam. Vielleicht hat jetzt so ein Niko Kovac gefehlt.
„Bayern-Führung hat Robert im Ungewissen gelassen“
SPORT1: Was lief jetzt falsch?
Wilkowicz: Diesmal hat die Führungsetage Robert im Ungewissen gelassen. Natürlich verstehe ich ihr Handeln, wenn ich mich in die Bayern-Perspektive versetze. Salihamidzic und Kahn schätzen Lewandowskis Errungenschaften bestimmt, aber sie denken auch in der Zukunft. Sie wissen, wie alt Robert ist und mussten mit Erling Haaland sprechen. Ich glaube außerdem, dass das Verhältnis zwischen Lewandowski und Salihamidzic nie sonderlich warm war, um das vorsichtig auszudrücken.
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SPORT1: In den letzten Wochen hat Lewandowski oft mit kontroversen Aussagen für Schlagzeilen gesorgt. Was halten Sie davon? War das seine Idee oder die von Zahavi?
Wilkowicz: Die Pressekonferenz bei der polnischen Nationalmannschaft war eigentlich eine Wiederholung der vorherigen Aussagen mit anderen Worten. Ich finde nicht, dass irgendwo eine Aussage fiel, die eine Rückkehr nach München unmöglich machen würde. Es gab einfach nur viele von diesen Interviews. Sein stärkster Satz war wohl der, als er gefragt hat, wer noch an die Isar wechseln würde, mit dem Wissen, dass ihm so etwas wie Lewandowski passieren könnte. (ÜBERSICHT: Die fixen Transfers aller Bundesliga-Klubs)
SPORT1: Hierzulande leidet langsam Lewandowskis Ruf unter dem Wechseltheater. Wie ist das in Polen?
Wilkowicz: Ich würde nicht sagen, dass auf seiner Personalie ein Riss entsteht. Ich bekomme ein Verständnis für beide Seiten mit. Die Meinungen sind etwas gespalten, wobei die Mehrheit aufgrund seiner Verdienste für den Klub auf Roberts Seite steht.
Streik? „Nicht auf das Niveau von Dembélé herablassen“
SPORT1: Immer wieder ist von einem Streik die Rede. Halten Sie das in dem Fall für möglich?
Wilkowicz: Unterbewusst schließe ich diese Option aus. Ich kann mir einen streikenden Robert nicht vorstellen, weil ich glaube, dass für ihn wichtig ist, dass er von sich behaupten kann, richtig gehandelt zu haben. Er hat bisher die richtigen Entscheidungen getroffen. Beide Seiten verdanken sich gegenseitig viel, es macht keinen Sinn, das mit sowas zu zerstören. Ich kann mir nicht vorstellen, dass er sich auf das Niveau von Dembélé herablassen wollen würde. Die beiden waren nie auf einem Niveau, wenn es darum geht, also wieso das jetzt so einfach aufgeben?
SPORT1: Angenommen, er würde doch keine Freigabe erhalten: Wie stellen Sie sich einen möglichen Lewy-Verbleib in München vor?
Wilkowicz: Der FC Bayern weiß auch, dass alle irgendwie miteinander aushalten werden. Robert wird mit Sicherheit auch nicht absichtlich aufhören zu treffen, weil er gehalten wurde. Er befindet sich auf so einer Ebene, auf der er sein Denkmal poliert und sich keine Saison mit 20 Toren erlauben darf. Wenn er also zurückkehren sollte, wird er weiterhin treffen. Ich kann Oliver Kahn verstehen. Er weiß, dass er Lewandowski bedenkenlos halten kann. Wen würden sie holen, der ihnen die Tore garantieren würde?
Mané? „Er hat es neben Robben geschafft ...“
SPORT1: Mit Sadio Mané haben die Bayern einen Weltstar verpflichtet. Welche Rolle spielt das für Lewandowski, der offenbar gerne im Mittelpunkt steht?
Wilkowicz: Er hat es neben Arjen Robben geschafft, also würde er es auch neben Mané schaffen. Vor allem, weil der Senegalese, im positiven Sinne des Wortes, weniger egoistisch auf dem Feld ist. Würde Mo Salah nach München wechseln, würde ich mir eher Sorgen machen, aber bei Mané nicht. (NEWS: Alle aktuellen Infos zur Bundesliga)
SPORT1: Im Jahr 2013 wollte Lewandowski auch wechseln, damals vom BVB nach München. Was ist dieses Mal anders?
Wilkowicz: Das Verhalten ist gleich, bloß redet jetzt Lewandowski selbst und nicht der Berater. Ein Unterschied ist, dass Robert damals klar war, dass er früher oder später nach München wechseln würde, während ich mir hier nicht so sicher wäre, ob ein Barcelona-Wechsel nur eine Frage der Zeit ist. Nach der Entscheidung war die Lage damals insofern anders, als Lewandowski seinen Verbleib mit einer ordentlichen Gehaltserhöhung versüßt bekommen hat, was in München nicht mehr möglich wäre. Im Gegenzug hat Robert seinen Ärger vergessen und krönte seinen bestmöglichen Abschied mit der Torjägerkanone. Außerdem hört er jetzt die Uhr ticken und spürt, dass sich die Gelegenheit, ein polnischer Barcelona-Spieler zu werden nicht so schnell wiederholen könnte.
SPORT1: Zuletzt sagte sein Ex-Berater Cezary Kucharski, dass Robert Angst vor einem England-Transfer gehabt hätte. Hatten Sie auch diesen Eindruck?
Wilkowicz: Es war immer klar, dass Manchester als Stadt nicht infrage kommt. Abgesehen davon, dass er das sowieso nicht zugeben würde, bezweifele ich, dass sich Robert damals hätte fürchten müssen, in England unterzugehen. Jetzt muss man auch die Stadt bedenken, also wo er lieber seine Zukunft verbringen würde. Hinzu kommt, dass es auf der Insel aktuell kein reizvolles Abenteuer gibt.
„Mourinho hat mit Robert gesprochen“
SPORT1: Die Gerüchte bezüglich eines Spanien-Wechsels gibt es schon seit Jahren. Was haben Sie damals davon mitbekommen?
Wilkowicz: 2018 gab es auf jeden Fall Versuche, Bayern zu verlassen, aber die wollten mit Zahavi gar nicht erst nicht sprechen. Klar, Real war im Rennen, aber Chelsea auch. José Mourinho hat mit Robert gesprochen, um ihn von einem Transfer an die Stamford Bridge zu überzeugen. Ich glaube, dass es sogar mehr Konkretes aus London als aus Madrid gab. Mit Real war es hingegen ähnlich wie jetzt mit Barcelona: Wenn sich Lewandowski aus Bayern rausreißen würde, gerne - aber selbst eingreifen möchte man nicht, um die Beziehung nicht kaputtzumachen.
„... dann hätte sich Lewandowski diesmal verzockt“
SPORT1: Würde Lewandowski Ihrer Meinung nach gut in Spanien zurechtkommen?
Wilkowicz: Die Liga gilt als eine, die für Stürmer etwas einfacher ist, aber das ist reines Philosophieren. Ob Robert in Barcelona funktionieren würde, hängt weniger von der Liga und eher von seinen Mitspielern und dem Spielstil der Mannschaft ab. So wird es eine große Rolle spielen, wer ihm den Ball zuspielen wird, wie und woher und ob sein Sturmpartner torhungriger sein wird, als er sollte.
SPORT1: Was würden Sie ihm jetzt raten?
Wilkowicz: Ich kann nachvollziehen, dass etwas ausgeschöpft wurde und er wechseln möchte. Falls ihm ein Abgang nicht gelingen sollte, hätte Lewandowski sich diesmal verzockt. Dafür könnte er nächstes Jahr problemlos gehen. Unlängst hat Karl-Heinz Rummenigge gesagt, dass das sogar ziemlich fair wäre. Er kam ablösefrei und würde auch ablösefrei gehen.