Mehr Identifikation, mehr Mentalität, mehr Konstanz - bei Borussia Dortmund soll sich zur neuen Saison 2022/23 vieles ändern. Der bisherige Lizenzspielerchef Sebastian Kehl hat für Michael Zorc übernommen und ist ab 1. Juli auch ganz offiziell Sportdirektor des BVB.
Wie Kehl den BVB umbaut
Der langjährige BVB-Kapitän hat in den letzten Monaten mit Unterstützung von BVB-Boss Hans-Joachim Watzke und Zorc den zwingend nötigen Umbruch eingeleitet.
SPORT1 zeigt, wie Kehl den BVB in Windeseile auf links gedreht hat:
Trainerteam: Von Marco Rose und den Assistenten René Maric und Alexander Zickler hat man sich nach einer enttäuschenden Saison mit frühen Knockouts in Champions League (Gruppenphase), Europa League (Playoffs) und DFB-Pokal (Achtelfinale) getrennt. Dafür holten die BVB-Bosse Edin Terzic zurück.
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Die Wahl der Assistenztrainer fiel auf Sebastian Geppert und Peter Hermann. Letzterer kam auch auf Wunsch von Terzic. Das 70 Jahre alte Co-Trainer-Urgestein arbeitete unter anderem schon für Schalke, Bayern und Leverkusen und soll dem jungen Trainer-Duo mit seiner Erfahrung helfen. (NEWS: Alle aktuellen Infos zur Bundesliga)
Die Weichen wurden zudem für eine weitere gemeinsame Zukunft mit Otto Addo gestellt: Der Vertrag mit dem Spezialtrainer wird um drei weitere Jahre bis 2025 verlängert. Als Coach der Top-Talente hat Addo unter anderem erfolgreich mit Giovanni Reyna, Jude Bellingham, Youssoufa Moukoko und den Newcomern Tom Rothe, Lion Semic und Jamie Bynoe-Gittens gearbeitet.
Kehl hat schon sechs Neuzugänge präsentiert
Profi-Mannschaft: Erling Haaland ist zu Manchester City gewechselt, dafür wurde Sébastien Haller aus Amsterdam geholt. Die wichtige Baustelle im Sturmzentrum wurde mit einem echten Vollstrecker (47 Tore in 65 Spielen für Ajax) geschlossen. (ÜBERSICHT: Die fixen Transfers aller Bundesliga-Klubs)
Früh hat Kehl zudem die Transfers von Niklas Süle (ablösefrei von Bayern), Nico Schlotterbeck (Freiburg), Karim Adeyemi (Salzburg), Salih Özcan (Köln) und Ersatzkeeper Alexander Meyer (Regensburg) abgewickelt. Die Mannschaft steht damit pünktlich zum Trainingsstart. Terzic kann sich also mit seiner neuen Truppe einspielen und im Schweiz-Trainingslager (15. bis 23. Juli) in die Feinarbeit gehen.
Bei den Neuzugängen hat Kehl bewusst auf Spieler geachtet, die „brennen und sich für den BVB zerreißen“. Der 42-Jährige will „hier lauter Jungs haben, die aber mal so richtig Bock auf diesen Verein haben.“ Die Zeit, in denen Spieler nur wegen der Kohle nach Dortmund kamen, soll vorbei sein.
Die U19-Talente Rothe, Semic und Bynoe-Gittens sollen in dieser Saison den Durchbruch schaffen und die Fans begeistern.
Der Personal-Umbruch im Profi-Kader ist damit weitestgehend abgeschlossen. Auf der Zugangsseite soll nicht mehr viel passieren, nun muss Kehl zeigen, dass er auch verkaufen kann. Manuel Akanji (will weg) und Nico Schulz (soll weg) müssen zwingend verkauft werden.
Konsequenz der vielen Muskelverletzungen
Athletik- und Physioteam: Auf mehr als 2000 Ausfalltage kam der BVB-Kader in der vergangenen Spielzeit. Besonders schlimm: Die vielen Muskelverletzungen. Kehl hat intern die Gründe dafür aufgearbeitet und Konsequenzen gezogen. Der langjährige Physiotherapeut Thomas Zetzmann (seit 2010) sowie Olaf Wehmer und Athletik-Coach Patrick Eibenberger (gehörte zum Stab von Marco Rose) mussten gehen.
Wie SPORT1 erfuhr, wurde im Winter bereits mit Bjarne Bürgel ein neuer Physio geholt. Der gebürtige Bayer (aus Donaustauf) arbeitete zuvor für verschiedene DFB-U-Nationalmannschaften sowie das Eishockey-Team der Eisbären Regensburg. Neu im Physio-Team sind zudem Frank Zöllner, der vom VfL Bochum zum BVB zurückgekehrt ist, sowie Michael Becker. Letzterer war acht Jahre lang bei Hertha BSC tätig und ist diplomierter Osteopath. Der Alternativ-Mediziner soll die Schmerzen der Profis bekämpfen. (DATEN: Ergebnisse und Spielplan der Bundesliga)
Als „Head of Performance“ (Chef der Athletik-Trainer) übernimmt Shad Forsythe. Der 49-Jährige gilt in der Szene als absoluter Fachmann und wird von vielen Experten als heimlicher „Königstransfer“ gewertet. Forsythe ist hierzulande längst kein Unbekannter mehr, kommt vom FC Arsenal und arbeitete davor für die deutsche Fußball-Nationalmannschaft (2004 bis 2014). Kehl kennt den Fitnesscoach, der im Übrigen auch Deutsch spricht, aus seiner gemeinsamen Zeit bei der Nationalmannschaft. Der US-Amerikaner wirkte beim deutschen WM-Triumph 2014 mit.
Terzic-Nachfolge noch unklar
Scouting: Mit der Verpflichtung von Laurent Busser hat Kehl einen weiteren Coup gelandet. Der Franzose kommt vom FC Bayern und verstärkt ab 1. Juli die Scouting-Abteilung des BVB. Der 52-Jährige kennt sich vor allem auf dem französischen Markt bestens aus und galt als enger Vertrauter von Bayern-Kaderplaner Marco Neppe. Busser arbeitet künftig an der Seite von Chefscout Markus Pilawa, der allerdings von manchen Vereinen für den Posten als Sportchef umworben wird. Bei einem möglichen Abgang Pilawas hätte man mit Busser vorgesorgt.
Technischer Direktor: Wieder-Trainer Terzic arbeitete zuvor als Technischer Direktor. Ein Posten, der extra für ihn geschaffen wurde. Noch unklar, ob es diese Schnittstelle zwischen Profis und Nachwuchs auch in Zukunft geben wird. Die Leitung der Lizenzspieler-Abteilung, die bis zuletzt Kehl innehatte, ist zudem auch noch vakant. Es wird intern angedacht, dass das Team perspektivisch erweitert wird. Kehl hat bereits gewisse Überlegungen, wird sich mit der Entscheidung aber noch Zeit lassen.
Daniel Beiderbeck, der zuvor sechs Jahre lang bei der Unternehmensberatung McKinsey war, hat bereits als persönlicher Referent des Sportdirektors und als „Head of Projects and Development“ übernommen. Der 33-Jährige nimmt Kehl Arbeit im operativen Geschäft ab, betreut Projekte und besetzt Schnittstellen-Positionen. (DATEN: Die Tabelle der Bundesliga)
Der XXL-Umbruch beim BVB - in Rekordzeit haben Kehl und Co. die Borussia auf links gedreht.