In den letzten Sekunden musste Kevin-Prince Boateng zuschauen und zerriss fast seine Trainingsjacke, während er seine Teamkollegen mit weit aufgerissenem Mund anpeitschte.
Boateng stellte Hertha auf
Wenig später brachen die Emotionen aus dem Star heraus und er ließ sich auf den Rasen fallen. Da stand nach dem 2:0 (1:0) von Hertha BSC im Relegations-Rückspiel beim HSV die Rettung fest. (NEWS: Alle aktuellen Infos zur Bundesliga)
„Ich bin erstmal zusammengesackt. Ich war kaputt und habe alles rausgehauen“, beschrieb Boateng bei Sky.
Boateng stellt Hertha BSC auf
Ihm kam eine besondere Rolle zu. Immerhin drohte, dass der Mann, dessen Vertrag am 30. Juni ausläuft, seinen Jugendverein mit einem Abstieg verlassen muss.
Vor der Saison kam der 35-Jährige vom AC Monza in die Hauptstadt und kam aufgrund von Verletzungen gar nicht in Tritt. In 18 Partien gelangen dem Spielmacher kein Treffer und kein Assist.
„Totgesagte leben länger. Das gilt auch für mich. Die ganze Saison haben Menschen mich totgesagt und gemeint, ich habe es nicht mehr drauf und kann nichts mehr“, betonte der Routinier bei Sky. (DATEN: Ergebnisse und Spielplan der Bundesliga)
Boateng wurde in der Spielzeit immer mehr zur Randfigur. Am 34. Spieltag stand er dann beim BVB nicht einmal im Kader, es wurde ihm ein Kabinen-Zoff mit Trainer Felix Magath nachgesagt.
Doch vor dem Relegations-Rückspiel gab es dann ausgerechnet von Magath die Beförderung zum spielenden Co-Trainer.
„Ich muss dem Trainer sehr viel Respekt zollen. Er hat mir sogar gesagt, dass ich aussuchen kann, wer spielt. Er hat mir freie Hand gelassen. Ich habe mit ihm die bestmögliche Mannschaft aufgestellt“, verriet der Star bei SAT1.
Boateng schwärmt von Magath
Über sein Verhältnis zu Magath sagte er: „Es war von Anfang an klar: Entweder wir knallen komplett gegeneinander oder wir verstehen uns überragend. Wir haben uns sehr, sehr gut verstanden, mit sehr viel Respekt.“ (DATEN: Die Tabelle der Bundesliga)
Magath habe „so viel Feingefühl. Er hat mir heute freie Hand gegeben. Im Sinne von: Such dir aus, mit wem du heute spielen willst. Das zeigt einfach, wie viel Klasse er hat. Dass er den Ur-Berliner, den Wortsprecher der Mannschaft, in so wichtigen Situationen fragt, mit wem kann ich spielen, wem kann ich vertrauen.“
Er habe „ihm ein paar Indizien gegeben. Er hat mit mir zusammen ne Mannschaft aufgestellt, die hungrig war. Und ich habe vor dem Spiel gesagt: Wir müssen Hunger haben.“
Boateng überzeugt gegen den HSV
„Er war der Meinung, dass wir die erfahrenen Leute brauchen. Ich habe auf ihn gehört und so aufgestellt, wie er es gesagt hat. Ich habe genug Co-Trainer, aber ich habe schon vor 20 Jahren auf meine Spieler gehört“, bestätigte Magath wenig später bei SAT1.
Ex-HSV-Keeper René Adler zollte in seiner Rolle als Experte bei Sat1 Respekt: „Boateng hat das Spiel an sich gerissen und gelenkt – der Plan ist aufgegangen“
Boateng stellte sich selbst auch auf und überzeugte. Er war im Mittelfeld mit seiner Zweikampfstärke eine große Stütze und ein emotionaler Leader. Erst in der 89. Minute verließ er das Feld für Vladimir Darida und unterstütze dann von der Bank. So lang hatte er letztmals vor eineinhalb Jahren für Monza in der Serie B gespielt.
„Er hat heute fast 90 Minuten gespielt. Das hat er das letzte Mal wohl vor zehn Jahren. Was er auf dem Platz geleistet hat, wie er vorangegangen ist. Ich habe im letzten Sommer gesagt, er kann Mal ein Faktor werden. Das war er heute dann“, schwärmte Geschäftsführer Fredi Bobic bei SAT1.
Hertha BSC: Bleibt Boateng?
Nun hat Boateng sogar doch noch eine Zukunft bei Hertha vor Augen.
„Na klar habe ich noch Lust. Ich habe immer gesagt, dass ich weiterspielen will, so lange ich noch das Feuer in mir habe. Und ich habe heute gesehen, dass ich doch noch ein wenig mithalten kann. Wir setzen uns in Ruhe zusammen und sehen dann, was passiert“, meinte der spielende Co-Trainer bei SAT1.
Die angesprochene Ruhe sei nun ohnehin wichtig: „Ich brauche drei, vier Tage, um mich zu erholen und auch es ein bisschen zu feiern.“ Doch die Nacht werde „nicht lang. Die Partymaus Prince Boateng ist vorbei. Ich trinke vielleicht ein, zwei Bier und dann freue ich mich, dass ich nach Hause kann.“