Seit Dienstag ist der Wechsel von Karim Adeyemi zu Borussia Dortmund fix. Einer, der sich auch darüber freuen kann, ist Manfred Schwabl, der Präsident der Spielvereinigung Unterhaching.
Das sagt Adeyemis Ziehvater
Sechs Jahre lang bildete der Münchner Vorstadtklub Adeyemi aus, ehe der Stürmer 2019 zu Red Bull Salzburg wechselte. Weil der 20-Jährige jetzt zum BVB weiterzieht, kassieren die Hachinger erneut. Und das nicht zu knapp. Rund sieben Millionen Euro fließen in die Kasse. Kein Wunder, dass Schwabl beim Interview mit SPORT1 gut gelaunt ist. Auch deshalb, weil Vater Adeyemi, der mit seiner Frau in Haching wohnt, plötzlich vorbeischaut. Er war bei der Vertragsunterschrift seines Sohnes mit dabei.
SPORT1: Herr Schwabl, was machen Sie mit rund sieben Millionen Euro?
Manfred Schwabl: Jetzt kaufen wir Thomas Müller. Der passt nach Haching (lacht). Nein im Ernst: Von der Größenordnung her konnte man davon ausgehen, da hat uns Salzburg schon immer auf dem Laufenden gehalten. Das ist schon ein einschneidendes Erlebnis für uns, weil es eine Summe ist, die für so einen kleinen Verein wie uns außergewöhnlich ist. Jetzt dürfen wir bloß keine verrückten Dinge machen. Das wird die hohe Kunst sein.
SPORT1: Aber diese Gefahr besteht bei Ihnen ja nicht…
Schwabl: Das stimmt. Wenn du jahrelang um wirtschaftliche Themen kämpfst in der 3. Liga oder aktuell in der Regionalliga, dann weißt du, was da Sache ist. Das ist eigentlich nicht stemmbar, vor allem, wenn viel in den Nachwuchsbereich investiert wird. Es war am Dienstag ein schöner Tag, als Karim beim BVB unterschrieben hat, aber jetzt müssen wir das Hirn einschalten und die richtigen Dinge machen.
„Wir wollen die wirtschaftliche Stabilität herstellen“
SPORT1: Was machen Sie mit dem Geld?
Schwabl: (schmunzelt) Der erste Reflex ist, dass wir viel davon in die erste Mannschaft stecken, aber wir werden fast gar nichts in das Team von Sandro (Sandro Wagner, d. Red.) investieren, weil der Kader steht. Die erste Mannschaft ist auf einem guten Weg, auch wenn es am Dienstag in Fürth leider einen kleinen Rückschlag gab (0:2-Niederlage, d. Red.). Es wird ein Mix werden. Wir wollen die wirtschaftliche Stabilität herstellen, die Bilanz ausgleichen, Rückstände zahlen und die Infrastruktur weiter ausbauen, um noch nachhaltiger arbeiten zu können.
SPORT1: Und sicher auch das Nachwuchsleistungszentrum, oder?
Schwabl: Ganz genau, denn da kommt der Ertrag ja her durch Karim, der einst bei uns im NLZ das Kicken lernte. Von dort wechselte er nach Salzburg. Das ist ja das Spannende an der Geschichte. Ein Zeichen ist sicherlich auch Daniel Bierofka, der die U17 übernehmen wird. Wir wollen weiter ernsthaft den Nachwuchs aufbauen. Und ich hoffe, dass Karim keine Eintagsfliege war. Das ist unser Ziel. Wir hoffen auf weitere Adeyemis in Haching. Der Nächste steht schon in den Startlöchern mit Maurice Krattenmacher, hinter dem auch schon viele Vereine her sind. Er hat aber einen gültigen Vertrag bis 2025, da kann ich mich also entspannt zurücklehnen. Wer rumjammert, dass er kein Geld hat, muss bei mir erst gar nicht anrufen.
Manni Schwabl: „Da geht mir das Herz auf“
SPORT1: Sie sind schon sehr stolz über den Deal mit Adeyemi.
Schwabl: Natürlich. Als die Meldung vom Vollzug kam, sind in meinem Kopf im Sekundentakt alle einschneidenden Erlebnisse mit Karim umhergeschwirrt. Ich kenne den Jungen ja schon lange. Das fing an von der Pizza am ersten Tag bei uns, dann hat er uns mit zehn Jahren beim Merkur-Cup zum Sieg geschossen und natürlich die ganzen schulischen Themen mit dem Burschen. Da kommen auch meine grauen Haare her. Und der erste große Schritt war dann der Wechsel nach Liefering in Österreich. Da haben mich viele gefragt, warum Karim in die zweite Liga geht, aber es war der richtige Schritt.
SPORT1: Ist der BVB jetzt auch der richtige Schritt?
Schwabl: Absolut. Nicht den übernächsten vor dem nächsten zu machen. Auf lange Sicht ist Karim ein Spieler für die Premier League. Doch jetzt mit Blick auf die EM 2024 ist der BVB die perfekte Wahl. Ich habe Karim immer geraten, langsame Schritte zu gehen, das war jetzt Leipzig oder Dortmund. Man sieht ja, dass Haaland den gleichen Weg gegangen ist. Vom Typ her passt Karim perfekt in den Ruhrpott mit seinen enthusiastischen Fans. Das ist eine wunderbare Geschichte. Weil Karim neben dem sportlichen Erfolg auch auf dem Boden geblieben ist. Er kommt aus einem ganz tollen Elternhaus.
SPORT1: Wie zeigt sich das?
Schwabl: Ich habe mir zuletzt ein Spiel in Salzburg angeschaut, da wurde er ausgewechselt und dann hat er sich zu den Rollstuhlfahrern gesetzt und mit denen herumgeflachst. Wer macht das in diesem irrsinnigen Fußballgeschäft schon? Da geht mir das Herz auf. Denn ich will ja Botschafter aus Haching haben, die in die große Fußballwelt gehen und nicht nur fußballerisch für positive Schlagzeilen sorgen, sondern auch menschlich begeistern.
„Karim wird in Haalands Schuhe passen“
SPORT1: Ist Adeyemi einer, der nicht vergisst, wo er herkommt?
Schwabl: Ganz sicher. Daran zweifele ich keine Sekunde. Dass er sich in Zukunft auch weiter bei Instagram zeigt oder Wert auf Mode legt, gehört doch auch dazu. Aber Karim weiß, wo seine Wurzeln sind. Seine Eltern wohnen immer noch in Unterhaching und betreuen das Jugendhaus. Ich hoffe, dass sie weiter so gut für unsere Talente sorgen, dass wir bald weitere kleine Adeyemis haben werden.
SPORT1: Sind die Fußstapfen von Erling Haaland nicht zu groß?
Schwabl: Nein. Karim wird in Haalands Schuhe passen. Es sind schon sehr große Fußstapfen, aber bei ihm war es immer so, dass er nach Höheren gestrebt hat. Wir mussten ihn damals schon früh hochschubsen in einen höheren Altersbereich. Er hat mit 15 Jahren bereits bei der ersten Mannschaft in der 3. Liga mittrainiert. Karim braucht die Herausforderungen und hohe Ziele. Und Haalands Nachfolger zu werden ist extrem hoch. Er wird das aber hinkriegen. Beide sind Torjäger und er wird sich nach ein, zwei Jahren daran messen lassen müssen, wie er performt hat.
SPORT1: Hat Sandro Wagner auch kurz den Finger gehoben, damit einige Scheinchen in sein Team investiert werden?
Schwabl: Noch nicht. Er war ja mit den Jungs in Fürth, ich war in Haching, habe mir ein Gläschen gegönnt auf den Deal mit Karim. Da das Spiel verloren wurde, habe ich etwas an Prämie gespart. Wir haben vor der Saison einiges in die Mannschaft gesteckt und inzwischen ist die Truppe von der Entwicklung her gut aufgestellt. Die eine oder andere Neuverpflichtung wird es aber schon geben. Wir suchen Spieler, die nicht nur wegen des Geldes nach Haching wollen. Das weiß Sandro aber.
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Schwabl hält Kontakt zu Adeyemi
SPORT1: Wie war eigentlich Ihr Kontakt zu Adeyemi?
Schwabl: Immer gut, ich habe ihn erst kürzlich in Salzburg getroffen. Da waren wir Sushi essen, obwohl ich gar kein Sushi mag. Aber für Karim habe ich mich diesem kulinarischen Highlight hingegeben.
SPORT1: Stand da schon fest, dass er nach Dortmund wechseln wird?
Schwabl: Ja, das kann ich jetzt schon sagen. Karim hat auch nie ein Hehl daraus gemacht, dass er zum BVB will. Und durch Haalands Wechsel zu ManCity ging es jetzt auch bei Karim sehr schnell. Ich freue mich sehr für ihn.
„Karim ist ein kleiner Bazi“
SPORT1: War er eine Art Ziehsohn für Sie?
Schwabl: Ja, schon. Karim ist ein kleiner Bazi, das war er schon in der Schule. Als er 13, 14 Jahre alt war, hat es auch mal ganz schön geknallt zwischen uns beiden. Ich habe mir das eine oder andere Mal Sorgen gemacht, wenn er die Schule nicht so hinbekam, wie es sein sollte. Aber das hat dann schon gepasst. Karim war immer höflich, nett und zuvorkommend.
SPORT1: Sie haben ihn schon sehr ins Herz geschlossen.
Schwabl: Oh ja. Sein bester Spezl Ben macht seine Lehre bei uns in der Küche und da ist immer die Bodenhaftung da zu Karim. Er ist immer freundlich zu allen. Karims Entwicklung hat schon richtig Spaß gemacht. Dass er die Kiste trifft, wusste ich vom ersten Tag, aber sportlich abliefern und auf dem Boden bleiben das ist doch die geilste Kombination, die es gibt. Der Musiala (Jamal Musiala, d. Red.) ist so ein Typ, der Wirtz (Florian Wirtz, d. Red.) auch, aber in Deutschland gibt es viel zu wenige Jungs wie Karim. Das Image des Fußball-Profis ist leider etwas negativ. Der Fußball lechzt nach Typen wie Karim. Er performt und ist einfach ein lieber Kerl, auf den Punkt gebracht ein angenehmer Schwiegersohn.
SPORT1: Keine Angst, dass er abhebt?
Schwabl: Nein. Wenn ich aber das Gefühl habe, dass Karim die Bodenhaftung verliert, fahre ich nach Dortmund, haue ihm auf den Kopf und fahre wieder heim.