Vom Winter-Verkaufskandidaten zur festen Stütze - Marius Wolf hat in den letzten Monaten eine nicht unbedingt voraussehbare Entwicklung genommen. (NEWS: Alle aktuellen Infos zur Bundesliga)
Wolf: Darum ist Bayern vor uns
Von 13 möglichen Bundesligaspielen hat der Flügelspieler elf bestritten, dabei drei Treffer erzielt und zwei vorgelegt. (DATEN: Ergebnisse und Spielplan der Bundesliga)
„Er ist jemand, der sich immer voll reinknallt, eine tolle Mentalität und dazu eine große Qualität auf dem Platz hat“, lobte Trainer Marco Rose kürzlich. (DATEN: Die Tabelle der Bundesliga)
Wolf: „Kann über Beleidigungen schmunzeln“
Im exklusiven SPORT1-Interview spricht der 26 Jahre alte Wolf über seine schwierige Zeit in Dortmund, Hass-Kommentare im Netz, seine Liebe zum BVB und das Verhältnis zu Rose.
SPORT1: Herr Wolf, „Axt und Axel“, „Brandy zum Wochenende“, „Peter Couch“ - Sie glänzen auf Instagram mit originellen Bildbeschreibungen. Kommen Sie selbst auf diese Ideen?
Marius Wolf: Teils, teils. Manchmal komme ich von alleine drauf, manchmal entsteht das ganz spontan aus Kabinen-Gesprächen mit den Jungs.
SPORT1: Neuerdings liken Sie auf Twitter auch Hass-Kommentare, in denen Sie beleidigt werden. Wieso machen Sie das?
Wolf: Es ist meine persönliche Art, mit dieser teils harten Kritik umzugehen. Ich bin aber jemand, der eher locker an diese Dinge rangeht und mitunter auch über diese Beleidigungen schmunzeln kann.
SPORT1: Gab es schon Reaktionen darauf?
Wolf: Es kommt des Öfteren vor, dass die Leute hinterher dachten: ‚Okay, so blöd wie ich dachte, ist der Wolf offenbar gar nicht‘. Die staunen dann schon, wenn ein Hass-Kommentar von ihnen gelikt wird. Das nimmt die Luft ein bisschen raus. Die Leute kommen dann ins Grübeln und fragen sich, ob das nicht vielleicht doch blöd war.
SPORT1: Sie sind jetzt in Ihrem vierten Jahr beim BVB. Nach Leihen zur Hertha und zum 1. FC Köln ist es der x-te Neuanfang in Dortmund für Sie. Fühlen Sie sich in dieser Saison erstmals so richtig angekommen?
Wolf: Das kann man schon so sagen, ja. Dieses Jahr ist für mich persönlich ein sehr gutes. Ich habe am Anfang der Saison gesagt, dass ich hier bei Null starten will. Im Sommer kam ein neues Trainerteam und demnach auch eine neue Chance für mich. Ich wollte mich reinhauen, mich zeigen, mich anbieten und der Mannschaft helfen.
SPORT1: Klappt bislang ganz gut. Sie haben 31 Pflichtspiele bestritten, davon 16 von Beginn an. Sind Sie selbst überrascht, dass Sie so oft auflaufen dürfen?
Wolf: Im Fußball kann es sehr schnell gehen. Ich kam mit dem Ziel nach Dortmund zurück, so viele Minuten wie möglich zu sammeln. Mit der Saison bin ich daher sehr zufrieden. Ich bin der Meinung: Wenn man hart an sich arbeitet, macht sich das irgendwann auch bezahlt.
Wolf: „Setze mir nur noch kurzfristige Ziele“
SPORT1: Sie sind ein echter Umzugsexperte: Nürnberg, München, Hannover, Frankfurt, Dortmund und zwischendurch noch Berlin und Köln. Wie groß ist der Wunsch, endlich mal länger bei einem Verein zu bleiben?
Wolf: Das wünscht man sich immer. Aber wir kennen alle das verrückte Fußballgeschäft. Du kannst nie etwas planen. Gelassen und geduldig sein - darin bin ich mittlerweile auch Profi. Ich setze mir mittlerweile nur noch sehr kurzfristige Ziele.
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SPORT1: Stimmt es, dass Sie in der Sommer-Vorbereitung bei Roman Bürki gewohnt haben?
Wolf: In meinem ersten Jahr hier in Dortmund habe ich zunächst im alten Haus von Jürgen Klopp gewohnt. Nach der Leihe von Hertha habe ich dann bei Roman gewohnt. Ich wusste ja nicht, wie es für mich weitergeht und wie der Verein mit mir plant. Roman hatte mich in dieser Übergangszeit bei sich aufgenommen.
SPORT1: Roman Bürki wechselt nun in die USA. Eine gute Entscheidung?
Wolf: Roman wollte etwas Neues machen, das ist in seiner Situation völlig klar. Ich bin sehr gut befreundet mit ihm, wir haben natürlich viel gequatscht über seine Situation. Ich hoffe sehr, dass er gesund bleibt und einfach wieder eine geile Zeit hat.
SPORT1: Sie haben als Profi mindestens mal genauso viel durchgemacht wie Bürki. Vor ein paar Wochen haben Sie sogar gebeichtet, dass Sie während Ihrer Zeit bei Hannover 96 ans Aufhören dachten.
Wolf: Das stimmt. Es gab schon Tage, an denen ich nicht gut drauf war, an mir gezweifelt habe und mich gefragt habe, ob das wirklich noch das Richtige ist. Im jungen Alter hat mich ein Bundesligist, Hannover, von einem Zweitligisten, 1860 München, geholt. Und plötzlich spielte ich in der zweiten Mannschaft. Das war schon hart. Zum Glück ist diese Zeit vorbei.
SPORT1: Sie haben in Ihrer jungen Karriere viel erlebt: Relegation mit 1860 und Köln, ein verpasstes Pokalfinale 2017 mit Frankfurt gegen Dortmund, eine Suspendierung in München, den Pokalsieg 2018 mit der Eintracht, drei verschiedene Trainer bei der Hertha in nur einem Jahr - kann Sie eigentlich noch etwas schocken?
Wolf: Puh, schwer! Ich habe echt schon viel erlebt und glaube nicht, dass mich noch irgendwas schocken kann. Mit dem Alter und der Erfahrung bin ich ruhiger und gelassener geworden. Aus diesen Erlebnissen habe ich rückblickend viel gezogen. Ich habe diese Entscheidungen, diese Vereinswechsel, damals alle selbst getroffen. Und ich würde jede genauso wieder machen. Ich stehe zu 100 Prozent dahinter.
SPORT1: Nach dem sensationellen Pokalsieg 2018 mit der Eintracht gegen Bayern klopfte plötzlich der BVB an. Wie war das damals?
Wolf: Ich war als Kind schon BVB-Fan. Als ich vom Interesse aus Dortmund hörte, habe ich sofort zugesagt. Es war schon als Kind immer ein großer Traum für mich, für diesen Verein zu spielen. Ich habe nicht lange gezögert.
SPORT1: Wie kam es, dass Sie als gebürtiger Bayer, der in der Jugend von 1860 groß wurde, BVB-Fan wurden?
Wolf: Gute Frage, denn bei uns in der Familie ist wirklich alles kreuz und quer verteilt. Mein Cousin, der wie ein Bruder für mich ist, hat mir damals ein BVB-Trikot ohne Rückennummer und Name geschenkt. Ich muss sehr jung gewesen sein. Das war mein allererstes Fußballtrikot überhaupt. Zwei Wochen bin ich damit, ohne es zu waschen, durch die Gegend gelaufen.
Wolf: Das war mein Lieblingsspieler
SPORT1: Wer war Ihr Lieblingsspieler beim BVB?
Wolf: Dedé war mein absoluter Lieblingsspieler. Ich hatte auf jedem Trikot danach Dedé. Ich fand ihn total cool, seinen Style, seine lässige Art, wie er gekickt hat. Als Typ war Dedé einfach super. Der hat mich echt inspiriert. Ich hatte das Glück, ihn gleich bei meiner ersten Saisoneröffnung mit dem BVB zu treffen. Das war ein schöner Moment.
SPORT1: Mit Ihrem Wechsel von Frankfurt nach Dortmund haben Sie Ihr Gehalt urplötzlich verfünffacht. Ihr Berater Roger Wittmann hat zu Ihnen gesagt: „Den Vertrag in Dortmund darfst du nie aufgeben, damit finanzierst du dein ganzes Leben!“ Wie denken Sie darüber?
Wolf: Ich habe mein ganzes Leben darum gekämpft, dass ich bei einem Verein wie dem BVB spiele. Ich musste im jungen Alter auf vieles verzichten. Ich bin der Meinung, dass jeder Spieler, der es in die Bundesliga geschafft hat, das auch verdient hat.
SPORT1: Einer Ihrer besten Freunde im Profi-Fußball ist Kevin-Prince Boateng. Welche Bedeutung hat er für Sie gehabt?
Wolf: Wir telefonieren oft und sehen uns auch im Sommer-Urlaub endlich wieder. Der Kontakt ist natürlich geblieben. Er war enorm wichtig für mich. Zu der Zeit in Frankfurt habe ich viel mit ihm unternommen. Es war damals meine erste richtige Bundesliga-Saison. Er hat mich an die Hand genommen und ich habe sehr auf ihn gehört und geachtet.
SPORT1: 2018 sagte Boateng folgenden Satz: „Wenn Wolf nicht Nationalspieler wird, höre ich auf!“ Muss er demnächst aufhören?
Wolf: (lacht) Der Jüngste ist er ja auch nicht mehr. Nein, wir hatten damals eine tolle Zeit, es war eine brutale Saison, die im DFB-Pokalsieg endete. Wir hatten eine geile Truppe mit Kevin, mir, aber auch Ante (Rebic), Seb (Haller), Luka (Jovic), Omar (Mascarell), ich könnte eigentlich jeden aufzählen. Es war eine wirklich schöne Zeit. Ich hoffe nicht, dass Kevin deswegen aufhören muss.
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SPORT1: Glauben Sie noch dran, dass Sie es irgendwann zum DFB schaffen?
Wolf: Das ist viel zu weit weg momentan. Ich will mich voll auf meine Leistungen hier beim BVB fokussieren.
SPORT1: Sie haben in dieser Saison auf sechs verschiedenen Positionen gespielt. Fällt Ihnen das schwer?
Wolf: Mir ist wirklich egal, wo ich spiele. Es ist mein großes Plus, dass ich mich schnell zurechtfinden kann auf anderen Positionen und somit der Mannschaft helfen kann. Ich bin einfach froh, wenn ich spiele, egal, ob links, rechts, vorne oder hinten.
SPORT1: Marco Rose lobt Sie immer wieder für Ihre Einstellung. Wie ist das Verhältnis zwischen Ihnen?
Wolf: Von Tag eins spricht er mit jedem Spieler enorm viel und gibt uns allen das Gefühl, dass wir gebraucht werden. Das ist extrem wichtig für einen Spieler und wirklich seltener geworden im Profigeschäft. Wir hatten gleich zu Beginn ein total offenes und ehrliches Gespräch. Ich schätze seine direkte Art sehr. Er ist ein super Typ.
Wolf: Noch nicht über Zukunft gesprochen
SPORT1: Wie sehr ist der bevorstehende Kader-Umbruch Thema in der Kabine?
Wolf: In der Mannschaft ist das kein Thema. Im Sommer werden wir dann sehen, was passiert. Wir wollen die restlichen Spiele positiv gestalten und gewinnen. Darauf fokussieren wir uns.
SPORT1: Gab es Signale an Sie, dass Sie den Verein erneut im Zuge des Umbruchs verlassen sollen?
Wolf: Wir haben noch über gar nichts gesprochen. Ich will Punkte holen mit dem BVB und zwar so viele wie möglich. Was im Sommer passiert, werden wir dann sehen.
SPORT1: Warum ist der BVB aus allen Pokal-Wettbewerben raus und in der Liga so weit hinter den Bayern?
Wolf: Wir haben ein extremes Verletzungspech. Uns fallen immer wieder wichtige Spieler aus. Das zu kompensieren, war auch für uns als Team natürlich nicht einfach. Dazu hat Bayern dank seiner finanziellen Möglichkeiten auch einfach noch mehr Weltklassespieler als wir. Das macht sich auf Strecke einfach bemerkbar. Wir wissen aber auch, dass wir vor allem in den Pokal-Wettbewerben nicht gut gespielt haben. Es ist wichtig, dass wir uns auch von Rückschlägen nicht unterkriegen lassen. Das ist natürlich auch das Ziel für die nächste Saison.
SPORT1: Liegt es an fehlender Mentalität?
Wolf: Mentalitätsspieler fehlen uns sicher nicht. Alle Spieler wollen jede Woche gewinnen. Diese Mentalitäts-Diskussion ist in meinen Augen auch totaler Quatsch. Nennen Sie mir mal einen Spieler beim BVB, der keinen Bock hat zu gewinnen. Das ist mir zu einfach. Es hängt vielleicht an anderen Faktoren, aber nicht an der Mentalität.
SPORT1: Nervt Sie das ständige Wechsel-Theater um Erling Haaland?
Wolf: Er kann ja nichts dafür. Und uns nervt das auch nicht. Dass über einen Spieler von seinem Format so viel geschrieben wird, ist doch klar. Das ist aber nichts, was uns als Mannschaft stört.
SPORT1: Nervt es Sie, dass es am Wochenende in München für den BVB um nichts mehr geht, die Bayern aber wiederum Meister werden können?
Wolf: Jeder von uns bei Borussia Dortmund geht auf den Platz, um Spiele zu gewinnen. Es ist nicht so, dass es für uns um nichts geht. Wir wollen diesen zweiten Platz untermauern.
SPORT1: Wie wollen Sie eine vorzeitige Meisterschaft am Samstag verhindern?
Wolf: Im Hinspiel waren wir schon sehr aggressiv, wir haben mutig nach vorne gespielt. Es war ein offener Schlagabtausch mit einem bitteren Ende für uns. Das Spiel hätten wir nicht verlieren müssen. Zwei individuelle Fehler haben uns letztlich den Sieg gekostet. Wir müssen die Fehler abstellen, vom Anpfiff weg da sein und spielerisch an unsere Leistung aus dem Hinspiel anknüpfen.
SPORT1: Sie haben sich 2018 nach dem Triumph mit Frankfurt den DFB-Pokal auf das rechte Schienbein stechen lassen. Wären Sie 2021 nicht nach Köln verliehen gewesen, was hätten Sie nach dem Pokalsieg mit dem BVB getan?
Wolf: Die Frage habe ich mir tatsächlich auch schon gestellt. Ich hätte, denke ich, das Datum unter den Pokal gemacht. Ich hoffe sehr, dass nächste Saison mit dem BVB was dazukommt.