Dass sich an Emre Can die Geister scheiden, ist so ganz neu nicht.
Can am Pranger - und in Zwickmühle
Wegen der Verträglichkeit zwischen Anspruch und Wirklichkeit wie auch der selbst eingeforderten Rolle des Führungsspielers bei Borussia Dortmund.
Meinungsstark und durchaus streitbar wie beispielsweise Ende Februar nach dem 1:1 beim FC Augsburg, als nicht nur Cans Leistung ein paar Fragezeichen hinterließ, sondern auch dessen Wortgefecht mit einem Fan.
Can: Streitbar, emotional - und unter Druck
„Jeder kann uns kritisieren. Aber wenn man jemanden beleidigt, ist das was anderes“, so Can damals. (DATEN: Die Tabelle der Bundesliga)
So weit, so bekannt. Nach der 1:4-Pleite gegen RB Leipzig ist der emotionale 28-Jährige sportlich nun einmal mehr unter Druck geraten, nachdem er einen Samstagabend zum Vergessen erlebt hatte.
Als Rechtsverteidiger war er diesmal von Marco Rose in die Startelf beordert worden - und beim 0:1 (21. Minute) nach einem unnötigen Zweikampf mit Konrad Laimer zum patzenden Element geworden, das den blitzschnellen RB-Konter ermöglicht hatte.
Debatten nach Fehler vor Leipzigs Tor
Kurz darauf legte Can dann den nächsten bedauerlichen Auftritt hin, als er im Strafraum einen Torschuss von Laimer abblocken wollte, seine unglückliche Fußabwehr den Ball indes unhaltbar für Keeper Gregor Kobel zum zweiten Gegentor abfälschte. (NEWS: Alle aktuellen Infos zur Bundesliga)
Can im Pech, am Pranger - und in der Zwickmühle.
Doch Stimmen, wonach der Routinier die Pleite insofern kräftig eingeleitet habe und ein schwarzgelbes Qualitätsproblem kennzeichne, wollte Rose danach sogleich verstummen lassen.
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„Wir reden über Emre Can, einen deutschen Nationalspieler“, sagte der Coach und verwies auf dessen „absolute Qualität“, die er auch schon sehr oft nachgewiesen habe.
Zugeben musste aber auch Rose: „Er hat einfach eine falsche Entscheidung getroffen, das muss er ganz klar besser machen.“
Was auch andere so sahen. Im STAHLWERK Doppelpass auf SPORT1 meinte Ex-Nationalspielerin Julia Simic: „Man kann gerade beim 0:1 auch mal über Emre Can diskutieren, der sicherlich den Fehler macht und die Situation einleitet - das wäre mit einem Pass zum Torwart wohl nicht passiert.“
Trainer Rose verteidigt Can
Die grundsätzliche Frage aber lautet: Wie geht‘s weiter mit Emre Can?
Nach SPORT1-Informationen ist Can (Vertrag bis 2024), der ein Jahresgehalt zwischen sieben und acht Millionen Euro einstreichen soll, im Sommer ein möglicher Verkaufskandidat. (REPORT: Wer beim BVB nach Bürki noch zu viel verdient)
Seit der 35-malige Nationalspieler im Januar 2020 von Juventus Turin für rund 25 Millionen Euro verpflichtet wurde, driften die Meinungen zu dessen Preis-Leistungs-Verhältnis auseinander.
Can ein Verkaufskandidat im Sommer
Mal scheint der gebürtige Frankfurter im Dortmunder Spiel kaum wegzudenken. So wie unter anderem gegen Arminia Bielefeld (1:0) und den 1. FSV Mainz 05 (1:0), als er für Mats Hummels in die Rolle des Abwehrchefs schlüpfte und die Westfalen zwischenzeitlich wieder bis auf vier Punkte an den Tabellenführer FC Bayern heranrücken ließ.
Can kann auch Rechtsverteidiger, obendrein im Mittelfeldzentrum ackern - „Held der Drecksarbeit“ hatte ihn die Frankfurter Allgemeine dazu unlängst tituliert. (NEWS: „Dortmund ist keine Mannschaft“)
Es mag vielleicht auch Cans Vielseitigkeit geschuldet sein, die wie nun gegen Leipzig vor dem 0:1 Kollegen und Trainer über Fehler leichter hinwegsehen lässt.
„Das war nicht hektisch“, verteidigte Hummels und verwies auf eine „einfach falsche Entscheidung. Es ist jetzt auch kein Vorwurf, weil das jedem mal passieren kann.“
Hummels verteidigt, aber...
Wegen seines gelegentlichen Leichtsinns im Aufbauspiel wie Abwehrverhalten war Can in der Vergangenheit jedoch schon häufiger kritisiert worden. (DATEN: Ergebnisse und Spielplan der Bundesliga)
Auch gegen Leipzig wirkte er nach den beiden Gegentoren deutlich verunsichert, verschätzte sich nach der Pause mehrmals und drosch den Ball zudem einige Male uninspiriert nach vorn.
„Da passen beim BVB gewisse Mechanismen und Automatismen nicht zusammen. Und dann sieht man: Es ist eben wirklich mal schnell ein Hühnerhaufen“, befand Simic.
Wird Can, der andererseits durch Unermüdlichkeit, Kampfkraft und sein Selbstbewusstsein eine Mannschaft mitzureißen vermag, in diesem Zusammenhang womöglich die ständige Positions-Rochade zum Verhängnis?
Das meint Bundestrainer Flick über Can
Bundestrainer Hansi-Flick (“Er war öfters verletzt“), der während der Länderspielpause in der Vorwoche auf Can verzichtet hatte, wollte das zumindest nicht verneinen, formulierte es kürzlich so: „Emre spielt beim BVB immer wieder auf anderen Positionen. Ich denke nicht, dass er ein Innenverteidiger ist.“
Flick schob zwar auch hinterher, dass der Dortmunder das „sehr gut“ mache, Can stelle „sich in den Dienst der Mannschaft, das fällt uns schon auf“. (DATEN: Die Tabelle der Bundesliga)
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Doch ob der gebürtige Frankfurter am Ende auf den WM-Zug aufspringt (“Er hat noch ein paar Spieltage, um auf sich aufmerksam zu machen“), ist momentan ebenso schwer zu beantworten wie seine weitere Entwicklung in der verbleibenden Saison.
Immer wieder Aussetzer
Zumal er immer wieder für einen Aussetzer gut ist.
Nach Cans tragender Rolle beim 0:4-Debakel bei Ajax Amsterdam in der Champions League sowie seiner Mitschuld auch am vorzeitigen Aus in der Königsklasse bei Sporting Lissabon wegen einer Roten Karte war das Leipzig-Fiasko der jüngste Beweis dafür.