Alle reden über das Comeback von Felix Magath – wird er Herthas Retter in der Not oder schreibt er das traurige letzte Kapitel eines sportlichen Dramas in Berlin?
Magath: Eine ernüchternde Bilanz
Die Fans sind hin- und hergerissen zwischen Verzweiflung, Spott und Hoffnung. Sie klammern sich an alles, was den Abstieg verhindern könnte. Aber kann das ausgerechnet Magath schaffen?
SPORT1 wirft einen Blick in seine Vergangenheit. (NEWS: Alle aktuellen Infos zur Bundesliga)
Die gute Nachricht: Magath verhinderte bei seiner letzten Trainerstation tatsächlich einen Abstieg.
Die schlechte Nachricht: Das ist fast sechs Jahre her und passierte in Luneng, China, nicht gerade eine Weltmacht des Fußballs. Und die zweite schlechte Nachricht: Das war‘s mit den guten Nachrichten, denn seit vier Jahren und vier Monaten saß Magath auf keiner Trainerbank mehr. Kein Wunder, er ist ja auch 68 Jahre alt, also längst rentenfähig.
Bei Fulham blieb der Erfolg aus
Klar, Magath war erfolgreich. Aber das ist lange her. Seine Stationen nach dem Doppel-Double mit Bayern 2005 und 2006 und der Sensations-Meisterschaft 2009 mit Wolfsburg lesen sich wie die Dokumentation eines Programmabsturzes bei Google Maps: Schalke, wieder Wolfsburg, Fulham, Luneng, Mödling, Würzburg.
In der letzten Topliga, in der er als Trainer arbeitete (Premier League mit Fulham) hinterließ er 2014 den Abstieg in die zweite Liga, einen Punkteschnitt von 0,8 und Chaos. Sie lachen dort heute noch.
„Fulham nimmt Abschied von Magath und der verrückten Welt von Felix, dem Spinner“, titelte der Guardian, als der erste deutsche Trainer der Premier-League-Geschichte nach nicht mal sieben Monaten schon wieder gehen musste – er war erst abgestiegen und hatte dann sechs der ersten sieben Spiele der neuen Zweitliga-Saison verloren und dabei 29 verschiedene Spieler eingesetzt.
Der Guardian führte tonnenweise schräge Geschichten auf, die Fulhams Spieler mit Quälix erlebt hatten - z.B. den Käseskandal. Einmal soll Magath nämlich Fulhams Brede Hangeland geraten haben, eine Knie-Entzündung mit Käse zu behandeln.
Stimmt nicht, erklärte Magath später, er habe vielmehr dazu geraten, sie „zusätzlich mit Quark“ zu behandeln. Auch nicht schlecht. Hangeland klagte zudem, dass man unter Magath nach Niederlagen nachts „zwischen 1 und 2 Uhr“ laufen musste. „Es war absurd.“
Quälix: Der Spitzname verfolgt Magath bis England
Magath galt auch in England schnell als harter Hund.
Auf der Insel hatten sie schon von „Saddam“ und „Quälix“, seinen Spitznamen, gehört, und von dem Scherz, wonach Magath keine Spiele mehr gewinne, weil sich unter den Gegnern immer mehr seiner Ex-Spieler befänden, die ihn so sehr hassten, dass sie alles geben würden, um ihn zu besiegen.
Frag‘ nach bei Lewis Holtby: Den wechselte Magath im Mai 2014 im Abstiegs-Schicksalsspiel gegen Stoke (1:4) bereits nach einer halben Stunde aus. Holtby erholte sich nie ganz davon.
Er bestritt noch eine Handvoll Spiele für Tottenham, und seine nächsten Stationen waren dann: der HSV, Blackburn und nun Kiel. Seit Mai 2018 hat Magath-Opfer Holtby kein Erstligaspiel mehr gemacht.
Vielleicht wäre alles anders gekommen, wären Magaths Methoden, auf die sie jetzt bei Hertha setzen, von Erfolg gekrönt gewesen. Waren sie aber nicht.
Magath setzt seine Ideen gnadenlos durch
Vor dem obengenannten Duell mit Stoke, das Fulhams Abstieg besiegelte, hatte er eine besonders brillante Idee: Er ließ Dan Burn, einen 1,90 Meter großen Innenverteidiger, als rechten Verteidiger spielen. Burn erfuhr das erst am Spieltag. Es war ein Desaster. Der Junge musste nach 57 Minuten vom Feld. Oder: Er durfte.
Sein Gegenspieler Oussama Assaidi sagte nach dem Abpfiff, das Ganze habe ihm „sehr leidgetan. Er hat mich gebeten, die Seite zu wechseln, er wollte nicht mehr gegen mich spielen.“ Magath soll Burn noch in der Umkleidekabine kritisiert haben. Der wies darauf hin, dass er noch nie in seinem Leben auf Rechts gespielt hatte.
Als Magath in Fulham hohe Geldstrafen gegen zwei junge Spieler im ersten Profijahr verhängte, weil sie zu spät zum Training gekommen waren, die sich aber diese Strafen gar nicht leisten konnten, intervenierte Kapitän Scott Parker bei ihm.
Mit neuen Maßnahmen aus dem Abstiegskampf
Vergeblich, Magath bestand auf seiner Entscheidung, denn Disziplin ist für ihn alles; das sagte er jetzt bei seiner Vorstellung in Berlin auch wieder. Parker zuckte mit den Schultern und übernahm die Strafzahlungen selbst.
Jefferson Farfán, der auf Schalke unter Magath litt, fasste es einmal so zusammen: „Alle Trainer auf Schalke in den letzten Jahren haben dem Verein etwas gebracht“, sagte er. „Der einzige Trainer, der nichts Positives hinterlassen hat, ist Magath. Er hat nur Geldstrafen hinterlassen.“
Und was hinterlässt Magath in Berlin?