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Schweinsteiger-Biografie: Ein Held, der sich selbst verleugnet - die Steudel-Kolumne

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Schweinsteiger-Biografie: Ein Held, der sich selbst verleugnet - die Steudel-Kolumne

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Schweinsteiger vergisst sich selbst

Für SPORT1-Kolumnist Alex Steudel ist die Roman-Biografie von Bastian Schweinsteiger mehr als irritierend. Warum versteckt er sein wahres Ich?
Die ARD setzt die Zusammenarbeit mit Bastian Schweinsteiger fort, obwohl es während der EURO 2020 heftige Kritik am Ex-Profi von Bayern München und Manchester United gegeben hatte.
Für SPORT1-Kolumnist Alex Steudel ist die Roman-Biografie von Bastian Schweinsteiger mehr als irritierend. Warum versteckt er sein wahres Ich?

Ach, Schweini!

Ich gestehe, dass Bastian Schweinsteiger einer meiner großen Helden ist. Also sportlich gesehen. Dieser Zusatz ist wichtig. Er hat mit den Bayern 1000 Titel geholt, er hat die Champions League, ganz filmreif, erst verloren und dann gewonnen, und er ist ein echter Typ gewesen. (DATEN: Die Tabelle der Bundesliga)

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Weltmeister wurde Schweini auch. Und wie! In der Verlängerung, mit Blut im Gesicht, man hätte das nicht besser erfinden können. (Schweinsteiger kritisiert BVB-Führungsspieler)

Aufs Erfinden kommen wir gleich noch zurück.

Eine Biografie, die keine ist

Dies ist eine etwas ungewöhnliche Buchbesprechung. Ich schreibe über ein Buch, das ich nicht gelesen habe: „Einer von euch“ von Martin Suter und Bastian Schweinsteiger.

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Warum habe ich es nicht gelesen? Auch, weil ich ihn so mag. Ich habe mich ehrlich gesagt nicht getraut, den letzten Rest meines Schweini-Bildes, das nach Til Schweigers „Doku“ ohnehin beschädigt war, vollends in Schutt und Asche zu legen.

Das heißt, so ganz stimmt das nicht. Ich habe die ersten 30 Seiten des Buches gelesen. Dann war‘s genug für mich, mir schwante zu viel Böses. Abpfiff wegen schlechter Witterung. Ich hatte so ein Gefühl, das ich sonst bei trostlosen Nullzunulls habe, bei denen du nach 15 Minuten weißt: Das wird heute nichts.

Schon nach 30 Seiten verspürte ich null Drang, mehr über Bastian Schweinsteiger zu erfahren. Weil es sich so langweilig las, wie ein Märchen. Und vor allem: Weil ich nie wusste, was wahr ist und was erfunden auf diesen Seiten, die ja vom Verlag deshalb vorsichtshalber „Biografischer Roman“ genannt werden.

Schweinis Autor Martin Suter, der ein geachteter Schriftsteller ist, sagt es selbst: Er habe sich im Werk die Freiheit genommen, „dass die Ereignisse, die darin vorkommen, auch frei erdacht sein dürfen.“ Steht so im Vorwort.

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Dem entgegne ich mal ein ganz unkonventionelles: „Hä?“ Eine Biografie, die keine ist, aber eine sein kann – was soll das denn? Dachte ich.

Die Privatperson Schweinsteiger wirft Rätsel auf

Nach der vernichtenden Kritik in der „Süddeutschen“ mit der Überschrift „Ein richtig schlechtes Buch“ und weiteren Vollverissen verließ mich schließlich die letzte Motivation, das Buch weiterzulesen. (NEWS: Alle aktuellen Infos zur Bundesliga)

Wenn ich eine Biografie lese, lieber Bastian Schweinsteiger, will ich mich nicht bei jedem Satz fragen müssen, ob der jetzt stimmt oder erfunden ist. Dass ein Leben wie Ihres keine echte Biografie hergibt, ist komisch. Kaufen Sie mal eine, zum Beispiel „Miro“ von Ronald Reng. Dann wissen sie, was ich meine. Ist halt viel Arbeit.

Kurios finde ich auch, dass ausgerechnet einer, der sich sein Sportlerleben lang mit Journalisten rumgeschlagen hat, am Ende eine 370-seitige Teilzeit-Erfindung rausbringt.

Da kann ja als nächstes Pierre-Michel Lasogga eine Biografie schreiben, in der er mit dem HSV die Champions League gewinnt, und Christoph Daum erzählen, wie er damals Backpulver kokste und Uli Hoeneß adoptierte.

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Okay, das war natürlich übertrieben. Die Eckdaten stimmen im Schweini-Buch, sagt Suter. Aber mal ehrlich: Die Eckdaten kennt jeder. Schweini wurde Weltmeister, das wusste ich schon vor Druckbeginn.

Was ist eigentlich los mit Schweini? Seit er aufgehört hat zu kicken, gibt er nur noch Rätsel auf. Sei es die bestellt wirkende Heile-Welt-Doku von Til Schweiger. Seien es die Auftritte als TV-Experte, bei denen ihm keine Wahrheit zu unbequem ist: „Das Ergebnis ist natürlich wichtig und am Ende entscheidend.“ „Im Pokal ist wirklich immer alles möglich.“ Potz blitz.

Und jetzt ist der noch tiefere Tiefpunkt bei Schweinis Abstieg ins Reich der Belanglosigkeiten erreicht: eine Biografie, die keine ist. Hauptsache, er kommt schick rüber. Ein Mann von Welt, keine Ecken, keine Kanten, Spitzenklamotten, am besten Gegenlicht. (DATEN: Ergebnisse und Spielplan der Bundesliga)

Warum Schweini nach seiner Karriere so wahnsinnig geschniegelt rüberkommen möchte, eher wie ein Model denn als Fußballer, als wolle er vergessen machen, dass er alles, was er ist, Schweiß und verdreckten Knien zu verdanken hat, verstehe ich einfach nicht.

Aber, wie gesagt: Ich mag ihn. Eine Chance gebe ich ihm deshalb noch: Schweini, schreib‘ eine Biografie!

Alex Steudel ist freier Journalist in Hamburg. Er war Bayern- und Nationalmannschaftsreporter und Chefredakteur von Sport-Bild. Heute widmet er sich in seiner Kolumne für SPORT1 auf nicht immer ganz ernstgemeinte Weise aktuellen Fußball-Themen. Die besten Steudel-Texte gibt‘s auch als Buch: Infos und Bestellung hier.

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