Das Siegtor im Champions-League-Finale gegen Ex-Klub PSG? Tat gut. Doch Kingsley Coman sieht seine Geschichte in München noch lange nicht zu Ende erzählt. „Da geht noch mehr“, stellt der Franzose klar. „Ich will eine Legende beim FC Bayern werden!“
Dieser Bayern-Kollege beeindruckt Coman
Nicht nur deshalb verlängerte er im Januar seinen Vertrag beim Rekordmeister vorzeitig bis 2027. Im Video-Meeting mit SPORT1 erzählt der gut gelaunte Coman, wie WhatsApp-Nachrichten von Julian Nagelsmann und der Umgang des Vereins mit ihm nach seiner Herz-Operation im September jegliche Wechselgedanken vertrieben. (NEWS: Alle aktuellen Infos zur Bundesliga)
Außerdem verrät der 25-Jährige, wer sein großes Vorbild ist, welcher Bayern-Mitspieler ihn am meisten beeindruckt, wie er seine Verletzungsanfälligkeit besser in den Griff bekommen hat und warum er im Nachhinein glücklich ist, den Triumph seiner Franzosen bei der WM 2018 verpasst zu haben.
SPORT1: Kingsley, Interview Nummer eins nach Ihrer Vertragsunterschrift beim FC Bayern! Wie froh sind Sie, dass dieses Thema endlich vom Tisch ist?
Kingsley Coman: Sehr froh! Es macht mich glücklich und stolz, mit dem FC Bayern in die Zukunft zu gehen. Mit meiner Vertragsverlängerung habe ich die bestmögliche Wahl für mich und meine Karriere getroffen.
Coman: „Bayern ist wie eine Familie“
SPORT1: Im vergangenen Sommer haben Sie noch mit einem Wechsel geliebäugelt. Warum?
Coman: Es waren viele Dinge. Ich habe hier so viel erlebt, so viele Titel gewonnen. Natürlich fragst du dich da, ob du etwas anderes probieren sollst. Ich musste deshalb nachdenken und herausfinden, was ich will und wohin ich will. Das hat dann nicht immer nur mit Fußball zu tun, sondern auch mit persönlichen Interessen. Ich brauchte einfach Zeit. Und die habe ich mir genommen.
SPORT1: Was hat am Ende den Ausschlag für Ihre Entscheidung pro Bayern gegeben?
Coman: Ich habe viele gute Gespräche mit den Verantwortlichen und dem Trainer geführt. Irgendwann war mir dann klar: Ich habe hier doch alles, also muss ich mich auch nicht anderweitig umschauen. Der FC Bayern ist wie eine Familie. Wenn du so viel Hilfe bekommst wie ich, gerade nach meiner Herz-OP zu Beginn der Saison, willst du natürlich auch etwas zurückgeben. Du willst kämpfen und alles tun für die Personen, die dich unterstützen.
SPORT1: Wann genau ist Ihr Entschluss gefallen?
Coman: Im Dezember.
So überzeugte Nagelsmann Coman von einem Verbleib
SPORT1: Julian Nagelsmann hat sich besonders für Ihren Verbleib stark gemacht. Was hat er angestellt, um Sie zu überzeugen?
Coman: Vertrauen – das ist alles! Wenn du Vertrauen hast, fühlst du dich wohl. Er hat mir von Anfang an gesagt, dass er mich unterstützt, ich sehr wichtig für ihn und die Mannschaft bin und er mich gerne behalten möchte. Er hat mir auch mal bei WhatsApp geschrieben. Er ist ein Trainer, der viel mit seinen Spielern im Austausch ist, nicht nur mit mir. Ich mag ihn und auch seine Denkweise von Fußball. Das hat mir die Entscheidung erleichtert.
SPORT1: Nagelsmann ist dafür bekannt, seine Spieler besser zu machen. Kann er Sie überhaupt noch besser machen?
Coman: Ja, meiner Meinung nach bin ich noch weit weg von meinem Limit. Ich muss vor allem an meinen Statistiken arbeiten. Ich glaube schon, dass ich sehr viel im Spiel mache – sowohl nach vorne als auch nach hinten. Ich gehe viel ins Eins-gegen-Eins, kreiere einige Chancen. Aber jetzt muss ich noch mehr Tore und Vorlagen sammeln. Ich will einer der weltbesten Spieler auf meiner Position sein, das ist mein Ziel.
SPORT1: Das war beim FC Bayern viele Jahre lang Ihr Landsmann Franck Ribéry. War er in Ihrer Jugend auch Ihr Lieblingsspieler?
Coman: Das war Ronaldinho. Seine Art, mit dem Ball umzugehen, hat mich verzaubert. Er war der Grund, warum ich Fußball spielen wollte! Aber klar, Franck ist eine Legende und ein Spieler, an dem ich mich definitiv orientiere. Ich will hart arbeiten, um an sein Level und an seine Erfolge heranzukommen. Ich will auch eine Legende beim FC Bayern werden. Aber ich bin Kingsley Coman, nicht der nächste Franck Ribéry.
Coman glaubt an Triumph der Bayern in der Champions League
SPORT1: Den Legenden-Status haben Sie bei einigen Fans schon mit Ihrem Tor im Champions-League-Finale 2020 gegen Ihren Ex-Klub PSG erreicht…
Coman: Das war nur ein Spiel – klar, ein schönes Spiel mit einem besonderen und wichtigen Tor, aber da geht noch mehr! Mehr Tore, mehr Vorlagen, mehr Titel. Ich will eine ganze Saison lang auf Top-Niveau spielen. Und noch einmal die Champions League gewinnen – mindestens!
SPORT1: Halten Sie eine ähnliche Erfolgsära in der Champions League wie beispielsweise von Real Madrid mit drei Titelgewinnen in Folge für möglich?
Coman: Wir haben auf jeden Fall jedes Jahr die Chance darauf, weit zu kommen, weil wir eine der besten Mannschaften der Welt haben und die auch noch ein paar Jahre zum Großteil so zusammenbleiben wird. Aber da spielen viele Faktoren eine Rolle. Ich würde sagen: Holen wir in den nächsten fünf Jahren ein- bis zweimal die Champions League, können wir zufrieden sein.
SPORT1: Die Bundesliga steht immer mal wieder in der Kritik. Viele Beobachter behaupten, der Titelkampf sei zu langweilig. Was muss passieren, damit mehr Spannung entsteht? (DATEN: Ergebnisse und Spielplan der Bundesliga)
Coman: In der Bundesliga steckt sehr viel Qualität. Ich finde, dass sie nach der Premier League mit der spanischen Liga die beste ist. Wir sind nun einmal schwer zu besiegen. Ich glaube auch nicht, dass wir in anderen Ligen viel weiter unten stehen würden.
Coman schwärmt von Jamal Musiala
SPORT1: Finanziell kann und will der FC Bayern in Corona-Zeiten keine großen Investitionen wie Vereine aus anderen Ligen tätigen. Dafür werden junge Spieler gefördert. Wie findet das jemand wie Sie, der selbst als Teenager nach München kam?
Coman: Der FC Bayern hat auch Geld, aber nicht so viel wie die meisten Klubs in England oder PSG. Darauf allein kommt es aber sowieso nicht an. Unsere Mannschaft ist wirklich eine Mannschaft. Wir sind eine Einheit, die auch in schwierigen Situationen zusammenhält. Das ist das Entscheidende. Wir haben zudem viele Leute um unsere Mannschaft herum, die sehr gut arbeiten. Es ist schön zu sehen, dass nach und nach auch immer mehr junge Spieler gefördert werden.
SPORT1: Jamal Musiala ist eines der Talente, das den Durchbruch geschafft hat. Wie sehr sind Sie von ihm begeistert?
Coman: Jamal ist sehr, sehr gut. Du kannst es spüren, wenn jemand Talent hat. Bei ihm habe ich es schon im ersten Training gespürt, da war er erst 17. Er hat viel Qualität und wird immer besser. Dafür arbeitet er viel. Schritt für Schritt wird er sich auch körperlich weiterentwickeln und zu einem Mann werden. Und das ist sehr gut für uns.
SPORT1: Wie sehen Sie Ihren Landsmann Tanguy Nianzou? Er kommt bisher nicht über die Rolle des Ergänzungsspielers hinaus.
Coman: Er trainiert sehr gut, ist seriös und motiviert. Manchmal musst du einfach nur geduldig sein und dir Zeit geben. Tanguy ist bereit, das zeigt er auf jeden Fall. Und mit Talenten wie ihm, Jamal oder auch Stanisic sind wir für die nächsten Jahre sehr gut aufgestellt.
Dieser Mitspieler beeindruckt Coman am meisten
SPORT1: Welcher Spieler hat Sie beim FC Bayern generell am meisten beeindruckt?
Coman: Eine schwierige Frage. Wir haben sehr viele Top-Spieler. Müsste ich aus der aktuellen Mannschaft einen herausheben, dann Jo Kimmich.
SPORT1: Warum?
Coman: Er ist so gut! Er kann im Mittelfeld und als Rechtsverteidiger spielen. Er ist sehr intelligent und zuverlässig. Früher hat mich Franck beeindruckt. Ich kann mich noch genau an unser erstes gemeinsames Training erinnern. Er kam aus einer vier- oder fünfmonatigen Verletzung zurück und war sofort der beste Spieler im Training. Normalerweise brauchst du ja ein bisschen Zeit, wenn du nach einer Verletzung wieder anfängst. Er nicht. Da habe ich mir gedacht: Wow!
SPORT1: Mit Verletzungen hatten Sie in den vergangenen Jahren ebenfalls häufig zu kämpfen. Wegen einer hartnäckigen Verletzung am Syndesmoseband spielten Sie 2018 angeblich sogar mit dem Gedanken, Ihre Karriere zu beenden. Wie blicken Sie auf diese Zeit zurück?
Coman: Ich wollte nie meine Karriere beenden. Ich habe damals nur in einem Interview gesagt, dass eine dritte Operation innerhalb eines Jahres nicht für mich in Frage kommt. Zum Glück ist es nicht so weit gekommen. Ich fühle mich schon länger sehr viel besser. Ich werde immer mal wieder verletzt sein, das bringen meine Position und mein Spielstil nun einmal mit sich. Ich will so viel wie möglich spielen – und bin bereit für 30 bis 40 Spiele pro Saison. Ich bin mehr Profi als früher, weil ich über die Jahre meinen Körper besser kennen gelernt habe. Ich bin generell ein stärkerer Mensch.
SPORT1: Auch mental?
Coman: Ja. Im Leben ist es so, dass du nicht immer glücklich sein kannst. Manchmal bist du traurig oder wütend, das ist normal und für einen Moment auch okay. Aber danach musst du dich wieder aufraffen und alles dafür tun, um wieder glücklich zu werden. Das braucht Zeit. Bei dem einen mehr, bei dem anderen weniger.
Darum war die verpasste WM 2018 für Coman ein Glücksfall
SPORT1: Einige Fußballer nehmen heutzutage psychologische Hilfe in Anspruch. Wie stehen Sie dazu?
Coman: Ich persönlich habe noch keine Hilfe gesucht, kann aber jeden verstehen, der das macht. Wir haben viel Druck. Wenn wir ein schlechtes Spiel machen, kriegen wir viel Gegenwind. Von der Presse, aber auch in den sozialen Medien. Damit klarzukommen, ist nicht immer einfach.
SPORT1: 2018 haben Sie verletzungsbedingt den WM-Triumph Ihrer Franzosen verpasst. Der größte Rückschlag Ihrer Karriere?
Coman: Ich war kurz nach meiner Verletzung sehr traurig, weil mir zu diesem Zeitpunkt schon bewusst war, dass ich bis zur WM nicht mehr topfit werden würde. Als das Turnier dann lief, kam ich gut damit klar. Aber wissen Sie was? Im Nachhinein bin ich sogar glücklich, nicht bei der WM dabei gewesen zu sein!
SPORT1: Wieso das?
Coman: Ich habe während des Turniers meine heutige Frau kennen gelernt. Das wäre wahrscheinlich nicht passiert, hätte ich die WM gespielt. Und jetzt sind wir verheiratet und haben Kinder zusammen! Alles gut also - auch wenn es natürlich mein großes Ziel ist, in den nächsten Jahren die WM mit Frankreich zu holen.