Der VfL Wolfsburg ist in der aktuellen Saison vielen ein Rätsel. Nach fabelhaftem Saisonstart, der die Wölfe an die Tabellenspitze der Bundesliga brachte, stürzten sie beispiellos ab.
Wölfe: Schmadtke rudert zurück
Florian Kohfeldt löste auf der Trainerbank im Oktober Mark van Bommel ab, konnte den Abwärtstrend aber auch nur kurzfristig aufhalten.
Höchste Zeit also, Maßnahmen zu treffen, um sich aus diesem Negativstrudel zu befreien. Das sahen VfL-Geschäftsführer Jörg Schmadtke und Sportdirektor Marcel Schäfer wohl genauso und sorgten mit der Verpflichtung von Max Kruse für einen Hammer kurz vor Transferschluss. (NEWS: Alle aktuellen Infos zur Bundesliga)
Der bald 34 Jahre alte Stürmer machte keinen Hehl daraus, dass er sich vor allem vom Geld hat locken lassen. Angreifer Jonas Wind vom FC Kopenhagen gesellte sich für 12 Millionen Euro Ablöse ebenso hinzu wie Linksaußen Kevin Paredes, für den der VfL rund 6,7 Millionen Euro an D.C. United überwies.
Durch das Öffnen des Geldkoffers verfällt Wolfsburg in alte Transfermuster. Eigentlich sollte nicht mehr das Finanzielle das entscheidende Argument für die Autostadt sein, sondern die Philosophie des Nordklubs.
Kruse-Deal als Panik-Kauf
Der Kruse-Transfer kann durchaus als Panik-Kauf interpretiert werden. In der aktuellen Krisenphase wird allerdings Soforthilfe benötigt. Und die garantiert Kruse in Form von Toren.
Da Kruse, der bereits in der Saison 2015/16 das Wolfsburg-Emblem auf der Brust trug, noch eine Rechnung mit dem VfL offen hat, weil er damals nicht unbedingt gut mit Klaus Allofs zurechtkam und einen eher schweren Stand im Verein hatte, haben die neuen Wolfsburg-Verantwortlichen in den sauren Apfel gebissen und ihn mit einem attraktiven Vertrag gelockt.
Denn schwere Zeiten erfordern besondere Maßnahmen - insbesondere bei einem Spieler, der sein Team unmittelbar auf das nächste Level bringen kann.
Nötig vor allem auch, weil die Wolfsburger durch die Abgänge von Wout Weghorst, Josuha Guilavogui, Admir Mehmedi und Daniel Ginczek viele erfahrene Spieler verloren haben.
Maximilian Arnold blickt positiv in die nächsten Pflichtspiele
Die große Aktivität der Wölfe auf dem Transfermarkt scheint eine Art Eingeständnis für Fehler in der Mannschaftszusammenstellung zu sein.
Aber auch der Eindruck, dass zu viele Profis zuletzt zu sehr mit sich selbst beschäftigt waren, verhärtet sich. Eine These, die VfL-Führungsspieler Maximilian Arnold im Gespräch mit SPORT1 aber nicht teilt: „Da habe ich so jetzt nicht den Eindruck. Ich kann natürlich nicht in jeden reinschauen und wissen, was er denkt und für Gefühle hat.“ (DATEN: Die Tabelle der Bundesliga)
Stattdessen war der gebürtige Sachse vor den Transfers von dem Team überzeugt: „Die Stimmung in der Mannschaft finde ich sehr gut, auch sehr fokussiert, sehr konzentriert. Deswegen bin ich eigentlich auch guter Dinge, dass wir diesen Turnaround schnellstmöglich schaffen.“
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Leistungsträger Wout Weghorst verlässt Wolfsburg
Die Wende müssen sie nun ohne Leistungsträger Weghorst und Leader Guilavogui schaffen. Beide schienen am Ende nicht mehr zufrieden.
Weghorst machte nie ein Geheimnis daraus, dass er von der Premier League träumt, erfüllte sich seinen Traum nun mit dem Wechsel zum Tabellenletzten FC Burnley.
Guilavogui - einst eine VfL-Konstante, die in siebeneinhalb Jahren immer beliebt bei Mannschaft und Fans war, rutschte vom Stamm- zum Reservespieler ab. Der Wechsel zu Girondins Bordeaux war demnach auch keine große Überraschung. Einem positiven Mannschaftsklima waren diese Fluchtgedanken aber mit Sicherheit nicht zuträglich.
Neuverpflichtungen sollen dem VfL zu mehr Flexibilität verhelfen
Trainer Florian Kohfeldt steht mit den Verstärkungen Kruse, Wind und Paredes auf jeden Fall mehr Flexibilität im Angriffsspiel zur Verfügung. Vor allem mit Kruse wird die Chemie stimmen, denn die beiden kennen sich bereits aus Bremer Zeiten und pflegten dort ein sehr gutes Verhältnis.
Neben dem Reiz, zum möglichen Karriereende noch einen hoch dotierten Vertrag mitzunehmen, war also sicherlich auch der Trainer ein ausschlaggebender Faktor für den Wechsel. Unter Kohfeldt erzielte Kruse in 61 Spielen 19 Tore und gab 25 Vorlagen. Genau diese Qualitäten soll der polarisierende Stürmer nun auch in Wolfsburg wieder aufleben lassen.
Kommender Spieltag: Wie ein Endspiel für Wolfsburg
Und das möglichst schnell, denn der letzte Wölfe-Sieg liegt bereits über zwei Monate zurück - mit einem knappen 1:0 holte der VfL zuletzt Anfang November gegen den FC Augsburg drei Punkte. Der Auftritt am kommenden Spieltag gegen die SpVgg Greuther Fürth wird für den weiteren Wolfsburger Weg also entscheidend sein. Schmadtke redete bereits von einem Endspiel für alle Beteiligten. (DATEN: Ergebnisse und Spielplan der Bundesliga)
Arnold will dieses Wort allerdings noch nicht in den Mund nehmen: „Es ist ein wichtiges Spiel, auf jeden Fall. Ich finde, Endspiel wäre so das letzte Spiel, wenn danach keins mehr kommt. Aber es ist ein sehr, sehr wichtiges Spiel, sodass wir da natürlich auch ganz klar die Aufgabe haben, drei Punkte zu holen.“
Gefragt sind jetzt also viele Tore und Punkte - und ein Kruse-Einstand nach Maß. Mit einer starken Endphase könnten die Wölfe den Fehlgriff mit Ex-Trainer Mark van Bommel, der im Oktober gehen musste, vergessen machen.
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Arnold will aber dennoch nicht von einer falschen Trainerentscheidung im Sommer sprechen. „Ich glaube, da gehört auch eine Mannschaft dazu“, sagte er zu SPORT1. „Vielleicht sollten wir nicht immer nur auf den Trainer schauen, sondern es gibt ja auch noch ein paar Spieler, die nicht so dieses Leistungsniveau an den Tag gelegt haben, sodass der Trainer hätte bleiben können.“
Kaum Besserung unter Kohfeldt
Doch bisher läuft es auch mit Kohfeldt nicht besser. Es wirkt, als sei der einst so starke Wölfe-Teamgeist in den vergangenen Monaten verloren gegangen. Gründe für dieses enorme Leistungstief zu finden, fällt den Wolfsburgern allerdings schwer.
Arnolds Ansatz: „Ich glaube, da kamen schon ein paar Faktoren dazu. Speziell im Sommer mit einem neuen Trainer, einem neuen System. Wir haben dann auch nicht so die gewünschten Erfolge damit gefeiert und dann kam die Belastung mit der Champions League dazu, das war für viele auch neu. So kam man dann ein bisschen in diesen Strudel rein.“
Darüber hinaus sprach der Mittelfeldmotor von „ein paar Befindlichkeiten“, weshalb nicht jeder sein maximales Leistungsniveau erreicht habe.
Bleibt aus Wolfsburger Sicht zu hoffen, dass diese nun aus dem Weg geschafft sind und die Aufholjagd mit Kruse beginnen kann.