Zum ersten Mal seit dem 8. März 2020 begrüßte der FC Bayern beim 2:1-Sieg gegen den SC Freiburg eine ausverkaufte Arena. (DATEN: Ergebnisse und Spielplan der Bundesliga)
Bayern-Bosse am Pranger: Was soll das?
Durch die Rückkehr der Fans kommen allerdings auch wieder alte Themen auf die Tagesordnung: Mit einem großen Plakat protestierte die Anhängerschaft gegen die eigene Klubführung.
„Für Geld waschen wir alles rein“, stand auf dem Transparent. Daneben zu sehen waren der Vorstandsvorsitzende Oliver Kahn und Präsident Herbert Hainer, die blutige Wäsche waschen.
Der Grund der ganzen Aktion? Der lukrative Sponsorendeal des FC Bayern mit Qatar Airways. Mit Blick auf die anstehende Jahreshauptversammlung ist das Thema derzeit wieder sehr präsent. (NEWS: Alle aktuellen Infos zur Bundesliga)
SPORT1 beantwortet die wichtigsten Fragen zur umstrittenen Geschäftsbeziehung mit dem Emirat.
Wie sieht der Bayern-Deal mit Katar aus?
Im Januar 2011 reiste der FC Bayern zum ersten Mal nach Katar. Das Trainingslager markierte den Anfang der kritisierten Partnerschaft mit dem Land, das schon seit 2010 als Gastgeber der WM 2022 feststeht. (DATEN: Die Tabelle der Bundesliga)
2015 ließ sich der Klub erstmals auf ein Sponsoring eines Unternehmens aus Katar ein: Der Hamad International Airport von Doha wurde Platinpartner der Bayern, ab Sommer 2017 dann auch Ärmelsponsor für die Trikots.
Für Schlagzeilen sorgte dann vor allem der Deal mit Qatar Airways im Jahr 2018. Die Münchener beendeten ihre langjährige Zusammenarbeit mit Lufthansa und setzten auf ein Unternehmen, welches zu 100 Prozent in der Hand eines Staates mit fragwürdiger Menschenrechtslage liegt.
Die Fluggesellschaft löste auch den Flughafen von Doha als Ärmelsponsor ab. Noch bis 2023 läuft der Vertrag mit Qatar Airways.
Warum ist das Thema so brisant?
Laut Amnesty International lässt die generelle Lage der Menschenrechte in Katar weiterhin sehr zu wünschen übrig. Einschränkungen des Rechts auf freie Meinungsäußerung, Benachteiligung von Frauen, Ausbeutung und Belästigung von Arbeitsmigranten bis hin zu Hinrichtungen - die Liste der Menschenrechtsverletzungen im Wüstenstaat ist lang.
Für großes Aufsehen sorgte Anfang des Jahres ein Bericht des englischen Guardian, der bei einer Recherche herausgefunden hatte, dass seit der Vergabe der WM 2022 in Katar 6500 Gastarbeiter ums Leben gekommen sein sollen.
Deshalb befinden sich vor allem die Nationalspieler des FC Bayern in einem Dilemma. Kritiker attestieren den Bayern eine Doppelmoral, wenn Kimmich, Müller & Co. vor Länderspielen mit dem Schriftzug „Human Rights“ gegen die WM-Vergabe protestieren, auf der anderen Seite aber regelmäßig das Logo von Qatar Airways auf dem Bayern-Trikot tragen.
Was ist bisher passiert?
Die Kritik aus der Fanszene ist nicht neu. Aktionen und Stimmen gegen die Partnerschaft gibt es in etwa schon so lange wie die Kooperation mit Katar selbst. Bereits Ex-Präsident Uli Hoeneß und der ehemalige Vorstandsvorsitzende Karl-Heinz Rummenigge wurden von den Anhängern kritisiert.
Vor der Corona-Pandemie hingen regelmäßig Plakate zu diesem Thema in der Kurve. Auf diesen war unter anderem vom „hässlichen Gesicht des FC Bayern“ und vom „Blutgeld aus Katar“ die Rede.
Im Januar 2020 wurde eine Podiumsdiskussion mit dem Titel „Katar, Menschenrechte & der FC Bayern: Hand auf, Mund zu?“ von Fans mitorganisiert. Dort sprachen auch zwei nepalesische Gastarbeiter und berichteten über Ausbeutung und die menschenunwürdigen Bedingungen in Katar.
Nun unternehmen die Fans des FC Bayern gegen den umstrittenen Sponsoring-Deal sogar konkrete Schritte. Vor etwa zwei Wochen ging ein entsprechender Antrag beim Verein ein, über den bei der diesjährigen Jahreshauptversammlung abgestimmt werden soll.
„Wir wollen präventive Maßnahmen ergreifen, um einen neuen Abschluss zu verhindern“, sagte Initiator Michael Ott mit Blick auf die Veranstaltung am 25. November dem SID.
Was wollen die Fans erreichen?
Klares Ziel des Fan-Antrags: Der Deal mit Qatar Airways soll zum nächstmöglichen Zeitpunkt beendet und derartige Geschäfte in Zukunft ausgeschlossen werden.
In der Antragsbegründung hieß es unter anderem: „Statt Veränderungen zu bewirken, hilft der FC Bayern mit dem Sponsoring dem Emirat Katar aktiv dabei, von den Missständen abzulenken. Wenn der FC Bayern weiterhin zu der Situation in Katar schweigt, drückt unser Verein damit seine Gleichgültigkeit aus. Damit schädigt der FC Bayern seinen Ruf und wird seiner Vorbildstellung nicht gerecht.“
Indes sollen die jährlichen Trainingslager in dem Golfstaat unangetastet bleiben. Diese böten „zumindest theoretisch die Möglichkeit zur kritischen Kommunikation“ - wenn man sie denn wahrnehme.
- „Meine Bayern-Woche“, der SPORT1 Podcast zum FC Bayern - immer freitags auf podcast.sport1.de, in der SPORT1 App, auf Spotify, Apple Podcasts, Podigee und überall, wo es Podcasts gibt
Mit Blick auf andere Top-Vereine aus Europa, die Geschäfte mit Ländern machen, welche Menschenrechte aktiv verletzten, schrieben die Initiatoren: „Lasst uns nicht mit dem Strom schwimmen, sondern ein klares Zeichen für Menschenrechte setzen. Damit heben wir uns ein weiteres Mal vom Gros der europäischen Spitzenvereine ab.“
Was sagt der FC Bayern zur Kritik?
Der Kritik von Fans und Organisationen entgegnete der FC Bayern oftmals, dass sich die Bedingungen in Katar im Wandel befinden würden. Man könne nur im Austausch mit den Machthabern positive Veränderungen bewirken.
Ähnliches sagte auch Trainer Julian Nagelsmann auf der Pressekonferenz nach dem Spiel gegen Freiburg: „Der Klub ist, wie ich schon mal gesagt habe, im Dialog.“ Das sei besser als Ausgrenzung oder Wegschauen. „Ich glaube, dass wir da schon ein bisschen was bewegt haben“, meinte der Coach.
Ex-Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge behauptete bereits auf der Jahreshauptversammlung 2019: „Seit Bayern München Partner von Katar ist, hat es nachweislich eine Entwicklung in Sachen Menschen- und Arbeitsrechte zum Positiven gegeben.“
Auch Katar-Expertin Regina Spöttl von Amnesty International erkannte Ansätze für einen Wandel. In 2020 neu eingeführte Arbeitsschutzgesetze sollten die Arbeitsbedingungen verbessern, einen neuen Mindestlohn etablieren und kontrollierte Gehaltszahlungen ermöglichen. „Diese Reformen wecken Hoffnung, müssen aber streng überwacht und eingehalten werden“, erklärte Spöttl dem Spiegel.
- „Doppelpass on Tour“: Deutschlands beliebtester Fußballtalk geht auf große Deutschlandtour! Tourtermine und Tickets unter www.printyourticket.de/doppelpass oder unter der Ticket-Hotline (Tel. 06073 722740; Mo.-Fr., 10-15 Uhr)
Die weltweite Aufmerksamkeit durch die WM 2022 habe die Arbeitsbedingungen vor Ort zumindest in Ansätzen verbessert. „Sport ist ein Brückenbauer und kann vieles bewirken“, ergänzte Spöttl. Der FC Bayern verweist darüber hinaus auf einen Austausch mit der deutschen Botschaft in Doha und Amnesty International.
Wie geht es weiter und was könnte noch passieren?
Der Fan-Antrag könnte vor der Jahreshauptversammlung noch abgelehnt werden, wenn das Präsidium des FC Bayern e. V. ihn für nicht zulässig hält.
Kommt es zur Abstimmung, dann wäre selbst ein Beschluss der Mitglieder nicht unmittelbar bindend. Denn laut der Süddeutschen Zeitung vereinbart die ausgegliederte Abteilung Profifußball, die FC Bayern AG, die Verträge mit Sponsoren und nicht der „eingetragene Verein“.
Allerdings hält der e. V. 75 Prozent der Aktienanteile, weshalb eine Entscheidung der Mitglieder nur schwer zu ignorieren wäre. Jedenfalls dürften künftige Fanproteste nur zu verhindern sein, wenn der Mitgliederbeschluss bei einem entsprechenden Ausgang in die Tat umgesetzt wird.