Mark van Bommel hatte mit der Aufgabe beim VfL Wolfsburg eine riesige Chance. Nach seiner Weltklasse-Zeit als Spieler, Champions League-Sieger mit Barcelona und Kapitän des FC Bayern, hätte er in Wolfsburg auch in die Königsklasse der Trainer aufsteigen können. (DATEN: Die Tabelle der Bundesliga)
Darum scheiterte van Bommel bei Wolfsburg
Doch innerhalb von vier Monaten ist van Bommel gescheitert - der Verein zog die Reißleine. Früh, aber vermutlich noch rechtzeitig. Denn es ist tatsächlich noch nichts verloren für den VfL!
So überzeugt sie in Wolfsburg waren von ihrer Trainer-Idee van Bommel, so schnell war die Überzeugung in die Qualitäten des Niederländers in den letzten Wochen auch wieder gewichen. Die Arbeit beim Bundesliga-Topklub hat ihn geschafft, nicht er sie. (DATEN: Ergebnisse und Spielplan der Bundesliga)
Van Bommel, so sehen es die Spieler, war in nahezu jeder Hinsicht das Gegenstück zu seinem Vorgänger Oliver Glasner. Daher war die Arbeit, oder besser, die Herangehensweise des neuen Trainers, aber eben auch dessen Verpflichtung, schon in den ersten Vorbereitungswochen immer wieder Thema im Mannschaftskreis.
Van Bommel hatte anderen Plan als Glasner
So kompliziert das Lernen unter Glasner war, seine Wünsche und Vorgaben brachten einige Wolfsburger Spieler vor allem in der Hinrunde der Saison 2019/2020 an ihre geistigen Belastungsgrenzen, so „einfach“ erschien das Training unter dem Neuen.
Im Kader, berichten Beobachter, entstanden Lager. Die, die van Bommels kommode Anforderungen und eher unkomplizierte Taktiken zu schätzen wussten und sich in den neuen, niedrigschwelligen Ansprüchen schnell heimisch fühlten, und die, die das Unheil früh kommen sahen. Wortführer wie Torwart Koen Casteels oder Maximilian Arnold zählten dazu. (NEWS: Alle aktuellen Infos zur Bundesliga)
Sie waren gesetzt bei van Bommel, wie auch einige andere, der Trainer versprach sich ihre uneingeschränkte Unterstützung, doch als sich, Mitte September, die Ergebnisse den Wolfsburger Darbietungen anpassten, verlor der Trainer seine wichtigsten Spieler. Denn deren Sorgen wuchsen - angeblich mit jeder Trainingseinheit.
Van Bommel forderte immer häufiger „große Kleinigkeiten“, wie er es mal nannte. Er meinte die einfachen Dinge, den letzten Pass zum Beispiel, die nötige Zweikampfstärke, doch seiner Mannschaft fehlte es am Navigationssystem, am Plan, dorthin überhaupt regelmäßig zu gelangen. „Wir müssen es besser machen“, sagte der Trainer, oft sehr allgemein, die Anleitung lieferte er zu selten.
Van Bommel erreichte das Team nicht mehr
Viele Spieler, so wird es erzählt, fühlten sich wiederholt allein gelassen, den ruhigen Erklärer, den sie sich gewünscht hätten, fanden sie in van Bommel nicht. „Er war wohl schnell eingeschnappt“, sagt ein Berater, dessen Klient fast in jeder Partie unter van Bommel zum Einsatz kam, „ein richtig vertrautes Miteinander war es nicht zwischen der Mannschaft und dem Trainer.“
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Für Wolfsburg ist noch nichts verloren, in der Bundesliga so wenig wie in der Champions League, wo mit einem Sieg gegen Salzburg (2.11.) alle Chancen zurück wären. Sportchef Jörg Schmadtke („Das ist auch eine Niederlage für mich“) hat so rechtzeitig gehandelt, dass noch viel Zeit ist.
Der Kader hat Qualitäten, die für die ersten vier Plätze genügen. Welchem Fachmann er die hochbegabten Angestellten anvertraut, wird entscheidend sein. Für den Verein, auch für Schmadtke. Noch eine Fehleinschätzung wie Mark van Bommel würde den VfL Wolfsburg weit zurück werfen.
Tobias Holtkamp, der Autor dieses Textes, war in der Chefredaktion von Sport Bild und Chefredakteur von transfermarkt.de. Heute berät er Sportler und Marken in ihrer inhaltlichen und strategischen Ausrichtung. Für SPORT1 schreibt Holtkamp als Kolumnist die wöchentliche „Bundesliga-Kolumne“.