Als Spieler war Mark van Bommel der “Aggressive Leader” - vor allem zu seiner Zeit beim FC Bayern zwischen 2006 und 2011. Mit dem Rekordmeister wurde der Niederländer zweimal Deutscher Meister und zweimal Pokalsieger.
Van Bommel über VfL-Traumstart
2014 startete van Bommel seine Trainerkarriere. Sein erster Cheftrainer-Job war bei PSV Eindhoven. Diesen Sommer wurde er nun Nachfolger von Oliver Glasner beim VfL Wolfsburg. Mit den Wölfen steht van Bommel nach drei Spieltagen und drei Siegen auf Platz 1 - der beste Saisonstart der Vereinsgeschichte.
Das lässt den Fauxpas im Pokal zuletzt vergessen. Da leistete sich der neue VfL-Coach gleich in der ersten Runde einen Wechselfehler, der schließlich das Ausscheiden für den Verein bedeutete.
Im ersten Teil des SPORT1-Interviews spricht der 44-Jährige über die neue Aufgabe bei den Wölfen.
SPORT1: Herr van Bommel, drei Siege in Folge. Es ist der beste Saisonstart in der Vereinsgeschichte. Lassen Sie uns an Ihrer Freude teilhaben...
Mark van Bommel: Ich bin sehr froh, dass wir neun Punkte haben. Aber wir stehen erst am Anfang der Saison. Ich wollte die Dinge aus dem vergangenen Jahr beibehalten, weil da vieles sehr gut lief, am Ende war man immerhin Vierter. Und ich wollte meine eigene Spiel-Idee hinzufügen und dafür sorgen, dass die Mannschaft es umsetzt. Das ist ein Prozess. Jetzt haben wir als einziges Team alle drei Spiele gewinnen können, das ist natürlich super. Das zeigt aber auch, dass die Liga sehr ausgeglichen ist. Jeder kann jeden schlagen. (DATEN: Ergebnisse und Spielplan der Bundesliga)
SPORT1: Dabei lief die Vorbereitung nicht so gut. Alle Testspiele wurden verloren.
Van Bommel: Gut, dass das angesprochen wird. Als klar war, dass ich in Wolfsburg Trainer werden würde, haben wir den Plan für die Sommer-Vorbereitung zusammengestellt und geschaut welche Gegner wir auswählen. Die Frage war: nehmen wir Fünftligisten als Gegner oder Champions-League-Klubs? Wir wussten, dass es nicht leicht wird, weil die EM-Fahrer auch erst später zurück kamen. Aber wir haben gegen sehr gute Mannschaften gespielt und das war wichtig. Klar, fünf Niederlagen waren nicht schön, aber nicht alles war schlecht. Nur die Ergebnisse stimmten nicht. Und auch jetzt ist längst nicht alles super, nur weil wir Erster sind. Man muss immer alles realistisch bewerten.
SPORT1: Freuen Sie sich nicht diebisch vor den Bayern zu stehen? (NEWS: Alle aktuellen Infos zur Bundesliga)
Van Bommel: Es sind erst drei Spiele gespielt. Natürlich stehen wir auch vor den Bayern und das ist doch gut für uns, aber für viele Mannschaften ist es auch schwierig. Warum? Es gab im Sommer viele neue Trainer. Ich glaube acht oder neun Vereine sind mit einem neuen Fußballlehrer in die Saison gestartet. Das bedeutet viele neue Ideen für die jeweiligen Teams. Ich bin heilfroh, dass wir so in die Saison gekommen sind. Das ist nicht selbstverständlich.
SPORT1: Haben Sie das Pokal-Theater mit Ihrem Wechselfehler inzwischen komplett vergessen?
Van Bommel: Diese Geschichte war richtig blöd. Ich war irritiert, dass es passiert ist. Es war sehr enttäuschend. Wir haben in der Verlängerung das Spiel gewonnen und im Nachhinein wunderten wir uns, dass wir falsch gewechselt haben. Wir hatten mehrmals gefragt, wie der Stand ist. Aber das Thema ist für mich abgehakt. Wir haben zwei Mal gekämpft und Berufung eingelegt. Leider sind wir im Pokal raus. Jetzt gibt es für uns nur noch die Meisterschaft und die die Champions League. Umso schöner war es die ersten drei Spiele zu gewinnen.
“Beim VfL sind alle Voraussetzungen gegeben”
SPORT1: Etwas ketzerisch gefragt: Haben Sie jetzt immer das DFB-Regelbuch unterm Kopfkissen?
Van Bommel: (lacht) Nein, weil mir so etwas nie mehr passieren wird. Das hat mich so geärgert. Es war absolut unnötig.
SPORT1: Wie waren die ersten zwei Monate in der Autostadt?
Van Bommel: Ich war schon einige Wochen vor meinem Start einen ganzen Tag in Wolfsburg, habe mir eine Wohnung angeschaut und wollte die Mitarbeiter des Vereins kennen lernen. Ich wollte bestmöglich vorbereitet sein, wollte mich mit dem Klub gleich identifizieren. Beim VfL sind alle Voraussetzungen gegeben, um gute Leistungen zu bringen. Ich fühle mich sehr wohl und es hat sich das bestätigt, was ich mir vorher erträumt habe. Ich arbeite bei einem Bundesligisten, der sehr gut aufgestellt ist. Es macht mir großen Spaß und ich freue mich ein Teil davon zu sein.
SPORT1: Es gibt eine neue Abgeklärtheit und Souveränität beim VfL. Die Spieler sollen antizipieren können, was auf dem Platz passiert. Wie meinen Sie das?
Van Bommel: Ich meine damit, dass die Mannschaft für jedes Spiel bestmöglich vorbereitet sein muss. Auf eine Art und Weise, dass die Jungs wissen, wie der Gegner spielt, wie wir spielen wollen, wo wir dem Gegner weh tun können. Und dass meine Spieler auf andere Situationen vorbereitet sind. Sie müssen niemals nervös sein. Wir wollen ein Spiel bestimmen und wenn der Gegner etwas anderes macht, wissen wir, was zu tun ist.
SPORT1: Wie ist es, Bundesligatrainer zu sein? (DATEN: Die Tabelle der Bundesliga)
Van Bommel: Es ist großartig. Ich wollte unbedingt in der Bundesliga als Trainer arbeiten und jetzt fühle ich mich richtig wohl. Ich habe damals viereinhalb Jahre bei Bayern gespielt und habe da schon den Reiz gespürt, diesen Job ausüben zu wollen. Die Infrastruktur ist top, die Stadien sind toll und die Vereine sind super aufgestellt. Das Niveau ist im Vergleich zu 2011, als ich zum AC Mailand gewechselt bin, wesentlich höher. Und die Resonanz im Ausland ist riesig, jeder spricht positiv über die Bundesliga. Jedes Spiel ist eine super Erfahrung für mich.
SPORT1: Als Spieler waren Sie der “Aggressive Leader”. Wie ticken Sie als Trainer?
Van Bommel: Als Spieler habe ich mich immer mit dem Verein identifiziert und wollte stets alles dafür tun mit meinem Team zu gewinnen. Manchmal ging ich dabei bis zu einem gewissen Punkt, manchmal habe ich eine Grenze überschritten. Jetzt bin ich Trainer und versuche meine Mannschaft so spielen zu lassen, wie ich mir das vorstelle. Ich schaue sehr genau auf die Qualität unseres Teams. Ich muss mich anpassen und die Spieler auch. Bei mir muss jeder wissen, was er auf dem Platz zu tun hat.
SPORT1: Sie haben eine Vorliebe für kreative Trainingsformen. Was ist damit gemeint?
Van Bommel: Es ist extrem wichtig es so hinzukriegen, dass zum Beispiel meine Innenverteidiger nach vorne verteidigen, meine Mittelfeldspieler den Raum decken und dass der Außenstürmer oder der Außenverteidiger so läuft, wie ich das gerne sehen möchte. Ich schreibe meine Übungen auf einen Zettel und wenn es dann nicht richtig ist, schmeiße ich den Zettel eben wieder weg. Wenn die Übung stimmt, dann wird das auf dem Platz einstudiert. Ich bin ein sehr akribischer Trainer, will mich und meine Spieler immer weiterentwickeln. Das habe ich in Eindhoven versucht und das versuche ich jetzt auch in Wolfsburg. Bei mir soll es nie langweilig werden. Die Spieler müssen bei mir ständig auf Neuerungen gefasst sein. Das fängt im Kopf an. (SERVICE: Bundesliga-Spielplan zum Ausdrucken)
“Ich war nicht immer einfach für einen Trainer”
SPORT1: Ein Modewort im modernen Fußball ist Laptoptrainer? Sind Sie einer?
Van Bommel: Ich bin von allem ein bisschen. (schmunzelt) Ich bin kein typischer Laptoptrainer, benutze ihn aber schon auch regelmäßig. Ich schreibe aber auch vieles auf einen Zettel. Wenn ich etwas falsch schreibe, dann drehe ich den Zettel um und schreibe es neu drauf. Das dauert mit dem Laptop etwas länger. Ich hatte den Vorteil, dass ich einige gute Trainer in meiner Karriere hatte. Da habe ich mir viel Gutes abschauen können, von dem ich überzeugt war dies auch mal so zu machen. Manchmal bin ich als Trainer der Kumpel, manchmal der Schleifer. Aber das Wichtigste als Trainer ist für mich, dass man für die Spieler da ist. Sie sollen verstehen, wie ich denke. Und ich will auch immer wissen, wie sie denken. Das muss auch so kommuniziert werden. Ich versuche immer alles zu erklären, zum Beispiel, wenn ein Spieler nicht im Kader ist. Aber das ist nicht immer möglich.
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SPORT1: Wie würde der Trainer van Bommel mit dem Spieler van Bommel umgehen?
Van Bommel: Ich war nicht immer einfach für einen Trainer. Aber ich habe immer alles für die Truppe gegeben. Und das hat jeder Coach an mir geschätzt. Manchmal hat sich ein Trainer auch sehr über mich geärgert. Ich will sehen, dass jeder Spieler immer das Beste für das Team will. Aber wir dürfen auch mal streiten, das ist für mich kein Problem. Es muss immer für die Mannschaft positiv sein.
SPORT1: Ist Maxi Arnold der van Bommel des VfL?
Van Bommel: Das wirkt so, weil er die gleiche Position spielt wie ich früher. Aber wir haben noch mehr Spieler, die eine ähnliche Mentalität haben. Wir haben eine Mannschaft, die einen sehr guten Charakter hat. Das war schon in den zurückliegenden Jahren so. Das ist in den Spielern drin. Den Charakter hat man gegen Leipzig gesehen. Die Jungs geben immer 100 Prozent - es ist eine tolle Zusammenarbeit. Ich bin glücklich darüber.
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SPORT1: Haben Sie sich bei Ihrem Schwiegervater Bert van Marwijk Rat geholt?
Van Bommel: Natürlich haben wir darüber gesprochen. Wir haben immer die Bundesliga verfolgt, auch nach meiner Bayern-Zeit war das stets ein Thema bei uns. Die Bundesliga ist in den Niederlanden seit vielen Jahren sehr populär. Bert freut sich für mich, dass ich jetzt Trainer in Wolfsburg bin.
SPORT1: Warum haben Sie Michael Frontzeck als Co-Trainer geholt? Das überraschte…
Van Bommel: Ich wollte einen deutschen Co-Trainer, der die Bundesliga gut kennt und Ahnung vom deutschen Fußball hat. Wir hatten da einige Namen besprochen und mit Michael hat das sofort gut gepasst. Es waren sehr gute Gespräche.
SPORT1: Am Montag wurde Dodi Lukebakio von Hertha BSC bis 2022 ausgeliehen. Wie kam es dazu?
Van Bommel: Ich bin froh, dass wir das hingekriegt haben und Dodi für eine Saison ausleihen können. Gute Spieler sind immer interessant und er ist ein guter Spieler. Er passt hervorragend zu unserem Kader und wird uns verstärken, da bin ich mir sicher. Er hat Qualitäten, die uns weiterbringen können. Das ist das Wichtigste.
SPORT1: Freuen Sie sich schon Champions-League-Saison?
Van Bommel: Es ist immer schön, in der Champions League dabei zu sein. Ich habe es in Eindhoven als Trainer erlebt und bei Bayern als Spieler. Allein die Hymne zu hören, ist super. Ich muss ehrlich sagen, dass die Auslosung schwerer hätte sein können. Die Gruppe ist machbar, aber so denken auch Salzburg, Lille und Sevilla. Es wird jedenfalls nicht einfach, diese Gruppe zu überstehen, weil jeder jeden schlagen kann. Jeder hat die gleich große Überzeugung in dieser Gruppe besser bestehen zu können statt in einer anderen.