In den Katakomben des Frankfurter Stadions nahm sich Erik Durm ausführlich Zeit für ein Gespräch vor dem Saisonstart der Eintracht ausgerechnet gegen seinen Ex-Klub Borussia Dortmund. (Bundesliga: Borussia Dortmund - Eintracht Frankfurt, 18.30 Uhr im LIVETICKER)
Durm warnt: Beim BVB “nicht nur Haaland”
Zwar wartet das erst wenige Wochen alte Töchterchen auf den zweifachen Familienpapa. Dennoch gibt es einige Themen, die nach der 0:2-Niederlage im DFB-Pokal bei Waldhof Mannheim brennen. (NEWS: Alle aktuellen Infos zur Bundesliga)
Im SPORT1-Interview spricht der Weltmeister von 2014 über den BVB, Frankfurts Fehlstart im Pokal und wie die SGE Torjäger André Silva ersetzen will.
So erklärt Durm die Blamage im DFB-Pokal
SPORT1: Erik Durm, die Pokal-Niederlage der Eintracht in Mannheim war eine der wenigen Blamagen des Wochenendes. Wo sahen Sie die Gründe für diese Niederlage?
Erik Durm: In einem Pokalspiel ist auch für den Underdog immer alles möglich. Wir wollten in die nächste Runde einziehen, aber das ist uns nicht gelungen. Mannheim hat gut gespielt, vielleicht auch über seinen Möglichkeiten. In der ersten Halbzeit haben wir bis auf zwei Chancen nichts zugelassen, geraten dann aber kurz nach der Pause nach einem Eckball in Rückstand. Das kann natürlich passieren, aber es war bitter, weil wir wussten, dass sie auf solche Situationen lauern. Danach kamen die Fans, die Stimmung im Stadion wurde lauter und wir haben uns in der zweiten Halbzeit schwergetan. Die gelb-rote Karte für Martin Hinteregger hat es dann noch komplizierter gemacht. Wir haben uns das natürlich ganz anders vorgestellt und wollten im Pokal weit kommen.
SPORT1: Bei den Pokalspielen standen aber nicht nur die Ergebnisse, sondern auch die Fans im Mittelpunkt. Wie haben Sie die Rückkehr der Anhänger trotz Niederlage erlebt?
Durm: Wir Spieler haben alle unter anderem wegen der Atmosphäre in den Stadien angefangen, Fußball zu spielen. Davon lebt der Sport. Natürlich macht es dann viel mehr Spaß, auch wenn es ein Auswärtsspiel war. Bei Heimspielen bekommst du nach einem guten Tackling oder einer starken Aktion Szenenapplaus, das gibt dir noch viel mehr Kraft. Wir freuen uns, wenn wir wieder in unserem Stadion vor Fans spielen und hoffentlich auch feiern dürfen.
So läuft es bei Eintracht Frankfurt unter Glasner
SPORT1: Oliver Glasner erlebte somit dennoch einen Fehlstart an neuem Arbeitsplatz. Wie bewerten Sie die Vorbereitung unter ihm?
Durm: Ich sehe die Arbeit von Oliver Glasner sehr positiv. Er ist auf und neben dem Feld äußerst kommunikativ. Der Trainer hat eine sehr genaue Vorstellung davon, wie wir spielen sollen. Das konnten wir in den Testspielen gut umsetzen. Leider haben wir das erste Pflichtspiel verloren, doch jetzt geht es darum, wie wir damit umgehen. Wir können die Niederlage nicht mehr rückgängig machen und müssen es abhaken. Jetzt wollen wir uns bestmöglich in Dortmund präsentieren.
SPORT1: Hat Glasner seine Spielidee dem Team schon vermitteln können? Er greift im Training noch sehr oft ein...
Durm: Natürlich gibt es noch immer Details, die wir von Vorgänger Adi Hütter oder anderen Stationen anders kennen. Das ist ganz normal. Jeder Trainer versucht, seine Spielidee optimal zu vermitteln. Das kann etwas Zeit brauchen. Manchmal geht es bei Übungen nur um wenige Zentimeter. Oliver Glasner hätte dann gerne, dass wir mehr rausschieben oder uns zurückfallen lassen oder das diagonale Zuspiel wählen. Manchmal sind es Kleinigkeiten, die er direkt anspricht und deshalb häufiger eingreift. Aber das finde ich gut, weil wir Spieler dann wissen, was er von uns verlangt. (DATEN: Die Tabelle der Bundesliga)
SPORT1: Hat der Verlust von Fredi Bobic und Adi Hütter der Eintracht trotz der neuen Leute Markus Krösche und Oliver Glasner wehgetan?
Durm: Der Verein hat die Abgänge von Fredi Bobic und Adi Hütter gut kompensiert. Oliver Glasner ist ein erfahrener Trainer. Unsere Mannschaft ist zum größten Teil zusammengeblieben. Natürlich haben wir André Silva verloren, aber wir haben dafür auch tolle neue Spieler bekommen. Dass wir mit Markus Krösche und Oliver Glasner jetzt neue Leute in der Führung haben, ist normal in diesem Geschäft. Veränderungen auch auf Führungspositionen sind nicht selten. Wir wollen uns jetzt als Mannschaft weiterentwickeln und freuen uns auf das, was kommt.
André Silva weg? “Vielleicht macht Borré ja auch mehr Tore”
SPORT1: Bei der Eintracht gab es nicht nur in der Führungsebene, sondern vor allem im Sturm einen Umbruch. Sehen Sie 28-Tore-Mann André Silva schon gut ersetzt?
Durm: André Silva ist nur schwer eins-zu-eins zu ersetzen. Er hat sehr viele Tore für uns gemacht. Aber wir haben mit Rafael Borré einen sehr guten Spieler geholt. Er ist menschlich super und passt gut in die Truppe. Borré ist torgefährlich, setzt seinen Körper gut ein und gibt alles für die Mannschaft. Vielleicht macht er ja auch mehr Tore als André (lacht). Ich will da aber keinen Druck auf ihn aufbauen. André hat sich letztes Jahr sehr gut präsentiert, da ist es klar, dass andere Vereine aufmerksam werden. Wir haben aber guten Ersatz geholt. (SERVICE: Bundesliga-Spielplan zum Ausdrucken)
SPORT1: Muss man ohne Silva die Ansprüche mit Blick auf Europa dennoch herunterschrauben?
Durm: Unsere starke Saison lag nicht nur an André Silva. Ich glaube, dass wir auch in dieser Saison wieder oben mitmischen können. Es ist natürlich schwierig, sich ganz oben festzubeißen, aber das war es letzte Saison auch schon. Wir haben hart für unseren Erfolg gearbeitet und werden das wieder tun. Wenn wir geschlossen auftreten und die Spielidee von Oliver Glasner verinnerlichen, dann bin ich der Überzeugung, dass wir wieder oben mitspielen können - auch ohne André. Den Spirit vom Vorjahr haben wir jetzt auch und deshalb ist einiges möglich. Aber wir müssen auch geduldig sein.
BVB? “Wissen, was wir tun müssen”
SPORT1: Ab Samstag geht die Bundesligasaison los und die Reise geht gleich zu Ihrem Ex-Klub Borussia Dortmund. Kann sich die Eintracht so schnell von diesem Nackenschlag in Mannheim erholen?
Durm: Ich erwarte gegen Borussia Dortmund ein ganz anderes Duell. In Mannheim hatten wir die Favoritenrolle inne, diesmal liegt sie bei Dortmund. Wir wollen dort dennoch punkten. Natürlich wird das schwierig, aber wir haben trotz der Niederlage in Mannheim das nötige Selbstvertrauen. Wir wissen, was wir dort falsch gemacht haben. Die Niederlage lag an uns, wir haben unsere Leistung nicht auf den Platz gebracht. Jetzt wollen wir dieses Quäntchen umdrehen. Wir haben die Borussia gut analysiert und wissen dann, was wir tun müssen.
SPORT1: Mit Ihnen auf dem Platz? Ihr Konkurrent und Freund Danny da Costa hatte zuletzt in Testspielen und im Pokal den Vorzug erhalten.
Durm: Darüber mache ich mir keinen Kopf. Danny da Costa hat eine sehr gute Vorbereitung gespielt und bei den Testspielen überzeugt. Er hat gegen Mannheim gespielt und unsere Unterstützung bekommen, wie jeder andere Spieler auch. Der Trainer entscheidet am Ende, wer spielt. Ich werde versuchen, alles reinzuhauen, was ich habe. Dann werden wir sehen, wie sich der Trainer entscheidet. Alles andere liegt nicht in meiner Hand. Es geht immer um den Erfolg der Mannschaft. Wir können nur etwas erreichen, wenn wir zusammenrücken.
“Dortmund hat nicht nur Haaland”
SPORT1: Stichwort zusammenrücken. Bei Dortmund spielt mit Erling Haaland einer der interessantesten Spieler weltweit im Sturm. Wie kann er gestoppt werden? (DATEN: Ergebnisse und Spielplan der Bundesliga)
Durm: Selbstverständlich haben wir auch gegen die Borussia einen Plan. Den plaudere ich natürlich nicht aus, aber wir wissen, worauf es ankommen wird. Dortmund hat jedoch nicht nur Erling Haaland, sondern auch viele andere Topspieler. Die haben wir aber auch. Wenn wir unseren Plan umsetzen, dann haben wir auch gegen den BVB die Chance auf drei Punkte.
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SPORT1: Als Ex-Spieler des BVB haben Sie auch mit Sebastian Kehl zusammengespielt. Trauen Sie ihm die Rolle von Michael Zorc zu?
Durm: Ja, ich traue Sebastian die Nachfolge von Michael Zorc zu. Ich habe ihn in seiner Profizeit als einen sehr positiven und hilfsbereiten Menschen kennengelernt. Er hatte immer ein Ohr für uns junge Spieler, er hat uns mitgezogen und uns geholfen. Ich glaube schon, dass er der Richtige für die Position von Zorc ist. Ich habe seine Entwicklung aus der Ferne zwar nicht so genau verfolgen können. Aber so, wie ich Sebastian früher kennengelernt habe, kann ich mir vorstellen, dass er die Aufgabe meistert.
SPORT1: Kommen wir zu Ihnen. Welche Rolle wollen Sie in dieser Saison in Frankfurt einnehmen?
Durm: Es geht in jeder Saison darum, dass man sich neu beweisen muss. Ich versuche in jedem Training Gas zu geben, mich weiterzuentwickeln und das umzusetzen, was das Trainerteam von mir auf meiner Position erwartet. Ich will aber auch die Kollegen unterstützen. Das sind meine Hauptziele. Von mir wird es aber keine markigen Worte geben. Natürlich will man so viele Minuten wie möglich spielen. Das ist ganz normal, dafür spielen wir Fußball. Aber die Entscheidung liegt in der Hand des Trainers. Ich kann nur mein Bestes geben und mich anbieten.
Durm denkt nicht an Flucht aus Frankfurt
SPORT1: Mit Almamy Touré, Danny da Costa, Ihnen und jetzt auch Jens Petter Hauge stehen vier Spieler für die rechte Schienenposition zur Verfügung. Macht man sich da möglicherweise auch Wechselgedanken, weil man eventuell nicht wie gewünscht zum Zug kommt?
Durm: Natürlich lässt sich im Fußball nichts ausschließen. Aber aktuell mache ich mir keine Gedanken über Wechselszenarien. Ich habe noch zwei Jahre Vertrag und bin glücklich in Frankfurt. Auch ich hätte mir in der vergangenen Saison den einen Punkt mehr für die Champions League-Qualifikation gewünscht. Persönlich bin ich aber im Großen und Ganzen zufrieden, wie es lief, ich habe häufig gespielt. Wir haben jetzt einen neuen Trainer und ich sehe uns gut aufgestellt. Warten wir mal, wie die nächsten Wochen laufen. Ich bin allerdings sehr glücklich in Frankfurt.
SPORT1: Ihr Vertrag bei der Eintracht läuft noch zwei Jahre, Sie sind dann 31 Jahre alt. Ihre Weltmeister-Kollegen wie André Schürrle, Benedikt Höwedes oder Per Mertesacker haben mit Ende 20 oder Anfang 30 Ihre Karriere beendet. Machen Sie sich auch Gedanken in diese Richtung?
Durm: So weit blicke ich nicht in die Zukunft. Es ist einerseits nicht gut, wenn man zu sehr in der Vergangenheit lebt. Andererseits hilft es auch nicht, wenn man zu weit in die Zukunft schaut. Im Moment bin ich fit und gesund. Priorität Nummer eins ist aber, dass es meiner Familie gut geht. Solange das der Fall ist, und ich befreit Fußball spielen kann, mache ich mir über die Zukunft keine Gedanken. Ich kann mir derzeit zwar nicht vorstellen, dass in zwei Jahren Schluss ist, aber so weit denke ich noch nicht. Ich will gesund bleiben, Fußball spielen und weiterhin Spaß haben.