"Ich war selbst Jugendtrainer, bevor ich den Medizinball verschluckt habe", hat Calli einmal gemeint.
Der ehemalige "Bauch der Nation"
Über Jahrzehnte kannten die Fußballfans den legendären Ex-Manager von Bayer Leverkusen nur als den "Bauch der Nation" (Selbstbeschreibung von Reiner Calmund).
Nun hat Calli sich innerhalb eines Jahres fast halbiert. Von 172 auf knapp über 100 Kilo. Mit über 70 Jahren. Beginnend mit einer Magenverkleinerung und fortgesetzt mit viel Fleiß und Training. Beeindruckend.
Denn: Über sein Äußeres – man nannte Calli schmunzelnd auch gerne wie den argentinischen Weltmeistertrainer Cesar Luis Menotti "El Flacco" (der Dürre) – hat er in seinem Leben so manchen Satz gehört und auch selbst gesagt: "Es liegt nicht an den Genen. Ich esse einfach aus Vergnügen."
Aus der BayArena direkt ins Restaurant
In den neuen Räumlichkeiten der BayArena hatten sie damals extra mehrere Schichten Teppiche übereinandergelegt, damit Calli schön federnd in Socken direkt aus dem Büro in das hauseigene Restaurant rüberschlingern konnte oder wie Günter Jauch einmal zu Calmund sagte, als dieser das Studio betrat und durchs Bild laufen musste: "Einfach mal anrollen!"
Er habe früher gerne die "Rolle des gemütlichen Dicken" eingenommen, erzählte Calli einmal – und sich in diesem Leben gut eingerichtet, wie er in der TV-Sendung "Inas Nacht" anschaulich schilderte: "Geh doch mal in ein Restaurant, Ina. Da sitzen so schöne, nette Adonisse mit ihren Frauen. Und dann gucken die da rum – äh, äh. Essen ist lecker, Wetter war schön, dann fällt den Ochsen nichts mehr ein. Wenn du mit mir Essen gehst, da ist Rambazamba, da kommt was auf den Teller, da ist Unterhaltung und danach denkst du, bei der Mister-Germany-Wahl scheidet er in der Vorrunde aus, aber sonst ist der richtig nett, richtig gemütlich und richtig lustig."
Doch über sein Gewicht wurden öffentlich stets viele Scherze gemacht. Das muss man erst einmal ertragen. So meinte Max Merkel einmal: "Im Eisschrank hatte er nur noch das Nötigste: 20 Schnitzel, 33 Frikadellen." TV-Komiker Oliver Kalkofe spottete: "Reiner Calmund ist nicht der dickste Mann der Welt geworden, nur weil er so viel gefressen hat. Nein, er hat sich auch nicht bewegt und ist nicht aufs Klo gegangen. Und heute kann er mit einem Furz ein Schlauchboot aufblasen."
"Calmund als Hüpfburg"
Stefan Raab ergänzte: "Fastenzeit heißt für Reiner Calmund: Mehrere Wochen werden die Knochen nicht mitgegessen …" Und auch Harald Schmidt sah Calli als populäre Angriffsfläche für Flachwitze: "Leverkusen hat die Bewerbung zurückgezogen, das Stadion ist zu klein. Beim nächsten Mal bewirbt sich Leverkusen dann mit dem Esszimmer von Reiner Calmund" und "Die deutsche Nationalmannschaft macht einen Nachmittag für Kinder. Die Hauptattraktion ist Calmund als Hüpfburg."
Nur Leverkusens damaliger Physiotherapeut Dieter Trzolek machte sich offensichtlich echte Sorgen um den Bayer-Manager: "Reiner betreibt Selbstmord mit Messer und Gabel." Spottete dann aber ebenfalls über Callis Diätversuche: "Seine Frau hat im Wohnzimmer gegessen, er in der Küche – so sah seine Trennkost aus."
Aber auch Calmund selbst spielte verbal gerne mit seinem Äußeren. Als Bremens Manager Willi Lemke als Bildungssenator in die Politik wechselte, kommentierte er dies so: "Klar, kann ich mir so etwas auch vorstellen. Aber nur in die Bundespolitik – als Wirtschafts- und Ernährungsminister."
Calli gab für Leverkusen alles
Doch im Grunde war sein Verein natürlich für Calli durch nichts zu ersetzen. Er ließ nie den Hauch eines Zweifels, dass er für Bayer alles geben würde, wie diese Sätze einst bewiesen: "Für den Titel würde ich 20 Kilo Fett absaugen lassen!" Oder: "Für die deutsche Meisterschaft würde ich ein halbes Jahr nix essen."
Was Reiner Calmund gar nicht schätzte, waren spezielle Unterredungen mit seinem Trainer Christoph Daum: "Gelegentlich versaut er mir mit seinem Gesundheitsgefasel am Tisch selbst den Genuss des herrlichsten Essens!" Mit Werder-Manager Willi Lemke scherzte er hingegen ausgiebig: "Man Willi, du siehst ja echt aus, als sei ’ne Hungersnot ausgebrochen!" Lemke konterte spitzfindig: "Und du siehst so aus, als seiest du schuld daran!"
Über den Mann, der sich früher einmal als Pornodarsteller selbst den Künstlernamen "flinke Dicke" geben hätte, hat Max Merkel einmal gesagt: "In der Bundesliga ist Big Calli berühmter geworden als die Wildecker Herzbuben mit ihrem Herzilein-Heuler." Und als er in Leverkusen seinen Manager-Posten aufgab, meinte der ehemalige Meistertrainer traurig: "Ohne Calli ist mir Bayer zu dünn."
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Bayer-Meisterschaft wahrscheinlicher als Idealgewicht
Alles Vergangenheit. Reiner Calmund ist äußerlich fast nicht mehr wiederzuerkennen. In diesen Tagen wird er sich nun noch ein weiteres Mal unters Messer legen. Dann werden die letzten Reste des ehemaligen "Bauchs der Nation" entfernt. Doch keine Sorge – Essen tut Calli immer noch gerne: "Ich bin nach wie vor ein Leckermäulchen und habe Appetit, aber mein Sättigungsgefühl setzt viel früher ein. Schon nach kleinen Portionen bin ich satt."
Früher wollte ein Reporter einmal vom damaligen Bayer-Manager wissen: "Herr Calmund, was ist wahrscheinlicher? Dass Sie eines Tages Ihr Idealgewicht erreichen oder dass Bayer Leverkusen Deutscher Meister wird?" Calli antwortete ehrlich: "Dass Bayer Meister wird!"
Er hat sich offensichtlich geirrt. Aber vielleicht ist Callis wundersame Entwicklung auch für Bayer ein Zeichen: Nichts ist unmöglich – auch wenn es manchmal viele Jahre und viele Anläufe benötigt.
Ben Redelings wurde 1975 im Flutlichtschatten des Bochumer Ruhrstadions geboren und ist Experte für die unterhaltsamen Momente des Fußballs. Das Buch zur SPORT1-Serie ist ein gern gelesener Bestseller: "Best of Bundesliga: Die lustigsten Legenden des deutschen Fußballs". Als SPORT1-Kolumnist schreibt Ben regelmäßig über die "Legenden des Fußballs" und "Best of Bundesliga".
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