Ob es an dieser einen seltsamen Marotte lag, dass der ehemalige Bayern-Profi Jupp Kapellmann bei seinen Mannschaftskameraden nie besonders gut gelitten war? Man weiß es nicht. Aber dass ein erwachsener Mann in der Kabine am liebsten neben seinem Stoffbären - mit dem wunderschönen Namen Mister Pitt - saß, das wird es in der langen Historie der Bundesliga wohl kein zweites Mal gegeben haben.
Der unbeliebte Star und sein Stoffbär
Jupp Kapellmann war ohne Frage ein herausragender Fußballer. Und ganz sicherlich hätte er es auf weit mehr als fünf Einsätze für die DFB-Elf gebracht, hätte er bei seinen Teamkollegen auf der Beliebtheitsskala ein paar Plätze weiter vorne eingenommen.
Doch schon damals, als er aus Köln wegging und in München anheuerte, fragte den frisch gebackenen Bayern-Neuzugang recht bald ein neugieriger Journalist, ob es denn sein könne, dass er von seinen neuen Mannschaftskameraden "geschnitten" werde? Kapellmanns Antwort war zwar schlau ("Ich habe nur festgestellt, dass der Rasen des Trainingsplatzes frisch geschnitten ist"), änderte aber nichts daran, dass der Eindruck des Reporters wohl tatsächlich zutraf.
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Schließlich war der Mann aus dem heutigen Würselen auch schon in Köln im Unfrieden geschieden. Und als er dann das erste Mal auf seine ehemaligen FC-Kollegen traf, schallte es in den Katakomben des Olympiastadions lauthals aus der Kölner Kabine: "Kapellmann ha ha ha!" Er war eben einer der streitbarsten Fußballer in der Bundesligageschichte.
Kapellmann stellt 1973 Rekord als teuerster Bundesligaspieler auf
Damals bei seinem Wechsel im Jahr 1973 war Kapellmann mit 800.000 Mark der teuerste Spielertransfer der Bundesliga. Doch die Vorfreude bei seinen neuen Mannschaftskameraden hielt sich in Grenzen.
Bereits im letzten Spiel vor dem Transfer bekam Kapellmann richtig was auf die Socken. Sein zukünftiger Coach Udo Lattek zeigte sich etwas erstaunt: "Es stimmt, meine Spieler sind besonders gegen den Jupp hart zur Sache gegangen." Kapellmann selbst blieb jedoch gelassen: "Ich komme ja nicht nach München, um mich mit den anderen Spielern zu verbrüdern, sondern um gemeinsam mit ihnen Erfolg zu haben."
Das Problem mit seinen neuen Teamkameraden stammte noch aus der Vorjahresspielzeit. Am 12. April 1972 hatte Kapellmann Wolfgang Sühnholz in Köln beim DFB-Pokal-Rückspiel, das wegen seiner ruppig geführten Spielweise auch als "Schlacht von Köln" bekannt ist, die Karriere des Bayern-Stürmers durch eine sehr harte Attacke beendet.
Das hatten die anderen Spieler Kapellmann nicht verziehen. In München angekommen, prügelte sich Kapellmann erst einmal mit seinen Mannschaftskollegen Klaus Wunder und Conny Torstensson. Der Einstand war somit bereits gleich verhagelt.
Aber auch in Köln hinterließ der angehende Arzt ("Innenpfosten rein, Innenpfosten raus, darauf kann man doch kein Leben aufbauen") verbrannte Erde. Seinen ehemaligen Mannschaftskameraden Simmet bezeichnete Kapellmann als "Pantoffelhelden" und riet, man müsse denselben wohl einmal über die "Funktion des Kleinhirns" aufklären. Die FC-Spieler reagierten so verärgert, dass sie den Vorstand baten, Kapellmann schriftlich Hausverbot für das Klubhaus "Zum Geißbock" zu erteilen.
Kapellmann legt sich immer wieder mit Kollegen an
Auch bei anderen Bundesligaprofis stieß der Münchener nicht immer auf Gegenliebe. Franz Gerber wäre am liebsten Arzt geworden, daraus wurde aber nichts. Eine Vorstellung trieb ihm jedoch noch Jahre später die Tränen in die Augen: "Stellen Sie sich mal vor: Ich und der Kapellmann, wir Erzfeinde an einem Operationstisch. Das würde der Patient auf gar keinen Fall überleben!"
Kapellmann suchte den Streit aber auch immer wieder selbst. Als er 1979 für den Stadtrivalen 1860 München spielte, sagte er über Paul Breitner: "Was soll ich mit einem Mann anfangen, dessen Frau einen Tag nach dem Lokalderby, bei dem ich ihm als Spielführer der gegnerischen Mannschaft die Hand gegeben habe, sagt: Mein Mann hat schon vielen Deppen die Hand gegeben, gestern auch wieder einem? Für mich persönlich gibt es mit Paul Breitner in Zukunft nur einen möglichen Berührungspunkt: Ich als Arzt und er als Notfall!"
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Stoffbär Mister Pitt als treuer Begleiter
Und dann war da ja auch noch sein legendärer Stoffbär Mister Pitt. Natürlich brachte Kapellmann seinen treuen Begleiter auch mit zu den Bayern. Und dann saß er da mitten in der Kabine mit seinem knuddeligen Freund und sprach vor seinen Mannschaftskollegen mit ihm Französisch. Zudem dozierte der junge Arztstudent häufig über medizinische Probleme des Fußballs.
Es fielen Sätze wie dieser: "Die Konzentration ist abhängig von der celebralen Durchblutung, und wenn ich keine Kondition habe, lässt auch die nach". An einem anderen Tag bemerkte Kapellmann schließlich ganz beiläufig einmal: "Einigen von uns fehlt das periphere Sehen. Wenn ich sehe, dass einer steil geht, muss ich mich von meiner ursächlicheren Aufgabe lösen und mannschaftsintegriert agieren." Man kann sich das Gesicht von Katsche Schwarzenbeck bei diesen Sätzen bildhaft vorstellen.
Irgendwann reichte es den Teamkollegen aber. Sie beschlossen mehrheitlich, man müsse etwas gegen die Wahnsinn unternehmen. Und so kam der Tag, als Kapellmann nach einem Auswärtsspiel gerade noch einmal schnell etwas erledigen musste - seinen Stoffbären aber bereits auf seinem Platz im Bus abgelegt hatte. Die Mitspieler reagierten schnell. Sie griffen Mister Pit und legte ihn unter die großen, breiten Räder des Mannschaftsbusses.
Doch Kapellmann realisierte beim Eintreten in den Bus sofort, dass etwas nicht stimmte. Geistesgegenwärtig ließ er die Tür wieder öffnen, rannte aus dem Gefährt, warf sich vor dem Bus auf den Boden und fand den Stoffbären gerade noch rechtzeitig unter den riesigen Reifen, bevor das Gefährt ihn komplett überrollt hatte.
Doch die Freude hielt nur für kurze Zeit. Einige Tage später war es schließlich um Mister Pitt endgültig geschehen. Kapellmanns Hund Noel hatte das Kuscheltier aus Eifersucht in Tausend Stücke zerfetzt - und den Fußballprofi endlich von der "nachpubertären Erscheinung" (O-Ton Kapellmann) erlöst. Und auch die Kameraden beim FC Bayern sollen durchaus erleichtert gewesen sein.
Ben Redelings wurde 1975 im Flutlichtschatten des Bochumer Ruhrstadions geboren und ist Experte für die unterhaltsamen Momente des Fußballs. Das Buch zur SPORT1-Serie ist ein gern gelesener Bestseller: "Best of Bundesliga: Die lustigsten Legenden des deutschen Fußballs". Als SPORT1-Kolumnist schreibt Ben regelmäßig über die "Legenden des Fußballs" und "Best of Bundesliga".
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