Walter Eschweiler kannte kein Erbarmen. Auch die ganz hohen Tiere des deutschen Fußballs mussten durch seine Humorschule. Und wehe, sie verpatzten die Prüfung. Dann schlug der lustigste Schiedsrichter der Bundesliga-Geschichte umso unbarmherziger zu.
Der lustigste Schiri der Bundesliga
Wenn der Name Eschweiler nur fiel, dann klopfte sich die Kölner Legende Hannes "De Nas" Löhr schon vergnügt auf die Schenkel. Nie, so meinte er einmal grinsend, würde er diese sagenhafte Szene des Schiedsrichter-Unikats mit dem Ehrenspielführer der Nationalmannschaft, Franz Beckenbauer, vergessen. Unter Bundesligaspielern war diese herrliche Aktion eine beliebte Story an geselligen Abenden. Löhr lachend: "Eschweiler hat es fertig gekriegt, den Franz nach seinem Namen zu fragen und den auch noch buchstabieren zu lassen."
Und tatsächlich: Was auf den ersten Blick unglaublich klingt, ist genau so geschehen. In der Spielzeit 1974/75 traten die Bayern zu Hause an einem trüben Novembernachmittag gegen den 1. FC Kaiserslautern an.
Eine hitzige, abwechslungsreiche Partie. Besonders, nachdem Gerd Müller in der 66. Minute per Elfmeter noch einmal auf 2:3 verkürzen konnte. Die Begegnung wurde immer rustikaler. Und auch Franz Beckenbauer langte tüchtig zu.
Eschweiler fragt Beckenbauer nach seinem Namen
Irgendwann reichte es Walter Eschweiler. Er ging beherzten Schrittes auf den frisch gekürten Weltmeister zu und fragte den verdutzten Nationalspieler nach seinem Namen. Der Kaiser schaute den Schiri lange und irritiert an - winkte dann aber nur kopfschüttelnd ab.
Doch die "Pfeife der Nation", wie sich Eschweiler gerne selbst nannte, ließ nicht locker. Und so fragte er noch zwei weitere Male nach Beckenbauers Namen, bis der Kaiser schließlich aufgab, und sagte: "Na, Beckenbauer, was denn sonst!?" Daraufhin nickte Eschweiler nur kurz und hakte mit seinem typischen rheinischen Singssang nach: "Können Sie das bitte buchstabieren, junger Mann!"
Nun war der bayrische Nationalspieler endgültig bedient. Fluchend lief Beckenbauer von dannen. Und Eschweiler? Der lächelte kurz, blies dann entspannt in seine Pfeife und erzählte noch viele Jahre danach grinsend und voller Stolz darüber, wie souverän er die Situation entschärft hatte: "Da brauchte ich gar keine Karte zeigen. Der war konsterniert genug!"
In der Tat galt Eschweiler in seiner Karriere als sehr besonnen. Er war alles andere als ein Kartenkönig. Probleme, die er verbal lösen konnte, waren ihm die liebsten: "Wenn sich ein Spieler ein wenig danebenbenahm, dann habe ich ihm sofort angeboten, ihn in meine 'Kundenkartei' aufzunehmen. Aber es gab wirklich nur wenige, die Interesse an meiner Offerte hatten."
Eschweiler wird bei der WM über den Haufen gelaufen
Die allermeisten Fußballfans kennen die "schwarze Diva" (Eschweiler über Eschweiler) vor allem durch eine Szene. Damals bei der WM 1982 wurde der Mann aus Bonn vom peruanischen Spieler Velasquez, "mit einer Figur wie ein Orang-Utan" (O-Ton Eschweiler), über den Haufen gelaufen. Der rheinische Diplomat machte eine Rolle rückwärts, fasste sich an seine Zähne und blieb für einen Moment benommen am Boden sitzen.
Anschließend rappelte sich "Die Pfeife mit der Pfeife" (eine andere Selbsttitulierung Eschweilers) auf, suchte auf dem Rasen schnell seine "Buchhaltung zusammen" und stand dann wieder kerzengrade auf dem Platz. "Eine deutsche Eiche wankt, aber sie fällt nicht", meinte Eschweiler hinterher augenzwinkernd.
Und außerdem habe er sich beeilen müssen, da eine Ärztin auf den Platz gelaufen sei, die sich ihm mit den Worten "Hello, I’m a doctor for animals" vorgestellt habe. Das hätte ihn dann doch etwas verwirrt.
Es gab kaum einen Bundesligaspieler, mit dem Eschweiler nicht zurechtkam. Aber einen Spieler liebte er besonders heiß und innig. Mit Willi "Ente" Lippens konnte sich der Bonner stundenlang auf dem Platz unterhalten.
Wenn der frühere RWE-Stürmer Lippens über den bekannten Spielleiter der siebziger und achtziger Jahre erzählt, dann klingt das noch heute ein wenig so, als ob Lippens über einen guten alten Freund redet: "Walter, Walter. Der war ja ein bisschen dünn mit Flaschenbeinen. Latte im Kreuz. Wie man sich eben einen Stocksteifen vorstellt."
"Wilhelm, ich glaub’, deine Frau betrügt uns!"
Mit dem rheinischen Diplomaten hat der halbe Holländer aus dem Ruhrgebiet Lippens einfach immer richtig viel Spaß auf dem Platz gehabt, wie er gerne und lebhaft berichtet: "Wir haben uns oft unterhalten während des Spiels. Eckball für uns, bin ich raus zur Fahne, kam er hinterher: 'Na, Wilhelm, wie geht es zu Hause?' Sag ich: 'Danke, Walter, uns geht es sehr gut. Soll ich jetzt die Ecke schießen oder möchtest du, dass ich noch was von den Kindern erzähle?'
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Oder wenn du gefoult worden bist und hast auf dem Boden gelegen, da kam er dann vorbei – so in seiner Art mit den strammen Beinen und dem glatt gebügelten Oberkörper – und hat zu dir nach unten geschaut: 'Jung, suchst du was, hast du was verloren?'"
Und auch die ganz persönlichen Scherze ließ der lustigste Schiedsrichter der Bundesliga-Geschichte, Walter Eschweiler, damals nicht aus, wie sich Lippens mit einem schelmischen Grinsen erinnert: "Mir hat der immer gesagt: 'Wilhelm, ich glaub’, deine Frau betrügt uns!'" Den muss man sacken lassen – aber danach wird man diesen kleinen Scherz unter Männern nie wieder vergessen.
Ben Redelings wurde 1975 im Flutlichtschatten des Bochumer Ruhrstadions geboren und ist Experte für die unterhaltsamen Momente des Fußballs. Sein aktueller Bestseller "Das neue Buch der Fußballsprüche" verkauft sich sprichwörtlich wie das gut gekühlte Stadionbier. Als SPORT1-Kolumnist schreibt Ben regelmäßig über die "Legenden des Fußballs" und "Best of Bundesliga".
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