Es war eine dicke Überraschung für Experten und Fans, aber auch für Mannschaftskollegen und ihren Trainer Peter Bosz.
Förderer adelt Bender-Zwillinge
"Nach langer Bedenkzeit und unzähligen Gedankenspielen hinsichtlich unserer Zukunft sind wir letztlich zu dem Entschluss gekommen, dass wir unsere Reise mit Bayer 04 nicht fortführen werden", verkündeten Lars und Sven Bender in einer gemeinsamen Stellungnahme am vergangenen Montag ihr Karriere-Ende.
Die Verträge der 31-Jährigen laufen aus, beide werden sie nicht mehr verlängern. Bayer verliert damit 2021 nicht nur zwei Stammkräfte, sondern auch zwei unumstrittene Führungsspieler. (Ergebnisse und Spielplan der Bundesliga)
Förderer Kurz vom Bender-Abschied überrascht
"Mich hat es überrascht, weil Sven und Lars noch ein sehr gesundes Fußball-Alter haben. Aber wenn man den Charakter von Sven und Lars kennt, dann weiß man, dass sie sehr klar sind. Sie wollten immer alles abrufen können. Nachdem ich ihr Statement gelesen habe, kann ich die Entscheidung schon nachvollziehen, weil ich sie als Typen kenne", sagt Marco Kurz im SPORT1-Interview.
Er trainierte die Benders schon 2006 in der U23 beim TSV 1860 München und holte sie dann zu den Profis.
Es sei keine Entscheidung "gegen den Verein", betonten die Benders, sondern "für die Gesundheit und die Familie. Wir haben erkannt, dass es schwierig wird, über den Sommer hinaus auf diesem hohen Niveau Fußball zu spielen". Es falle ihnen "mit all den Schmerzen und körperlichen Problemen zunehmend schwerer", kontinuierlich 100 Prozent abzurufen, erklärten die verletzungsgeplagten Ex-Nationalspieler.
"Es gibt nur wenige Spieler wie Lars und Sven in der Bundesliga", lobte Leverkusens Sport-Geschäftsführer Rudi Völler: "Sie stehen für fußballerische Klasse, extreme Professionalität und absolute Verlässlichkeit, für Willensstärke und Einsatzbereitschaft." Besonders Lars Bender habe sich mit Leverkusen identifiziert wie kaum ein anderer Spieler, betonte Völler.
Lars und Sven Bender "absolute Fighter"
Lars Bender war 2009 von 1860 zur Werkself gewechselt und führte Bayer jahrelang als Kapitän aufs Feld. Sein Bruder folgte ihm acht Jahre später über den Umweg Borussia Dortmund. Seitdem bilden sie gemeinsam das Herzstück der Leverkusener Defensive.
Kurz erinnert sich gerne an die Zeit damals mit den Benders bei den Löwen und findet nur lobende Worte für die Zwillinge: "Wir hatten bei 1860 einen ganz tollen 89er-Jahrgang. Die Zwei hat schon früh ausgemacht, dass sie reif und klar waren. Und auch weitblickend, das war schon besonders."
Auf dem Platz seien sie "absolute Fighter" gewesen. "Sie haben in jedem Training über 100 Prozent gegeben und das hat sie ausgezeichnet. Aber sie waren mit ihren 17 Jahren schon unheimlich weit."
Kurz kann Bender-Zwillinge verstehen
Kurz, der zuletzt beim australischen Klub Melbourne Victory tätig war und aktuell ohne Job ist, kann Lars und Sven Bender verstehen. "Sie sagen, dass sie nicht mehr 100 Prozent bringen können. Man sah schon, dass sie den einen oder anderen verletzungsbedingten Ausfall hatten. Gut ist, dass sie es reflektieren und ihrem Arbeitgeber ehrlich sagen: 'Ihr erwartet 100 Prozent, die können wir aber nicht abrufen, und deshalb ziehen wir die Konsequenzen.'"
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Der Förderer lobt vor allem die Reife der Zwillinge: "Was die betrifft, sind sie sehr von ihrer Mutter geprägt. Sie hat ihren Söhnen viel mitgegeben und einen tollen Job gemacht. Das sind fantastische Jungs."
Kurz erinnert sich: "Lars und Sven waren einfach andere Typen als ein Timo Gebhart oder Manuel Schäffler. Sie haben viel reflektiert und waren vor allem zielorientiert. Mit 17 so fleißig und professionell, das war schon verwunderlich, denn es waren ja junge Menschen, die auch mal Blödsinn machen sollten. Aber sie wussten, was sie wollen."
Der erste große Titel ließ nicht lange auf sich warten. 2008 wurden die Brüder mit der U19 in Tschechien Europameister.
Rustikal und furchtlos - Benders machen Kurz Sorgen
Es sei damals schon vorhersehbar gewesen, "dass sie Bundesligaspieler werden können und besondere Profis", berichtet Kurz, sagt aber auch: "Die Angst und Vorsicht, sie nicht zu überlasten, war immer da."
Man dürfe nicht vergessen, "dass sie direkt von der B-Jugend zu den Profis kamen, was schon sehr früh und sportlich war".
Dies sei nicht ganz problemfrei vonstattengegangen. "Da musste man damals aufpassen, weil ihr Wachstum noch nicht abgeschlossen war, sie aber schon allem standhalten mussten und nie mit Handbremse trainieren konnten. Wir mussten mit der Trainingssteuerung schon aufpassen."
Kurz denkt an so manche Trainingseinheit zurück, in der es hoch her ging. "Ich hatte das eine oder andere mal Respekt, weil die Jungs doch überall ihre Beine und Köpfe rein hielten. Am Anfang hätte ich mir etwas mehr Cleverness gewünscht, aber dass sie ihren Weg gehen würden, war klar."
"Sie haben sich nichts geschenkt"
Eine Anekdote erzählt Kurz immer wieder gerne. "Sven kam mal in einem U23-Spiel zu mir an die Linie und sagte nur: 'Trainer, ich bin platt.' Da habe ich nur geantwortet, dass er erst wieder kommen solle, wenn er gar nicht mehr könne. Und fünf Minuten später stand er wieder an der Linie und meinte nur: 'Jetzt kann ich gar nicht mehr.' Da war mir klar, dass ich ihn gut rausnehmen kann. Er war eine ehrliche Haut." Und der Fußballlehrer ergänzt sofort: "Sein Bruder aber auch."
Mit etwas Stolz erzählt er: "Es war auch immer schön zu sehen, mit was für einem Ehrgeiz der eine dem anderen im Training den Schneid abkaufen wollte. Sie haben sich nichts geschenkt, haben sich bekämpft, das war toll zu sehen. Es waren dankbare Spieler für einen Trainer."
Lars sei am Anfang "ein bisschen weiter" als Sven gewesen, dann hätten sie beide aufgeholt, "um ein super Level zu erreichen. Für mich als Trainer war es toll, ihre Entwicklung zu beobachten. Als ich dann noch erleben durfte, dass diese jungen Burschen Nationalspieler geworden sind, war das für mich eine Genugtuung."
Kurz über Bender-Zwillinge: "Herz am rechten Fleck"
Und was wünscht sich Kurz für seine ehemaligen Musterschüler? "Sie haben beide Familie und sicher ein klares Ziel. Ich würde mir wünschen, dass sie im Fußball bleiben. Beide haben das Herz am rechten Fleck. Ich schließe aber auch nicht aus, dass sie etwas ganz Neues machen."
Sorgen müsse man sich um "diese wunderbaren Jungs" nicht machen. "Sie sollen gesund bleiben. Sie haben eine tolle Karriere hingelegt und das Ende der Laufbahn zeigt auch die Besonderheit als Menschen. Ich wünsche ihnen alles Gute und ein erfülltes Leben auch neben dem Fußball."