Als Stefan Ilsanker am letzten Transfer im vergangenen Januar von RB Leipzig zu Eintracht Frankfurt kam, war die Rolle schnell klar. Der Österreicher sollte den verletzten Gelson Fernandes ersetzen, der in den letzten Zügen seiner Karriere steckte.
Stolpert Hütter über diesen Mann?
Trainer Adi Hütter erklärte: "Er ist ein klarer Sechser, der vor der Abwehr abräumt, ein positiver Typ. Er kann eine Mannschaft mit seinen Emotionen mitreißen."
Was auf dem Papier zunächst gut aussah, erweist sich inzwischen aber als ein Streitpunkt bei den Hessen.
Frankfurt-Coach Hütter schützt Ilsanker
Vor allem nach der Partie in Wolfsburg (1:2) wurde die Kritik an Ilsanker lauter. Den Elfmeter zum Ausgleich hatte der Mittelfeldspieler durch ein unglückliches Handspiel verursacht, beim zweiten Gegentreffer stand er viel zu tief und ging dann den Laufweg von Wout Weghorst nicht mit.
"Das kann und muss er besser verteidigen", sagte Hütter auf Nachfrage von SPORT1, wobei er Ilsanker beim Strafstoß keine Schuld zusprechen wollte: "Wie man ihm da einen Vorwurf machen kann, verstehe ich nicht ganz."
Das Problem ist allerdings inzwischen die Anzahl der Fehler, die Ilsanker macht. In Wolfsburg kam er auf eine katastrophale Zweikampfquote von 38 Prozent, nur 58 Prozent der Pässe fanden den Mitspieler, und er war eben an zwei Gegentoren beteiligt.
Bereits in den Wochen zuvor hatte der Nationalspieler oftmals unglücklich agiert, patzte auch gegen den FC Bayern München (0:5), Union Berlin (3:3) oder mit einer unnötigen Gelben Karte gegen Werder Bremen (1:1). Unerklärlich bleibt vor allem sein Verhalten in Schlussphasen, wenn er sich (zu) tief fallen lässt und dann die Absprache mit den anderen zentralen Mittelfeldspielern offenbar nicht klappt. (Die Tabelle der Bundesliga)
Ist Ilsanker wirklich besser als die Konkurrenz?
Max Kruse antwortete auf diese Lücken für Union mit einem Traumtor, Xaver Schlager für Wolfsburg mit einem Sahnepass.
Auch wenn Gegentore oftmals ein Kettenprodukt sind, wird anschließend häufig über das Verhalten von Ilsanker diskutiert. Die Fragen, die sich stellen: Hat er tatsächlich das Potenzial, Stammspieler bei einem Klub zu sein, der um die internationalen Ränge mitspielen will, zu sein? Besitzt er größere Fähigkeiten als seine zentralen Konkurrenten Dominik Kohr, Djibril Sow oder Makoto Hasebe, die häufiger auf der Bank Platz nehmen mussten?
Ilsanker stand in neun von elf Partien in der Startelf und agierte dabei in drei Begegnungen auf einem guten Niveau. Gegen Hertha BSC (3:1), die TSG Hoffenheim (2:1) und seinen Ex-Klub Leipzig (1:1) zeigte der 31-Jährige, dass er für gewisse Begegnungen der richtige Mann ist.
Dann nämlich, wenn der Gegner mitspielt und ebenfalls den Ball will, sich auf einen offenen Schlagtausch einlässt. Ilsanker kann sich in diesen Momenten als "Wellenbrecher" herauskristallisieren, die Konzentration auf die entscheidenden Zweikämpfe legen und die Mannschaft durchaus pushen.
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Ilsanker in vielen Statistiken schwach
Natürlich hat die Konkurrenz die Stärken der Hessen genauestens analysiert und überlässt ihnen daher oftmals den Ball. Dann wird es mit Ilsanker im defensiven Mittelfeld schwierig. Mit den sowieso schon wenigen Ballkontakten (im Schnitt 47 pro Partie - zum Vergleich: der beim abstiegsbedrohten FC Schalke 04 spielende Omar Mascarell hat durchschnittlich deren 59, Ellyes Shkiri beim 1. Köln 56) weiß er nur sehr wenig anzufangen, die Passquote von 78,63 Prozent ist erschreckend schwach.
Auch die Laufleistungen sind nicht herausragend, in Wolfsburg lief er knapp über zehn Kilometer. Zum Vergleich: Der fünf Minuten früher ausgewechselte Sebastian Rode kratzte an der elf-Kilometer-Marke, Djibril Sow rannte gar über zwölf Kilometer.
Hütter nahm Ilsanker dennoch in Schutz: "Man muss schauen: Welchen Zweikampf gewinnt er? Ist es der entscheidende? Er wird sehr kritisch gesehen. Das wurde Sow in der letzten Saison auch und jetzt finden ihn alle gut. Das ist eben so." Er fügte allerdings an: "Manchmal ist Kritik auch berechtigt. Das lasse ich erstmal so stehen. Ich stehe nicht da und sage, dass alles super ist." (Service: Ergebnisse der Bundesliga)
Hütter wird "niemanden in eine Ecke reinstellen"
Doch die Leistungen von Ilsanker, der zu Beginn seiner Profikarriere noch gemeinsam mit Hütter auf dem Feld stand, rechtfertigen aktuell keinen Stammplatz.
Hütter entgegnete: "Ich werde niemanden in eine Ecke reinstellen. Die Jungs versuchen immer ihr Bestes zu geben. Stefan macht auch vieles sehr gut, was man manchmal vielleicht nicht sehen möchte."
Doch die Zahlen und Daten sprechen gegen eine Startelf-Garantie. Ilsanker lässt dafür die nötige Konstanz, Lauf-, Zweikampf- und Spielstärke auf dieser zentralen Position vermissen.
Hütter wird auf Dauer aufpassen müssen, die Personalie bietet angesichts von acht Partien ohne Sieg Diskussions- und Stolpergefahr. Auch intern, so weiß SPORT1, wird die Treue zu Ilsanker durchaus mit einer gewissen Skepsis betrachtet.
Somit geht der Defensivmann auch bei einem Duell wie gegen Borussia Mönchengladbach (Bundesliga: Eintracht Frankfurt - Borussia Mönchengladbach ab 18.30 Uhr im LIVETICKER), wo er vom Prinzip her ins System passen würde, vorbelastet in die Partie.