Noch heute schwärmen sie in Frankreich von Jean-Pierre Papin, der laut Le Point neben Ronaldo, Gerd Müller, Marco van Basten und Andriy Shevchenko einer der fünf besten auf der "Neun" gewesen sei.
Warum Papin bei Bayern scheiterte
Ein kompletter Mittelstürmer, der sowohl für Olympique Marseille als auch die französische Nationalmannschaft und später beim AC Mailand vor allem für eines sorgte: Tore. Insgesamt 333 in 596 Pflichtspielen.
Auch der deutsche Rekordmeister FC Bayern München hatte auf Tore gehofft, als er Papin zur Saison 1994/95 für 5,5 Millionen D-Mark nach München lotste. Damals ein Schnäppchen trotz seines Alters von 30.
Wie immer bei Top-Transfers war der heutige SPORT1-Experte und frühere Weltklasse-Verteidiger Thomas Helmer bei Papins Ankunft gespannt, "ob er der Mannschaft weiterhilft." Helmer erinnert sich: Papin "wollte seinen Status erhalten, das war bei Bayern nicht mehr so einfach."
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Helmer über Papin: "Eine kleine Diva"
Als Weltstar trat der Franzose entsprechend an der Säbener Straße auf. "Es war positiv verrückt mit ihm, es gab auch mal Theater" zwischen Papin und den Teamkollegen, berichtet Helmer im Gespräch mit SPORT1. Positiv betrachtet sei der Stürmer angesichts seiner Vita "eine kleine Diva" gewesen.
Europas Fußballer des Jahres von 1991 war zwei Jahre zuvor noch für die damalige Weltrekordsumme von umgerechnet zwölf Millionen Euro von Frankreich nach Italien gewechselt.
Papin schoss Marseille von 1986 bis 1992 viermal zum Meistertitel. Er glänzte als Kapitän und fünfmaliger Torschützenkönig. Während er dort in den Meisterjahren im Schnitt 25 Treffer pro Saison erzielte, einmal waren es sogar 30 (1989/90), traf er für Bayern hingegen insgesamt drei Mal in 27 Bundesligaeinsätzen. Papin ließ einige Chancen liegen.
"Im Nachhinein hat er selbst gesagt, er hätte sich mehr erhofft, sich mehr zugetraut", erzählt Helmer. Insbesondere, weil Papin "ein typischer Stürmer" war: "Er wollte immer Tore machen, auch im Training."
Bayern hatte im Sommer 1994 zudem Giovanni Trapattoni als Trainer vorgestellt und schielte heimlich nach Europa. Zuletzt hatten die Münchner 1976 den Henkelpott hochgestemmt.
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Papin galt für höchste internationale Ansprüche als idealer Mann. Er kam als frisch gebackener Champions-League-Sieger aus Mailand.
Verletzungsprobleme bremsen ihn
1991 hatte er schon Marseille ins Finale des Landesmeisterpokals geführt. Zwar unterlagen die Franzosen Roter Stern Belgrad, in jenem Jahr wurde Papin dennoch mit dem Ballon d’Or ausgezeichnet, noch vor Lothar Matthäus, der seinerzeit bei Inter Mailand glänzte.
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Papins Spiel war schnell, kraftvoll, intelligent. Sein Repertoire im Abschluss immens. Er verzückte mit Toren per Lupfer und platzierten Kopfbällen, trotz einer Größe von nur 1,76 Metern. Er war eine Mischung aus Distanzschütze und gerissenem Strafraumstürmer.
"Ich hatte niemals Zweifel, weil es das war, was ich im täglichen Training hunderte Male getan hatte. Es wurde natürlich", beschrieb Papin einmal bei SoFoot seine Abschlussstärke.
Für die Münchener traf er erst vier Monate nach seiner Ankunft im November 1994 in der Bundesliga. In der Champions League sorgte er mit einem Doppelpack und zwei Vorlagen für den 4:1-Auswärtssieg über Dynamo Kiew.
Zu diesen Zeitpunkt bremsten ihn wie schon in Mailand zunehmend Verletzungen. Die Rückrunde verpasste er wegen einer Knieoperation komplett.
Als Papin im August 1995 gegen den KFC Uerdingen das Tor des Jahres erzielte, jubelten alle. "Er hatte sich wieder herangekämpft", erinnert sich Helmer, Moderator des CHECK24 Doppelpass auf SPORT1.
Papin hatte zum einzigen Mal seine brillante Schusstechnik "Papinade" im Olympiastadion gezeigt, eine Mischung aus Volleyschuss und Seitfallzieher. In unermüdlichen Extraschichten hatte Papin in Marseille mit Ersatztorwart und Kumpel Alain Casanova an dieser Schusstechnik gefeilt. Das Tor wirkte wie ein letztes Aufbäumen.
"Das schwerste Eingeständnis ist zu erkennen, dass es nicht mehr wie mit 25 oder 28 ist, gerade auf dem Niveau der absoluten Top-Klubs", meint Helmer hinsichtlich Papins Form nach den zahlreichen Verletzungen.
Am Ende der Saison 1995/96 verabschiedete sich der Franzose trotz UEFA-Cup-Sieg zum Finalgegner Girondins Bordeaux.
Abschied aus München nach zwei Jahren
Zu oft war ihm die Reservistenrolle geblieben, weil bloß zwei Plätze für fünf Stürmer frei gewesen seien. Papin hatte mit Jürgen Klinsmann, Alexander Zickler, Emil Kostadinov sowie Marcel Witeczek um einen Stammplatz gekämpft.
Helmer, der ehemalige FCB-Kapitän, sagt zum Konkurrenzkampf unter Trapattoni und später unter Otto Rehhagel: "Papin war nicht unangefochten." Es habe immer jemanden gegeben, der Druck gemacht habe.
"Normal hätte man gesagt, der spielt ja sowieso, auch wenn er mal zwei schlechte Spiele macht", erklärt Helmer Papins damalige Situation. "Es war eine ganz neue Erfahrung und Herausforderung für ihn. Das war glaube ich schwierig."
Papin, der wie die französische Bayern-Legende Franck Ribéry aus Boulogne-sur-Mer stammt, wollte 1996 zurück in die Heimat. Von Bordeaux aus ließ er sich in Archachon, wo er kurzzeitig als Spielertrainer wirkte, an der Atlantikküste nieder.
2007 führte er Absteiger Racing Straßburg, das Jahre später ein Märchen von der 5. Liga in die Europa League erlebte, zwischenzeitlich zurück in die Ligue 1. Mit dem RC Lens lief es ein Jahr später umgekehrt. Papin stieg mit dem Verein ab.
Seitdem ist es um Papin auf der Fußballbühne ruhig geworden. Auch, weil er im Gegensatz zu Frankreich-Legenden wie Michel Platini oder Zinedine Zidane eine geringe mediale Wertschätzung erfuhr. "Das hat ihm bisschen zu schaffen gemacht, dass nie gewürdigt wurde, wie gut er eigentlich war", glaubt Helmer. Seiner Meinung nach sei Papin "technisch herausragend" gewesen.
Dennoch ist Jean-Piere Papin bis heute einer von nur vier Franzosen, die den Ballon d’Or gewonnen haben. Sein Vermächtnis in den französischen Geschichtsbüchern wird trotz der schwierigen Phase in Deutschland überdauern.