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Bundesliga-Skandal: Schalke 04 verkauft Arminia-Bielefeld-Spiel vor 49 Jahren

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Bundesliga-Skandal: Schalke 04 verkauft Arminia-Bielefeld-Spiel vor 49 Jahren

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Das schmutzigste Bundesliga-Kapitel

Am 17. April 1971 verliert Schalke 04 absichtlich gegen abstiegsbedrohte Arminia Bielefeld. Später wird der Bundesliga-Skandal vor Gerichten ausgetragen.
Bielefelds Gerd Roggensack erzielte das einzige Tor im Skandalspiel zwischen Schalke und Arminia
Bielefelds Gerd Roggensack erzielte das einzige Tor im Skandalspiel zwischen Schalke und Arminia
© Imago
Am 17. April 1971 verliert Schalke 04 absichtlich gegen abstiegsbedrohte Arminia Bielefeld. Später wird der Bundesliga-Skandal vor Gerichten ausgetragen.

Sie werden den Jahrestag gewiss nicht feiern auf Schalke, wo sie derzeit ohnehin wenig Grund zur Freude haben. Nicht in diesem Jahr und auch nicht im nächsten, wenn der vielleicht tiefste Einschnitt in die Vereinsgeschichte "Jubiläum" hätte. Heute vor 49 Jahren, am 17. April 1971, beteiligte sich Schalke 04 am schmutzigsten Kapitel der Bundesligageschichte.

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Die Spieler verschoben eine Partie im Abstiegskampf gegen Geld. Das 0:1 gegen Arminia Bielefeld war nur eine von vielen, es war im Frühjahr 1971 beinahe schon gang und gäbe. Aber keine beschäftigte die Gerichte länger, keine zerstörte mehr Karrieren. Kein Klub beschädigte sein Ansehen stärker als die Schalker, deren Spieler als Meineid-Sünder in die Geschichte eingingen. Alles nur wegen 2300 D-Mark.

Abstiegskampf von der halben Liga manipuliert

Worum ging es? Wir sind auf unserer Zeitreise in den kriminellsten Tagen der Bundesligageschichte angelangt. Der Abstiegskampf 1970/71 wird manipuliert und zwar von der halben Liga. Vieles wird nie bewiesen werden.

Mannschaften wie RW Oberhausen und Arminia Bielefeld bestechen ihre Gegner aktiv, Kickers Offenbach zahlt Siegprämien an Dritte. Alle treibt die Abstiegsangst, denn schon 1971 ist der Weg von der 1. Liga in die damals noch viergleisige 2. Liga (Regionalliga) ein Sturz ins Bodenlose. Preußen Münster, Tasmania Berlin oder Borussia Neunkirchen kamen nie wieder, Alemannia Aachen erst nach 37 Jahren.

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Gerüchte wabern schon seit März durch die Liga, dass einige Klubs Spieler bestechen würden, um im Abstiegskampf zu Punkten zu kommen. Es kommt zu Geldübergaben auf dunklen Raststätten, in Trainerwohnungen oder im Stadion.

Honorige Kaufleute sind darin im fragwürdigen Interesse ihres Klubs verstrickt, dubiose Hintermänner steigen ein ins lukrative Geschäft mit der Angst. Wie jener Kölner Friseurmeister, der als Mittler gleich für mehrere Klubs im Einsatz ist und angesichts der üppigen Provisionen davon schwärmt, "für die nächste Saison eine regelrechte Agentur aufzumachen".

Arminia Bielefeld kauft drei Siege

Welcher Klub eigentlich angefangen hat, bleibt rätselhaft. Auf einer Krisensitzung im März 1971 berichtet Bielefelds Trainer Piechaczek von den angeblichen Gepflogenheiten der Liga und so springt Arminia auf den Zug auf. Manipulation per Vorstandsbeschluss!

Drei Siege werden gekauft, nur der erste Versuch misslingt: weil in Duisburg nicht genug Spieler bestochen worden sind. Arminia bekommt ihr Geld zurück bis auf 2500 Mark, die der Duisburger Gerd Kentschke schon verjubelt hat.

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Aber der Weg scheint alternativlos zu sein: Wer nicht mitmacht, so glaubt man 1971, ist der Dumme. So wurden an den letzten acht Spieltagen mindestens 18 Partien manipuliert, also mehr als jede vierte.

Ideal zum Bestechen sind Mannschaften, für die es um nichts mehr geht wie Köln, Braunschweig, Stuttgart, Duisburg, Hertha BSC oder Schalke 04. So gibt es weit mehr Bestochene als Bestecher. Ein ideales Spiel für diese Machenschaften findet am 28. Spieltag in der alten Schalker Glückauf-Kampfbahn statt.

Nur Schalke-Torwart Burdenski weiß von nichts

Aufsteiger Arminia kommt zum Westfalenduell. Die Gegner des Tages sind Komplizen, aber das ahnen die 15.000 Zuschauer nicht. Auch das Stadionheft "Schalker Kreisel" gaukelt Normalität vor: "Arminia kommt als Außenseiter".

Dabei hat der Aufsteiger schon vor Anpfiff gewonnen. Der Ex-Schalker Waldemar Slomiany, nun ein Armine, hat den alten Kumpels im Vorstandsauftrag 40.000 DM für eine Niederlage geboten.

Die Schalker schlagen ein, Spieler Klaus Senger nimmt das Geld entgegen - und alle spielen auffallend schlecht. Die Zuschauer rufen instinktiv "Schiebung", nur der kurzfristig für den am Knie verletzten Norbert Nigbur aufgebotene Torwart Dieter Burdenski weiß von nichts und hält wie ein Verrückter das 0:0. Bis ihm ein Mitspieler zuruft: "Mensch Budde, nun geh doch mal zur Seite."

Freiwillig lässt er den Flachschuss von Gerd Roggensack (83.) trotzdem nicht durch. Es wird das Tor des Tages. Eine ganz normale Blamage einer unmotivierten Elf oder doch mehr? Trainer Slobodan Cendic fordert empört "1000 Mark Geldstrafe für jeden meiner Spieler".

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Der Kicker will nicht glauben, was nicht sein darf. Reporter Dieter Ueberjahn schreibt: "Aber das war keine Schiebung, das war einfach Unvermögen, Resignation, Pech und mangelnder Einsatzwillen, vereint in einem Spiel." Er weiß ja nicht, was nach dem Spiel los ist.

Noch in der Kabine erhält jeder Schalker 2300 DM. Auch Burdenski, bloß weiß er nicht, wofür. Er nimmt das Geld trotzdem. Dann nimmt das Unheil seinen Lauf.

Offenbach-Präsident Canellas deckt Skandal auf

Im Juni werden durch die berühmten Tonbandaufzeichnungen von Telefonaten, die Offenbachs Präsident Horst-Gregorio Canellas zum Schein geführt hat, die ersten Gerüchte öffentlich. Er spielt sie auf der Gartenparty anlässlich seines 50. Geburtstags vor Honoratioren und Journalisten triumphierend ab. Von Schalke ist noch keine Rede.

Zunächst stehen Hertha BSC und der 1. FC Köln am Pranger. Im Oktober 1971, als Bielefeld in den Fokus rückt, wird auch dieses Spiel Gegenstand der Ermittlungen von DFB und Staatsanwaltschaft. Letztere findet auf der Arminen-Geschäftsstelle sogar eine Quittung über die 40.000 DM, allerdings falsch betitelt als "Holland-Transfer".

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Die Schalker stellen sich dumm und dementieren heftig. Auch zivile Gerichte kümmern sich um den Skandal, es geht schließlich auch um veruntreute Vereinsgelder.

Am 31. Januar 1972 beeidet der ehemalige Bielefelder Vorstand Franz Greif vor dem Landgericht Essen: "Jawohl, ich habe Waldemar Slomiany am 17. April vor dem Spiel in Schalke 40.000 DM gegeben, um den Sieg zu kaufen." Der ebenfalls vorgeladene Slomiany, ein Pole, radebrecht: "Ich nix weiß. Ich kein Geld von Herrn Greif bekommen, also auch kein Geld weitergegeben."

Eine von vielen Lügen in diesem Skandal. Acht Schalker haben sogar die Stirn, den Bielefelder Jürgen Neumann wegen Verleumdung zu verklagen. Ihre Namen: Klaus Fischer, Rolf Rüssmann, Herbert Lütkebohnert, Heinz van Haaren, Klaus Fichtel, Jürgen Sobieray, Reinhard Libuda und Hans-Jürgen Wittkamp.

Schalke-Profis fürchten lebenslange Sperren

Jahre später erklären sie ihr Motiv. Da der DFB die ersten Skandalsünder von Hertha BSC, die sich ebenfalls von Bielefeld bestechen ließen, lebenslang sperrt, fürchten sie das gleiche Schicksal - und so lügen sie eisern weiter. Trotzdem zerbricht ihr Lügengerüst, als Dieter Burdenski am 18. Mai 1972 vor dem DFB-Sportgericht auspackt.

Er gesteht die von der von Arminia längst eingeräumte Geldübergabe an ihn. "Ich habe die anderen nicht reingeritten und nur die Wahrheit gesagt", beteuerte er noch Jahrzehnte später. Aber damit ist der Schluss zulässig, dass das Geständnis der Bielefelder der Wahrheit entspricht.

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Und so ist es: Ganz Schalke ist bestochen worden, weshalb Arminia dringeblieben ist. Das kann der DFB nicht dulden. Obwohl die Schalker am 12. April 1972 vor dem Amtsgericht Gelsenkirchen Meineide schwören, werden die ersten Spieler im Juni vom DFB gesperrt. Zunächst "auf Zeit", dann für zwei Jahre, nach Berufungen und Einstweiligen Verfügungen kommen sie zwischenzeitlich frei, dann kommen die nächsten Sperren.

Das Problem ist, dass Spielmanipulation im Sport kein Straftatbestand ist, der ein Berufsverbot rechtfertigt. Weshalb der DFB sich sukzessive zu reduzierten Strafen und faulen Kompromissen gezwungen sieht.

Fischer: "Dümmer kann man nicht sein"

Es ist ein Chaos. Beginnend in einer Saison, in der Schalke fast Meister wird. Die Arminia dagegen wird 1972 zum Zwangsabstieg verdonnert.

Der DFB beschließt, die Skandalsünder schon vor ihrer Überführung ab 17. März 1972 nicht in der Nationalmannschaft spielen zu lassen, die hoffnungsvollen Karrieren von Rüssmann und Fischer werden jäh gebremst. Erst am 22. Dezember 1975 (!) geben die trotzigen Acht zu, einen Meineid geschworen zu haben.

"Wir haben alle Geld von Bielefeld genommen, wir haben alle einen Meineid geschworen", sagte Hans-Jürgen Wittkamp im Namen aller. Endlich wird ausgesprochen, woran keiner mehr zweifelt. Der letzte Prozesstag ist der 8. Januar 1976, die Geldstrafen von bis zu 10.000 DM kommen der Deutschen Krebshilfe zu Gute.

Es ist das einzig Positive an der Affäre, in die sich die Schalker am 17. April 1971 gestürzt haben, nur um ihr Urlaubsgeld etwas aufzubessern.

"Dümmer kann man nicht sein", gesteht Klaus Fischer, dessen Länderspielkarriere 1977 doch noch beginnt, heute noch jedem, der es hören will.