Fragt man in Freiburg nach bei jenen, die es eigentlich wissen müssten, bekommt man nur Antworten im Ungefähren. Ja, Sebastian Deisler wohnt und lebt wohl noch in der Stadt, heißt es dann, aber ganz sicher wisse man das nicht.
Deisler - er wollte nur spielen
Auch in seiner Geburtsstadt Lörrach sieht das ähnlich aus. Von Begegnungen mit Deislers Vater auf den Amateursportplätzen der Region und Gesprächen über seinen Sohn wird von Weggefährten berichtet.
Und ebenso davon, dass Deisler sich auch noch lange nach seinem Rückzug aus dem Profifußball im Jahr 2007 wegen seiner Depressionen behandeln lassen habe, auch noch in jüngerer Vergangenheit. Mit Jugendfreunden habe Deisler noch Kontakt, ab und zu soll er mit ihnen auch kicken.
Doch wirklich genaue Angaben, vor allem aus der Gegenwart und erster Hand, sind nicht zu bekommen. Das liegt auch daran, dass Deisler jeglichen Kontakt zur Fußball- und Medienbranche meidet und sich komplett zurückgezogen hat.
Deisler kehrt Profifußball den Rücken
Vielleicht ist es sogar eine gute Nachricht, dass es ihm gelungen ist, wieder wunschgemäß ganz Privatperson zu sein, nachdem ihn das genaue Gegenteil aus Prominenz und Dauerdruck im Unterhaltungsbetrieb Fußball überfordert hatte.
Und gewiss ist es eine gute Nachricht, dass er an diesem Freitag seinen 44. Geburtstag begehen kann. Ein anderer an Depressionen erkrankter ehemaliger Nationalspieler, Torwart Robert Enke, hatte diesen wegen seines Suizids nicht erreicht.
Zum Jahrhunderttalent war Deisler in Zeiten des deutschen Rumpelfußballs hochgejazzt worden, zum Retter der Fußballnation, so fühlte es sich für ihn jedenfalls an. Basti Fantasti wurde der Mittelfeldspieler genannt, doch irgendwann wollte und konnte der Hochbegabte nicht mehr.
„Mit der richtigen Freude spiele ich nicht mehr Fußball“, sagte er auf seiner Rücktritts-Pressekonferenz beim FC Bayern, zu dem er nach seinen Profistationen Borussia Mönchengladbach und Hertha BSC 2002 gewechselt war.
Er fühle sich nicht mehr frei auf dem Platz. Also nicht mehr so, wie es früher war, als er einfach nur spielen wollte, aus Freude am Fußball. "Es war zuletzt für mich eine Qual", sagte er bei seinem Rücktritt.
Hoeneß berichtet über Deislers Depressionen
Im November 2019 stand Deisler kurz wieder in der Öffentlichkeit, jedenfalls indirekt und sehr wahrscheinlich nicht zu seiner Freude. Auf einer Podiumsdiskussion von Teresa Enke, der Witwe des am 10. November 2009 verstorbenen Nationalkeepers, erzählte Uli Hoeneß von Deislers Depressionen.
Der langjährige Manager und Präsident des FC Bayern berichtete davon, wie er zusammen mit dem damaligen Münchner Trainer Ottmar Hitzfeld einmal Deisler in dessen Wohnung „völlig verwirrt“ vorgefunden habe.
Und Hoeneß, der wie Deisler an diesem Donnerstag Geburtstag hat und 71 Jahre alt wird, erzählte auch vom letzten Wintertrainingslager, an dem Deisler im Januar 2007 teilnahm.
„Ich habe jeden Abend mit ihm gesprochen. Er wollte immer abreisen, ich habe ihn dann überredet“, sagte Hoeneß.
Am letzten Abend des damaligen Trainingslagers in Dubai rief Deisler um halb eins bei Hoeneß an und bat ihn um ein weiteres Gespräch. In Hoeneß' Suite saßen sie zusammen, "er hat dabei immer eine Flasche Bier getrunken", erzählte Hoeneß, "und dann hat er gesagt: 'Das geht nicht mehr. Ich kann nicht mehr'."
Deisler: "Ich möchte aufhören, Fußball zu spielen"
Bis ungefähr halb fünf in der Nacht hätten sie damals geredet, ehe Hoeneß Deisler das Bett im zweiten Zimmer seiner Suite anbot.
„Um halb neun bin ich aufgewacht, und da lag er friedlich schlummernd in diesem Bett. Ich habe ihn geweckt und zum Frühstück geschickt“, erzählte Hoeneß, „an dem Tag hat er dann trainiert wie ein Wahnsinniger, er war der beste Mann. Dann habe ich gedacht: Jetzt haben wir es geschafft.“
Doch nach dem Rückflug habe ihm Deisler noch auf der Gangway gesagt: „Ich möchte aufhören, Fußball zu spielen.“ Kurz darauf beriefen die Bayern die Pressekonferenz ein, Hoeneß sagte damals: „Den Kampf haben wir leider verloren.“
Und Deisler, gerade 27 Jahre alt geworden, sagte: „Die Entscheidung steht, und darüber bin ich glücklich.“ Wohl auch noch an seinem 44. Geburtstag, als Privatperson.